Leider hielt der Regen noch weitere drei Tage an. Der arme Hund musste glauben, das ganze Leben wäre Oktober - immer nass, kalt und windig! Nala war nicht bereit, auch nur einen Tropfen zu irgendeiner Zeit auf die Wiese rieseln zu lassen, von Häufchen gar nicht zu reden. Aber, welch ein Wunder,- kaum in der Stube angekommen, klappte es sofort. In der ersten Nacht vermisste die Kleine ihre Mama und Geschwister sehr. Wir legten ihr eine Wärmflasche ins Körbchen und kraulten sie immer wieder in den Schlaf. Auch wenn es schwer fiel, blieben wir standhaft. Es war nämlich beschlossen worden, dass Hunde einfach nicht ins Bett gehören. Die nächsten Nächte wurden ruhiger. Und auch das Wetter hatte sich beruhigt. Nala gewöhnte sich allmählich an ihr neues 'Rudel'. Wir beobachteten, wie sie in der Wohnung immer größere Bereiche untersuchte, bis sie auch die allerhintersten Ecken durchgeschnüffelt hatte. Bald stellte sich heraus, welches die Lieblingsruheplätze werden sollten. Sie suchte sich eine Ecke an der Heizung aus, schlief gerne unter dem Telefontischchen, da man von dort aus die Tür im Blick hat, und auch direkt neben der Eingangstür musste ein bequemes Kissen hin. Dann startete unser neues Familienmitglied allmählich voll durch. Die Welt mit allen Freuden und Tücken musste kennengelernt werden. Viel Arbeit - warum dann nicht gleich mit dem Blumentopf beginnen; dem größten natürlich. Die Palme würde schon nichts dagegen haben, wenn man einmal die Erde so richtig durchwühlt. Wir aber leider schon! Unverzüglich bereiteten wir dem lustigen Treiben ein Ende. Lektion Nummer eins: Pfoten weg von den innerhäuslichen Erdgerüchen. Schade, aber es gibt sicher noch mehr zu entdecken. Zum Beispiel das so anregend duftende Meerschweichen hinter Gittern. Vielleicht lässt sich damit spielen. Nala schob sich langsam näher an unser Julchen heran. Zumindest kam nicht sofort wieder ein barsches “Nein“. Warum auch? Unser Hundebaby sollte mit dem kleinen freundlichen Nager Bekanntschaft schließen. Ich holte das Meerschweinchen aus dem Käfig und hielt es Nala vor die Nase. Etwas unentschlossen schnüffelte sie daran, dann wollte sie am liebsten ein wildes Spiel beginnen. Ich hatte das ungute Gefühl, da könnte ein Jagdinstinkt dem Spiel ein frühes Ende bereiten, und dem Kleinnager ebenfalls. Da bei uns jedem Lebewesen der nötige Respekt entgegengebracht wird, ließen wir es lieber nicht darauf ankommen. Es handelte sich hier nämlich um ein besonderes Meerschwein; das einzige Exemplar seiner Art, das fähig war an seinem Gitter hochzuklettern. Und nun gab es Freilauf nur noch unter strenger Sicherheitsaufsicht. Der Hund fand
jedenfalls großen Spaß an der Wasserflasche des Nagers. Ich füge das Beweisfoto gerne an.
Auch unser zweites Kleintier mit dem klangvollen Namen 'Suleyka' fand
großen Anklang bei Nala. Die maurische Landschildkröte ließ sich allerdings von so einem ungestümen Fellbaby nicht aus der Ruhe bringen. Passte auch gar nicht ins Hundemaul und war zum Spielen echt nicht geeignet. Für den Anfang gab es also genug Spannung in der allernächsten Umgebung. Inzwischen hatte sich das Wetter einsichtig gezeigt. Nun konnte der Außenbereich gründlich inspiziert werden. Für einen so kleinen Hund ist unser Garten, ein Stück Pachtland von 1700 qm direkt hinter dem Haus, ein riesiges Paradies. Ein Teil ist gemäht, der Rest darf wild wachsen. Sie glauben gar nicht, wieviele Nachbarskinder jahrelang den Weg zu uns fanden. Unser Sohn hatte nie unter Einsamkeit zu leiden. Abenteuer im mannshohen Gras, Brennesselverletzte, Nächte im Zelt, Geburtstagsparties, - alles ging, fast nichts war verboten. Und ab sofort beteiligte sich Nala an dem aufregenden Treiben.
