Eigentlich ist diese Geschichte sogar meine beste Erinnerung an Maiki, und ich muss zugeben, dass ich schon ein paarmal versucht war, sowas bei einem seiner Nachfolger auszuprobieren. Leider ist es nie dazu gekommen, aber das hat mit der Zeit meine Lust darauf nur gesteigert, mal einen der Kerls hart ranzunehmen. Ich meine so richtig hart, vielleicht sogar mit Handschellen und ordentlich was mit dem Stöckchen hinten drauf.
Falls Maiki ein Maßstab ist, müsste das zu sehr langen, sehr heißen und sehr standfesten Ergebnissen führen. Wenn ich mir vorstelle, dass ich mich dann ganz nach Lust und Laune draufsetze und der arme Kerl wegen der Handschellen nichts bestimmen kann, keinen Rhythmus, kein Tempo, keine Tiefe des Eindringens, dann werde ich jedes Mal unglaublich feucht.
Naja, irgendwo läuft der arme Kerl, den es damit erwischen wird, jetzt vermutlich schon herum und hat noch keine blasse Ahnung, was ihm blüht!
*
Oberamtsrätin mit vierundzwanzig, das ging normalerweise gar nicht.
Wenn ich dennoch so jung Karriere gemacht hatte, lag das an meinen extraordinären, unerreichten, galaktischen Fähigkeiten. Gut, ein bisschen vielleicht auch an dem Programm „Women on Top“, das die Stadt lobenswerterweise zur rigorosen Durchsetzung der Frauenquote aufgelegt hatte.
Ein Mann hätte schon von jeher um die zehn Jahre länger warten müssen, um so weit nach oben befördert zu werden wie ich, aber dafür konnte ich ja nichts. Wenn gerade jetzt zahllose Frauen in Führungspositionen gebraucht wurden, musste auf dem Dienstweg eben auch mal eine Abkürzung eingerichtet werden. Denn wie hieß es so schön auf einem der Flyer: Am weiblichen Wesen soll die Welt genesen. Haargenau!
Von Petitessen durfte man sich da selbstverständlich nicht stören lassen. Wie etwa davon, dass halbwegs brauchbare Männer jetzt noch sehr viel später befördert wurden als sowieso schon. Oder davon, dass all die dummerweise momentan in Führungspositionen untergebrachten Männer schließlich noch umweltfreundlich entsorgt werden mussten.
Na, egal! Ich war jedenfalls bereit.
Und ich war dem Schicksal sogar ausgesprochen dankbar. Denn als ich damals eher zufällig auf „Women on Top“ gestoßen war, hatte ich mich gerade in einer ebenso unangemessenen wie beunruhigenden Zwickmühle befunden. Verkürzt ließe sie sich als die Wahl zwischen Pest und Cholera, in meinem Fall zwischen arbeiten und pleitegehen zusammenfassen. So war die Stellenausschreibung, mit der alles angefangen hatte, gerade zur rechten Zeit gekommen. Aus Dankbarkeit und zur ewigen Erinnerung hatte ich mir das Ding gerahmt und an die Wand gehängt, weil es schließlich sowas wie mein Freifahrschein für die höheren Besoldungsgruppen gewesen war.
Mit meiner flugs zusammengeschusterten Bewerbung überhaupt in die engere Wahl für eine von nur zwei ausgeschriebenen Stellen gekommen zu sein, hatte ich wohl hauptsächlich dem Umstand zu verdanken, dass das protzig aufgemachte bizonyítvány , das ich Jahre zuvor aus Debrecen mitgebracht hatte, überraschend als Zeugnis eines abgeschlossenen Auslandsstudiums anerkannt worden war. Ehrlich gesagt, hatte ich da zwar bloß ein paar Wochen Sommeruni der Budapester Sprachschule absolviert und selbst die hatten vor allem aus Sonnenbaden und Abhängen mit ein paar besonders ansehnlichen Kommilitonen aus aller Herren Länder bestanden.
Aber irgendwer im Personal- und Organisationsamt hatte wohl seine Ungarisch-Kenntnisse massiv überschätzt oder Bewerbungen von Frauen wurden sogar noch mit wesentlich mehr Begeisterung aufgenommen, als schon der Stellenausschreibung zu entnehmen gewesen war:
„ Die Stadt Frankfurt am Main strebt an, den Anteil von Frauen in diesem Bereich zu erhöhen. Bewerbungen von Frauen werden daher besonders begrüßt.
Schwerbehinderte Menschen werden bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt.
