1 ...8 9 10 12 13 14 ...53 Murdoc rannte mit gezückter Talusklinge dem Durchgang zur Oberfläche entgegen.
Es war wohl erneut sein Instinkt, der ihn frühzeitig registrieren ließ, dass das Zodiac direkt hinter ihm völlig lautlos in grünlichem Licht aus dem Boden schoss.
Murdoc drehte sich um seine Achse und vollführte ohne zu zögern einen kraftvollen seitlichen Hieb, mit dem er das Wesen zu überrumpeln glaubte. Als die Talusklinge auf den Oberkörper des Zodiacs eintraf, strahlte ein grünlich pulsierendes Licht von dessen Körper auf. Die Talusklinge schien geradewegs ohne jeglichen Widerstand durch das Zodiac hindurch zu gleiten. Der eben noch geringe Funken von Triumph vor Murdocs Schlag wich einem Gefühl von Fassungslosigkeit. Nicht Teleportation, Phasenveränderung, schoss es ihm durch den Kopf. Das Zodiac musste eine enorm hoch entwickelte Technologie besitzen, etwas Derartiges vollführen zu können. Murdoc verstand jetzt, warum noch nie ein Soldat ein Zodiac getötet hatte.
Das Licht der Pulslampe auf seinem Helm fiel in das Gesicht des Wesens. Stechende kleine, silberne Pupillen schienen ihn durch längliche schwarze Schlitzaugen aufzuspießen. Anstatt eines Helms trug das Wesen eine Art Maske, die vor dem Ort, an dem sich der Mund befinden sollte, mehrere horizontale Schlitze aufwies. Der Kopf war so groß wie der eines Menschen, doch anstelle von Haaren befand sich eine chromfarbige Schicht auf dem Schädel, der das grünlich pulsierende Licht und das von Murdocs Lampe widerspiegelte.
Murdoc hatte in der Sekunde keine Angst, in der alles passierte. Er schien mehr fasziniert zu sein von dem Wesen, das Giebels und seine anderen Teamkollegen getötet hatte. Es waren die Augen des Zodiacs, die Murdoc aus seiner Faszination rissen. Als hätten sie während seinem Schlag mit der Talusklinge noch einen Ausdruck von Belustigung widergespiegelt, so schienen sie sich zu verziehen und nun lediglich Zorn auszudrücken.
Murdoc war intelligent genug zu wissen, dass er es mit einem Gegner zu tun hatte, gegen den er keine Chance hatte.
Wie durch eine Eingebung aktivierte er sein Vis und steuerte per Gedanke seine Gravitationsstiefel an, die Gravitation umzukehren und kurz um das Fünffache zu verstärken, während er sich schräg nach hinten fallen ließ. Die Wirkung dieser Einstellung zeigte sich dadurch, dass Murdoc um etwa dreißig Meter schräg nach hinten und somit direkt den Tunnel hinauf katapultiert wurde. Im Moment des Abstoßens sah er fast beiläufig die Klinge des Zodiacs, die wie eine riesige Nadel in einer unglaublich schnellen Geschwindigkeit nach vorne ins Leere fuhr, wo Murdoc gerade noch gestanden hatte.
Dann schien das Zodiac am ganzen Körper zu beben und setzte sich mit einem Ruck in Bewegung.
Die Aktion hatte drei der restlichen sechs Prozent von Murdocs Anzugenergie verbraucht. Doch er war dem Durchgang zur Oberfläche auch ein gutes Stück näher gekommen. Den Rest musste er laufen. Vor dem Landen invertierte er erneut die Gravitation seiner Stiefel und setzte schließlich stolpernd auf, um gleich darauf seinen Weg fortzusetzen so schnell er konnte.
Mochte Gott ihn den Durchgang erreichen lassen, bevor das Zodiac ihn erwischte, dachte Murdoc.
Auf der Olympfregatte Marx saß Dr. Reynold Adelfing mit verzerrtem Gesicht vor fünf großen Plasmamonitoren und wischte sich die Schweißtropfen mit einem Tuch von seiner Glatze. Ihn interessierte lediglich einer dieser Monitore. Der direkt vor ihm zeigte die Analysewerte, die der Zentral-Scanner der Marx vom letzten Überlebenden des Spezialteams A144 unter der ehemaligen Leitung von Sergeant Foster lieferte. Neben den vitalen Anzeigen der Person und dem Status des Cheops Mark IV, der Adelfing noch mehr anspannte, sah man ein 3D-Modell der Umgebung. Der Zentral-Scanner der Marx tastete regelmäßig den anvisierten Asteroiden im Aaron-Schwarm per Ultra-Sonarstoß ab und lieferte so eine Quelle an Informationen, die das 3D-Modell ermöglichten.
Adelfing konnte eine schematische Darstellung des Inneren des Asteroiden sehen. Auch konnte er den Soldaten sehen, wie er vor einem Zodiac floh.
»Beeil dich ... Beeil dich!« keuchte Adelfing und wischte sich mehrere Schweißtropfen von der Stirn.
