Wir schalten nun zum Pressesprecher von Unitpharm , dem Unternehmen, das angeblich versucht, neue Menschen zu züchten.“ „Absoluter Unsinn. Warum sollte ein florierendes Unternehmen wie unseres einen solchen Aufwand treiben und solche Ziele an-streben. In Rücksprache mit unseren Genetikern wäre ein solches Experiment ein Wahnsinn. Fürchterliche Erbkrankheiten würde man mit einer solchen genetischen Gleichschaltung herauszüchten. Dies wären dann Krankheiten, welche nicht mit Medikamenten zu heilen wären. Also, kein Markt für uns. Wahrscheinlich hat sich eine, von einem unserer Mitanbieter finanzierte Mediensteuerungsgruppe hier wieder in Szene ge-setzt, um uns zu schaden. Unsere großartigen internationalen Erfolge haben auch unsere Neider herausgefordert. Alles Unsinn, blanker Unsinn. Unsere Forschung beschäftigt sich mit der Heilung von Krankheiten und nicht mit der Schaffung neuer, scheinbar unlösbarer Problemstellungen. Die Veranstaltung, welche im London Museum als unsere ausgegeben wurde, ist ein Fake. Irgendein Verrückter hat unsere Daten gestohlen und eine Veranstaltung in unserem Namen abgehalten. Von dem Allem stimmt nichts.“
„Herzlichen Dank für die ausführliche Stellungnahme des Pressesprechers von Unitpharm . Anscheinend hat sich da jemand einen Scherz erlaubt, und ein gefaktes Meeting einberufen, um einem Pharmaunternehmen zu schaden. Nicht auszudenken, würde es wirklich jemandem gelingen, 25 Millionen gleich aussehende Menschen zu schaffen; mit gleichem genetischen Code. Eine grauenhafte Vorstellung. Damit gleich zu unserem Hauptabendprogramm. Themenbezogen hat unsere Programmdirektion für Sie einen Film aus den frühen Siebzigern des vorigen Jahrhunderts herausgezaubert. „DER GLEICHE MENSCH“ Arbeitstitel: „GUTEN MORGEN HERR MÜLLER-MEIER“. Regie und Buch: Hugo Gleichsam. In den Hauptrollen Udo Morsch und Sybille Mursch. Jetzt noch ein wenig Werbung und dann beginnt schon unser Film.
„Du, heute spielen sie den verrückten Spielfilm aus den Siebzigern. Willst du dir den ansehen?“ „Weiß nicht. Ist der nicht urlangweilig? War das nicht der ödeste Film aus diesem Jahrzehnt? Haben die nicht den Film an die Fernsehanstalten verschenkt, weil er so fad war? Jetzt senden sie den bei uns.“ „Du redest so einen Schmus zusammen. Bitte sei still, der Film beginnt.“
Kurt Müllermeier war anfangs ein Drogenhändler. Seine Mutter hatte ihn im Alter von drei Jahren an die staatliche Fürsorge abgegeben, da sie nicht mehr in der Lage war, für ihn zu sorgen. Ihre Alkoholsucht war nicht zu bändigen.
So verbrachte der kleine Kurt Müllermeier sein Leben in einem staatlichen Kinderheim. Er konsumierte schon im Alter von acht Jahren Cannabisprodukte und landete bereits mit vierzehn Jahren in einem Jugendgefängnis. Man hatte ihn beim Dealen mit Heroin er-wischt. Er war für einen mächtigen Tippgeber Einbrechen gegangen. Und, wie es sich für einen guten Tippgeber gehört, kümmerte er sich auch im Jugendgefängnis um seinen Schützling, um Kurt Müllermeier. Drogen gab es alle Sorten im Jugendgefängnis. Dafür sorgte der Herr Tippgeber. Es gab sie nicht nur für den kleinen Kurt Müllermeier, sondern auch alle seine Freunde und Mithäftlinge dröhnten sich mehrmals in der Woche ordentlich zu. Den diensthabenden Beamten war es mehrere Jahre lang nicht möglich, diese Lücke im System zu schließen. Es war für sie jahrelang unmöglich herauszufinden, wie die Drogen in die Jugendstrafanstalt gelangten. Alle möglichen Schwach-stellen wurden untersucht; alle Fahrzeuge, welche ins Gefängnis fuhren und es wieder verließen. Bis auf eines.
Auch alle Personen, welche das Gefängnis besuchten, wurden genauestens untersucht. Aber es konnte nichts gefunden werden. Keine Drogen. Trotzdem war jeden Montag das Jugendgefängnis sehr gut mit Drogen versorgt. Dieses Problem konnte nie gelöst werden.