Bei Nichterfüllen der beamtenrechtlichen Voraussetzungen ist die Beschäftigung im Arbeitsverhältnis nach EGr. 12 TVöD möglich.“
Ich versuchte mir vorzustellen, wie das in der Praxis aussehen sollte: Da stand dann also so eine Art Pförtner mit ulkigem Käppi am Posteingang der Behörde und sagte mit einer steifen Verbeugung irgendwas wie:
„Guten Tag, verehrte Bewerbung. Du stammst von einer Frau, daher möchte ich dich an dieser Stelle im Namen der Stadt Frankfurt am Main ganz besonders begrüßen.“
Nein, so einen Unsinn konnte ich mir nicht mal bei einer vom Steuerzahler durchgefütterten Behörde vorstellen. Was keineswegs heißen musste, dass es nicht so sein konnte. Aber in diesem Fall handelte es sich wohl eher um eine geheime Botschaft, die man vorsichtshalber verschlüsselt hatte. Obwohl es doch in Artikel 3 des Grundgesetzes klipp und klar heißt:
1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
2 Männer und Frauen sind gleichberechtigt.
3 Bei gleicher oder irgendwie ungefähr ähnlicher Eignung sind Frauen bevorzugt zu behandeln.
Vielleicht hatten meine namenlosen Gönner einfach befürchtet, dass die Durchsetzung des dritten Absatzes von irgendeinem kleinlichen Richter gekippt worden wäre, wenn sie die Botschaft nicht verklausuliert hätten. Also sagten sie es mir lieber durch die Blume. Tatsächlich meinten sie:
„Nee, nee, Mädchen. Mach dir mal keine Gedanken! Ist alles kuschelig für dich vorbereitet, wirst schon sehen!“
Na schön, von mir aus! Mit Schwerbehinderten auf eine Stufe gestellt zu werden, fand ich zwar irgendwie nicht so prickelnd. Doch wenigstens musste ich mir wegen der gleichen Eignung gar keine Gedanken machen.
Schon nach fünf Minuten Vorstellungsgespräch war alles klar. Der ganze Tisch der Entscheider – allen voran die Amtsvorsteherin Melina Weber-Schnuckenreuth – war einhellig der Meinung, ich sei nach Abschluss einer längeren Anlernzeit mit Sicherheit gleich geeignet, die mir zugedachte Aufgabe zu übernehmen. Damit war die gleiche Eignung schon mal festgestellt.
Alle übriggebliebenen Bewerber außer mir waren männlich und Jahre älter als ich. Hatten daher auch viel mehr Berufserfahrung. Da aber einer von ihnen im Rollstuhl angereist und somit automatisch einzustellen war, kam für die einzig verbliebene Stelle praktisch nur noch ich in Frage.
Tja, Pech gehabt!
Selber schuld, wenn sie unbedingt Männer sein mussten und gesunde noch dazu. Wären sie wirklich so clever gewesen, wie sie glaubten, hätten sie doch wissen können, dass ein Mann zu sein ein grober Fehler war.
Da ich so toll für meine neue Aufgabe geeignet war, gestaltete sich mein Übergang in die Erwerbswelt fließend. Das Wichtigste dessen, was ich für die eigentliche Arbeit brauchte, wurde mir im Zuge eines speziell eingerichteten fünfzehnmonatigen Traineeprogramms vermittelt, das sehr abwechslungsreich verlief, gut bezahlt wurde und nicht unbedingt anstrengend war. Und für alles, was nicht gleich klappen wollte, hatte ich danach ja meine Leute, die sich mit all dem lästigen Kleinkram schon länger herumschlugen.
*
Ausgerechnet seit der aufregenden Freiheitsberaubung im Zoo hatte es allerdings nicht die kleinste Chance auf einen Auftritt in Uniform gegeben. Dabei hätte ich ihn gerade in meinem Zustand so gut gebrauchen können. Ich fühlte mich furchtbar unausgeglichen, fast gereizt, und es war überhaupt nicht schwer zu erraten, weshalb.
Das kleine Abenteuer, in das ich tags zuvor hineingeraten war, war am Ende regelrecht versandet. Wir hatten uns weder für ein nächstes Mal verabredet, noch hatten wir auch nur Handynummern ausgetauscht. Vielleicht hatte er gehofft, dass ich etwas vorschlug, während ich umgekehrt erwartet hatte, dass er darauf drängte. Jedenfalls hatten wir uns sang- und klanglos voneinander verabschiedet, und so wusste ich nicht viel mehr als seinen Namen und dass er mittwochs wie ich oft im Zoo anzutreffen war.
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