Jan-Hillern Taaks - Die Wolf

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"Die Wolf" oder «Otto Mundt und seine Familie» ist die Geschichte eines komplizierten Vater-Tochter Verhältnisses und komplizierter Familienverhältnisse. Die Wolf, genauer: Frau Dr. Helene Wolf, ist eine bekannte und auch gefürchtete Anwältin. Otto Mundt, der sich lange Zeit als ihr Onkel Otto ausgab, ist in Wirklichkeit ihr Vater, der sie unterstützt, ihr hilft, ohne sich aufzudrängen. Die Wolf heiratet, ohne das Leben einer verheirateten Frau zu führen. Und sie hat mit ihrem Mann, der nur gelegentlich auftaucht, vier Kinder, von denen eines tödlich verunglückt.
Die Wolf ist eine widersprüchliche Frau, groß, hager, schmucklos und sehr ehrgeizig. Das ist die eine Seite. Als Strafverteidigerin kämpft sie für die Beschuldigten, ruhig, sachlich und unerbittlich. Als Mutter versucht sie ihren Kindern das zu sein, was Otto Mundt für sie ist. Sie unterstützt die Kinder, ohne sich aufzudrängen.
Otto Mundt hat zwei ältere Schwestern, die ihn ablehnen, weil er in jungen Jahren eine Haftstrafe antreten muss. Nach seiner Entlassung schafft er es, sich zu einem beachteten und vor allem sehr reichen Unternehmer zu entwickeln. Die Nachkommen seiner Schwestern tauchen auf, um – vielleicht von Ottos Reichtum zu profitieren.

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Schon bald nach dem Abendessen verschwanden Helene und Bernd - wohin? "Zu Bernd", hieß es lapidar. Ralf wollte etwas dazu sagen, aber Otto gab ihm indirekt zu verstehen, dass er den Mund halten sollte, und das tat er denn auch. Mit einem freundlichen Lächeln verabschiedeten die mittelalterlichen Freunde den Liebhaber der geliebten Helene - und Helene, die Bernd begleiten wollte.

"Was sollen wir tun?", fragte Ralf, als die beiden jungen Leute die Wohnung verlassen hatten.

"Nichts", entgegnete Otto ernsthaft, fast traurig. Er fuhr fort: "Du kannst nichts tun. Wenn du unserer Helene die Beziehung zu Bernd untersagst, wird sie zu ihm ziehen. Sie ist ihm ganz verfallen."

Die beiden Männer, die sich über viele Jahre um Helene gekümmert hatten, schwiegen lange. Es war Otto, der sagte: "Helene verfolgt nach wie vor ernsthaft ihre Studien, soweit ich es mitkriege."

Ralf bestätigte das.

"So, und dabei sollen wir sie unterstützen, wenn sie Unterstützung braucht, und die wird sie auch brauchen. Was hat sie in den Semesterferien vor? Ist sie in den Ferien immer noch in der Kanzlei?"

"Sie arbeitet bei Abelt, Abelt und Rossmer und Partner, ja, bei denen ist sie immer noch."

"Und was genau macht sie da?", fragte Otto. Ralf hatte keine Antwort. Er wusste, dass Helene dort gutes Geld verdiente, aber was sie dort genau tat, wusste er nicht.

"Nun, ich werde mich darum kümmern", erklärte Otto ganz bestimmt, aber er sagte nicht, was er tun werde. "Übrigens noch etwas: Dieser Bernd ist bestimmt kein schlechter Typ. Er raucht nicht, und ich glaube auch nicht, dass er Drogen nimmt. Für mich ist die Beziehung zu Bernd ein wenig seltsam, aber er ist kein schlechter Mann. Das sollte uns zufrieden stellen."

"Und was ist, wenn Helene schwanger wird?", fragte Ralf besorgt. Otto grinste und zuckte die Schultern. Er hatte keine Antwort darauf.

7. Kapitel

Helene studierte tatsächlich ernsthaft und sehr zielbewusst. Mit ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen hatte sie kaum Verbindung. Sie bildete auch keine Arbeitsgemeinschaften oder schloss sich irgendwelchen Gruppen an. Sie war, für alle erkennbar, ein Außenseiter. In der Kanzlei schien es etwas anders zu sein, denn dort hatte sie mit einem Dr. Abelt Junior einen sehr guten Fachdialog. Dr. Abelt war ein mittelgroßer Mann, dem es Spaß machte, der jungen Aushilfskraft die Komplexität der Jurisprudenz klarzumachen. So kam es, dass Helene verstand, was sie tat. Dr. Abelt sorgte auch dafür, dass sie auch einigen Gerichtsverfahren beiwohnte, um zu lernen, wie mit dem juristischen Instrumentarium umzugehen sei. Unter Kollegen war er "Abelt Junior", dabei war er fast 50 Jahre alt. Dieses Etikett "Junior" hatte er zu einer Zeit erhalten, als sein Vater noch die Kanzlei geführt hatte.

Anfang 1985 wusste Helene, dass sie schwanger war. Sie merkte es an Kleinigkeiten, an morgendlicher Übelkeit und am Ausbleiben ihrer Periode. Zunächst wusste sie nicht, wie sie damit umzugehen habe. Sie war verwirrt, und schließlich vertraute sie sich Ralf an. Ralf war entsetzt, sehr unsicher, und er fragte Helene: "Was nun?" Helene musste lachen. Sie hatte von Ralf wissen wollen, was sie zu tun habe, und nun war Ralf ebenso ratlos wie sie selbst.

"Und was sagt Bernd dazu?", fragte Ralf.