Nach Jahren erzählte Kurt Müllermeier, wieder in Freiheit, in seinem Stammbeisl, welches gleichzeitig Drogenumschlagplatz war, wie die Suchtmittel ins Jugendgefängnis gelangten. Ein findiger Tippgeber hatte herausgefunden, mit welchem Fahrzeug der Gefängnisdirektor zu seiner Arbeit fuhr. Wie es damals Sitte war, wurde das Auto des Herrn Gefängnisdirektors in der Gefängniswerkstätte von den jugendlichen Strafgefangenen gereinigt und gewartet. Der Tippgeber von Kurt Müllermeier hatte angewiesen, dass man an der Unterseite des Autos des Gefängnisdirektors ein nicht sichtbares gasdichtes Behältnis mit mehreren hundert Gramm rauchbaren, injizierbaren und schnupfbaren Drogen anbringt. In der Gefängniswerkstätte entfernte man wöchentlich dieses Gebinde. Entleerte es und montierte es wieder an der Unterseite des Fahrzeuges. Bis auf den Direktor und die Justizwachebeamten feierte das ganze Gefängnis. In dieser Haftanstalt verbrachte unser Kurt Müllermeier seine Jugend.
Kurt Müllermeier war ein Künstler. Da er mit dem Handeln mit verbotenen Substanzen sehr viel Geld verdiente, hatte er immer genug Mittel, um sich teure Öl- und Acrylfarben zu kaufen. Mit diesen Farben malte er in seiner Freizeit schöne Bilder.
Während seines Gefängnisaufenthaltes verbrachte er sehr viel Zeit damit, Bücher über Kunst zu lesen. Daher kannte er sich mit der Kunst aus. Er fertigte Metallplastiken und verkaufte diese über eine Galerie in der Stadt an reiche Kunstsammler.
Da Kurt Müllermeier ein sehr findiger Dealer war, war es ihm gelungen, nach seinem achtzehnten Geburtstag nie mehr eingesperrt zu werden. Kurt Müllermeier hatte es geschafft, sich mit der Polizei zu arrangieren. Der oberste Drogenfahnder der Stadt war sein bester Freund geworden. Das Geschäft funktionierte sehr einfach: Immer die besten Infos an die Polizei, dafür wurde Kurt Müllermeier nie verhaftet. Er hatte immer sehr gute Ware bei sich.
Sein bester Freund, der Herr Drogenfahnder, war selbst den guten Dingen nicht abgeneigt. Bei Kurt Müllermeier wurde bei keiner Drogenrazzia etwas gefunden. Entweder schauten die Fahnder weg oder Kurt erhielt rechtzeitig ein nettes sms von seinem Freund als Warnung.
Das Büro, die Schaltzentrale, der Umschlagplatz von Kurt Müllermeier befand sich in einem kleinen Lokal im Zentrum der Stadt. Zwei ältere Herren, so um die sechzig Jahre alt, führten diese Gaststätte. Am frühen Nachmittag trafen die ersten Dealer und auch Dealerinnen in der Gaststube des Lokals ein. Jeder Gast hatte sich über die Jahre seinen Platz ersessen. Der beste Platz war gleich neben der Eingangstüre. Dort war man der erste Ansprechpartner für eventuelle Drogenkunden. Auf den Tischen weiter drinnen in der Gaststube saßen die jüngeren Dealer oder jene, welche noch nicht so lange im Geschäft waren. Der beste Platz aber war der Tisch neben der Eingangstüre.
Von weit her kamen die Drogenkonsumenten angereist. Sie wussten, hier in der Imbissstube gab es das beste Gras zu kaufen. Obwohl die nächste Polizeiwachstube nur wenige hundert Meter von dieser Gaststube entfernt war, wurde das Lokal nie von den Polizisten dieser Wachstube kontrolliert. Es war ein ungeschriebenes Gesetz. Nur wenn sich die Nachbarn des Lokals zu sehr über die Missstände dort aufregten, oder es Wahlkampf war, wurde gegen die Dealer im Lokal vorgegangen. Allerdings schritten nicht uniformierte Polizisten von der nahegelegenen Wachstube ein, sondern eine von Hunden begleitete Sondereinheit der zentralen Bundespolizei riegelte das Lokal ab und durchsuchte alle Gäste. Kurt Müllermeier wurde wie immer rechtzeitig von seinem Freund, dem Chef der Drogenfahndung, gewarnt. Entweder ging er an so einem Tag nicht ins Lokal, oder wenn er schon dort unterwegs war, hatte er dann keine heiße Ware mit.
Bei den Razzien wurde meistens nichts gefunden, da Kurt Müllermeier auch seine Freunde warnte. Oft war an dem Tag der Razzia kein Dealer im Lokal zu finden. Einfache Alkoholiker und andere Drogenkonsumenten wurden dann verhört, aufs Revier mitgenommen, datenmäßig erfasst und wieder nach Hause geschickt. Die unruhige Nachbarschaft und auch die Politiker waren somit beruhigt. Die Polizei war dort und hatte ein paar Typen mit aufs Revier genommen.
Читать дальше