Die fünf Monitore waren in einem Seiteneinschnitt auf der riesigen Brücke der Olympfregatte Marx in Augenhöhe eines stehenden Menschen angebracht. Darunter befanden sich mehrere Bedienungskonsolen mit Überwachungs- und Kommunikationsfunktionen sowie Kontrollmechanismen, die Zugriff auf fast alle Funktionen der Cheops Mark IV Kampfpanzer ermöglichten.
Rein theoretisch konnte Adelfing die Sauerstoffzufuhr in einem Kampfpanzer abstellen oder über den Skin-Connector direkt im Blickfeld eines Soldaten Bilder nach Belieben projizieren. Über derartige Funktionen verfügte lediglich der Andragon-Kanton-Zusammenschluss.
Soldaten, die in einen Cheops-Panzer schlüpften und ihr Gehirn mit dem Skin-Connector an den Anzug anschlossen, hatten keine Ahnung von den Möglichkeiten des Zusammenschlusses. Doch es war notwendig, dass der Zusammenschluss über derartige Optionen verfügte, um in kritischen Operationen wie diesen aktiv eingreifen zu können.
Adelfing hatte die ganze Mission schon seit ihrem Beginn beobachtet und der Verlauf gefiel ihm überhaupt nicht. Im Grunde war es nie geplant gewesen, die Soldaten über die Anwesenheit der Marx in Kenntnis zu setzen. Doch es waren mehrere unerwartete Zwischenfälle ins Spiel gekommen.
Adelfing hasste unvorhersehbare Variablen. Eine Mission musste perfekt geplant und so ausgeführt werden können. Doch diese Mission war ein typisches Beispiel dafür, dass es oft nicht so lief wie man es wollte.
Es war geplant gewesen, dass die Soldaten den Fötus lokalisieren, die Marx ihn an Bord teleportieren und anschließend den Asteroiden mitsamt allen Zodiac-Sprösslingen – und ungewünschten Zeugen – vernichten würde. Geheimhaltung der Mission war hohe Priorität. Es sollte verhindert werden, dass ungewünscht Informationen an andere Kantone gelangen würden und unnötig für Unruhen sorgen würden.
Die Operation fand in enger Zusammenarbeit mit dem Karndalf-Kanton statt. Dies war nur möglich, weil die Kantonführerin Amelie Sakarelij eine enge Vertraute von Ravenberg war – dem neuen Führer des Andragon-Kanton-Zusammenschlusses. Auf ihre Loyalität konnte laut Ravenberg gezählt werden.
Doch das erste Problem hatte sich offenbart, als sie den Aaron-Schwarm mit der Marx erreicht hatten. Das Asteroidenfeld erwies sich als zu dicht, um mit einer Olympfregatte auf den Zielasteroiden zusteuern zu können. Die Asteroiden des Aaron-Schwarms waren zudem sehr massiv und groß. Es stellte sich eine Fehlberechnung heraus. Die Energieressourcen, die benötigt gewesen wären, um die Asteroiden einfach mit Fregattenlanzen zu zerschießen und so das Ziel zu erreichen, stellten sich als unter dem akzeptablen Bereich heraus.
Deswegen waren sie auf das Soldatenteam angewiesen. Von dieser Entfernung und durch das massive Asteroidengestein konnte kein Objekt teleportiert werden. Der Fötus musste an die Oberfläche transportiert werden.
So konnten sie mit der Marx auch den Asteroiden nicht selbst zerstören und hatten sich per Interstellar-Kom bei den Soldaten als Andragon-Kanton-Zusammenschluss erkennbar machen müssen, um die Anbringung der Sprengsätze zu befehligen. Diese zu zünden war kein Problem für Adelfing, doch er war noch auf den Fötus angewiesen.
Das zweite Problem war das unerwartete Handeln des Soldaten Alfred Giebels gewesen. Ganz zu Adelfings Missgunst hatte sich der Soldat einem direkten Befehl des Zusammenschlusses widersetzt und so die Mission gefährdet.
Adelfing konnte weitgehend in die Funktionen des Cheops-Anzugs eingreifen, doch steuern konnte er die Soldaten nicht.
»Doktor!« Die Stimme der Kantonführerin ließ Adelfing so hochschrecken, dass er einen leisen Schrei von sich gab. Sie war ohne Vorwarnung hinter ihm aufgetaucht, wie sie es immer zu tun pflegte. »Sie kennen die Anordnungen von Herrn Ravenberg. Die Objekte müssen zusammen mit dem Zodiac liquidiert werden. Wenn sie noch länger warten, verlässt es vielleicht den Asteroiden! Zünden sie jetzt die Sprengladungen. Sie wissen, dass alle Zodiac-Sprösslinge in Arym Var zur Sicherheit aller Kantone ausgetilgt werden müssen. Die Chance, einen Sucher auf diese Weise mit Sicherheit töten zu können, erlangen wir vielleicht so schnell nicht wieder.«
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