"Nichts - er weiß es noch gar nicht", war die Antwort.

"Das sollten wir mit Otto bereden. Er wird wissen, was zu tun ist", sagte Ralf. Es war nicht das erste Mal, dass er seinen Freund hinzuzog, auch wenn es sich um sehr private Dinge handelte. Otto, so schien es, wusste in vielen Fällen, was zu tun war.

Am nächsten Abend kam Onkel Otto, der die Hilflosigkeit von Ralf und die Unsicherheit von Helene sogleich erfasste. Erst wollte er natürlich wissen, ob Helene sich sicher sei, oder ob sie nicht besser einen Arzt aufsuchen solle. Nein, Helene war sich sehr sicher.

"Ich glaube, wir sollten nicht an eine Abtreibung denken", erklärte Onkel Otto, und er schaute Helene mit einem Lächeln an.

"Der Meinung bin ich auch", bestätigte Helene. Sie fuhr fort: "Ich habe keine Ahnung, wie ich mit einem Kind und dem Studium fertig werden soll, aber eine Abtreibung kommt nicht in Betracht. Ich möchte das Kind behalten."

"Gut", kommentierte Otto, und er sagte weiter: "Wir helfen dir, und wenn es sein muss, auch finanziell."

Ralf schaute von Helene zu Otto und wieder zurück. Onkel Otto fragte, ob Helene an eine Heirat mit Bernd vor der Geburt des Kindes denke.

"Bernd will von Heirat nichts wissen", sagte sie.

"Wann habt Ihr darüber gesprochen?", wollte Onkel Otto wissen.

Vor ein paar Wochen sei es gewesen. Da habe auch sie noch nichts von einem Kind gewusst.

Onkel Otto dachte eine Weile nach, dann fragte er, was Helene wolle. Wolle sie eine Heirat?

Helene errötete leicht. Schließlich meinte sie:

"Ich möchte eine Ehe mit Bernd, allerdings weiß ich auch, dass wir nicht zusammenleben werden. Bernd braucht sein Leben, und ich habe auch nicht vor, mein Leben wegen einer Ehe aufzugeben. Wenn ich eine Ehe möchte, so wegen des Namens, wegen des Kindes."

Was das heiße, wollte Ralf wissen.

"Ganz einfach: Auch nach der Eheschließung, wenn es sie denn gibt, möchte ich hier wohnen, und Bernd wird in seiner Bude bleiben. So etwas - oder doch etwas Ähnliches - habe ich mir vorgestellt."

"Aber dann brauchen wir keine Eheschließung", protestierte Ralf.

"Ich möchte, dass das Kind einen Namen hat, und ich möchte nicht, dass auf dem Geburtsschein Vater: Wolf; Mutter: Marquardt zu lesen ist."

Otto und Ralf schauten sich an. Die Wohnung in Hoheluft, in der Ralf und Helene wohnten, war mit drei Schlafzimmern recht groß, und selbst dann, wenn jetzt ein Kind hinzukommen würde, wäre die Wohnung groß genug. Es war eine Mietswohnung in der ersten Etage, und der Eigentümer war ein Fonds, mit dem sie noch nie Schwierigkeiten gehabt hatten. Wenn Helene mit Kind hier wohnen wolle - warum eigentlich nicht?

"Natürlich, wenn du mit dem Kind hier wohnen möchtest, so geht das in Ordnung", sagte Ralf. "Was aber wird mit deinem Studium?" Helene zuckte mit den Schultern. Nach einer Weile sagte sie, dass sie das Studium auf gar keinen Fall aufgeben werde. Wie sie alles regeln werde, wisse sie noch nicht. Dann sagte sie, sich an Otto wendend:

"Weißt du, in Wahrheit werde ich wohl Eure Hilfe brauchen."

Helene errötete, dann kamen ihr die Tränen, die sie trotzig wegwischte.

8. Kapitel

Onkel Otto war wieder unterwegs, wo, das sagte er nicht. Er deutete an, er habe in New York zu tun, es sei eine "dumme" Sache, die er zu regeln habe, und er reise höchst ungern. Und so war er nicht da, als Helene zu Hause Ralf sagte, dass Bernd keine Eheschließung wolle.

"Nun, das macht nichts", sagte Helene tapfer, "dann wächst das Kind eben mit meinem Namen auf." Sehr nachdenklich sagte sie: "Vielleicht ist es ganz gut so, ich weiß es nicht. Ich kann Bernd ohnehin nicht halten, und er wäre wohl auch kein guter Vater - nicht im traditionellen Sinn."

Als runde zehn Tage später Otto davon erfuhr, fragte er Helene direkt:

"Wie wichtig ist dir eine Ehe?"

"Aber Onkel Otto, diese Frage hat sich erübrigt", entgegnete Helene ein wenig ungeduldig.

"Das ist keine Antwort auf meine Frage. Wie wichtig ist dir die Ehe?" Onkel Otto war es ernst, wie Helene verwundert feststellte. Er war bislang immer so etwas wie der freundliche Onkel gewesen. Der Eindruck schien sich zu ändern.

"Natürlich, mir ist die Ehe wichtig, aber ich kann ihm ja nicht sagen, du musst mich heiraten. Er würde lachen. Er muss es auch wollen."

Onkel Otto tat etwas, was er bislang noch nie getan hatte. Bereis am nächsten späten Nachmittag suchte er die Gärtnerei auf, sah, wie Bernd eine Kundin bediente. Er wartete geduldig, dann ging er auf Bernd zu und fragte, ohne ihn zu begrüßen:

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