Kapitel 5
DIE ABENTEUER KÖNNEN BEGINNEN
Unser 'Rapunzelchen', wie wir sie wegen ihres seidigen langen Babyfells gerne nannten, entdeckte sofort eins ihrer noch verborgenen Talente. Was uns unbedingt fehlte, so hatte sie gerade beschlossen, wäre ein richtig schönes Loch mitten in der Wiese. Das hatte bis jetzt nur noch niemand gewusst. Also fix an die Arbeit! Wir bemerkten ihre Bemühungen erst, als die Ausgrabung schon ein bemerkenswertes Ausmaß angenommen hatte. Wir sahen nur noch einen wackelnden Fellpopo, der Rest befand sich bereits unterirdisch. Alle Achtung! Was dann auftauchte, verdiente erst recht allen Respekt. Schwarzes, wohin man blickte. Keine Spur mehr von seidigem Fell. Eher Straßenköter erster Güte! Klar sollte der Hund graben dürfen, aber bitte nicht mitten in der Wiese. Unser Schlammdackel war aber doch soo stolz auf ihr Erstlings-Werk. Kann man schimpfen, wenn sich ein 10 Wochen altes Baby gerade ganz alleine für sein Rudel abgeschuftet hat? Wir konnten nicht. Ich lobte Rapunzelchen für ihre Artigkeit und wies ihr eine eher versteckte Ecke im wilden Teil des Gartens zum Graben an. Danach hatte sie ein Bad nötig. Wie sich noch herausstellen sollte, konnte es einer derart leidenschaftlichen Erdratte nicht gleichgültig sein, wo gebuddelt werden musste. Wie oft wir auch genau diese erste Buddelstelle zuschaufeln mochten, der Hund verschaffte sich immer wieder ausgerechnet dort Genugtuung. Es half nichts. Wir legten eine Weile ein Trittgitter auf den Fleck. Mit der Zeit gewöhnte sie sich daran, anderswo zu 'arbeiten'. Man muss halt flexibel sein. Liebe Hundebesitzer/innen, ich muss es hier nicht extra betonen. Jede/r von Ihnen kennt seinen Liebling. Hunde sind Individuen wie Menschen auch. Keiner ist wie der andere. Jeder braucht eine Aufgabe im Leben. Und wenn wir sie lassen, dann findet auch jeder unserer treuen Begleiter seine Bestimmung. Da gibt es die Jäger, Buddelfanatiker, Beschützer, Sammler, Marathonläufer, Sucher und sicher viele Arbeitsgebiete mehr. Wir können unseren Gefährten keinen größeren Gefallen tun, als sie in irgendeiner dieser Beschäftigungen sich austoben zu lassen. Es gibt für einen Hund nicht viel Schlimmeres als Langeweile und Eintönigkeit, weil sein Besitzer sich um Sauberkeit oder Gesundheit sorgt. Wir können die Erfahrungen in der Hundewelt nicht mit unseren Ansprüchen an Hygiene, Wohlgerüchen und Ähnlichem messen. Unser tierischer Freund braucht auch mal ein Stück stinkenden Pansen oder Schnüffelspaß in Schmuddel- Ecken. Das bringt ihn nicht um, im Gegenteil, es macht ihn glücklich. Wenn wir es dann noch fertig bringen, uns mit ihm darüber zu freuen, ist die Seeligkeit perfekt. Unsere Kleine vereinte hauptsächlich die Eigenschaften einer Grabe- und Jagdfachkraft in sich. Ersteres habe ich bereits erläutert. Ihr Jagdinstinkt ließ sich durch ihre Abstammung leicht erklären. Westhighland White Terrier sowie auch Pudel – ja im Ernst, ich habe es nachgelesen – wurden in früheren Zeiten für die Jagd gezüchtet. Was sie heute sind, hat unsere Zivilisation aus ihnen gemacht. Ganz sicher war es nie ihre Bestimmung, gebadet, geföhnt und nach Blümchen duftend bei Ausstellungen vor einem Punktrichter zu bestehen. Solche Auswüchse kann ich nicht nachvollziehen. Wie auch immer, wir besaßen beide Hunderassen in einem Tier. Da wunderte uns der ausgeprägte Jagdtrieb nicht. Gelegentlich gaben wir unseren Westie-Pudel bei aufdringlich fragenden Passanten als 'spanischen Jagdhund' aus. Reinrassig? Na, klar, sogar mehrere reine Rassen in einem Tier!Wer dumm fragt...Seltsamerweise bekamen wir immer wieder mitten auf der Straße ernstgemeinte Angebote von wildfremden Leuten. Sie wollten uns Nala abkaufen. Was kommt solchen Menschen in den Sinn? Würde irgendjemand sein Kind verkaufen? Schließlich wird es wohl mehr als einen süßen Welpen geben. Obwohl – unser Mädchen hatte, wenn sie flach auf dem Boden lag, gewisse Ähnlichkeit mit dem Glücksdrachen aus der unendlichen Geschichte. Das wurde mehrfach ebenfalls von Fremden behauptet. Ich hoffe, es langweilt sie nicht, falls ich mal etwas zu viel schwärme. Aber sicher geht es Ihnen genauso. Der eigene Hund ist nunmal der beste, er ist es wert, gelobt zu werden.
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