Dabei hielt er sich an einem Stamm fest, weil er sonst von den Erschütterungen umgeworfen worden wäre.
Bäume barsten krachend und stürzten donnernd zu Boden.
Ohne auf eine Antwort zu warten, ergriff er die Beine der Bewusstlosen und half uns dabei, sie durch das Unterholz zu bugsieren. – Natürlich nicht ohne dabei ausgiebig ihre Kurven zu begutachten.
„Ich freue mich auch, Dich zu sehen, kleiner Mann.“
Droin war ein Naurim. Nur etwas über eineinhalb Schritt groß, war er gut einen Schritt breit und wog vermutlich genauso viel wie ich.
Er war im Gegensatz zu mir und Anaya vollständig in seine Rüstung gehüllt – Wie immer. Nur den Helm hatte er nicht aufgesetzt. Daher konnte ich einen Blick auf sein schwarzes Haar werfen, dass wirr in alle Richtungen abstand, während er seinen Bart ordentlich zu einer Gabel geflochten hatte. Sein ganzes Gesicht war mit blauen Runen tätowiert, die sich nur wenig von seiner grauen Haut abhoben. Wie ich sehen konnte waren wohl ein paar hinzugekommen.
Für eine genauere Betrachtung war das Licht zu schlecht. Außerdem konnte man nun bereits umstürzende Bäume sehen, weil sie eine Schneise hinterließen, die genau auf uns zeigte.
„Kmarr? Jiang?“, fragte ich die beiden, während wir fast den Waldrand erreicht hatten.
„Warten draußen mit den Mahren.“
Droin warf einen Blick über die Schulter als er antwortete.
„Los, weg hier!“, brüllte er mit einem ungewöhnlichen Anflug von Panik in der Stimme.
Ein Holzsplitter von der Größe meines Oberschenkels sauste an mir vorbei und bohrte sich in den Baum neben mir. Weitere Äste und Splitter regneten auf uns nieder. Dabei waren auch brennende Trümmer. Ein paar davon verfehlten uns nur knapp.
Wir stolperten aus dem Wald heraus und hinter uns erklang ein wütendes, heiseres Kreischen. Droin grunzte und stolperte einen Schritt, bevor er sich fing und die Magana und uns weiter aus dem Wald heraus schob.
Weitere Bäume krachten und splitterten, der Lärm war ohrenbetäubend. Aufgewühlte Erde und darin enthaltene Steinbrocken flogen in alle Richtungen aus dem Wald heraus und hinter uns her.
Zwei Bäume wurden von einer Urgewalt plötzlich zur Seite gerissen, und knickten wie dünne Ästchen um. Krachend schlugen ihre Kronen auf dem Boden auf.
Wir wollten weiter rennen, aber wie vom Donner gerührt, blieben wir stehen, als zwischen den Bäumen ein Wesen hervortrat, das ich so deutlich noch nie gesehen hatte. Der Baumschleicher war groß, viel größer als ich je in Berichten gehört hatte.
Die Gestalt entstammte auf jeden Fall einem Alptraum. Fast so hoch wie ein Baum, lange Arme und Beine, die jeweils in vierfingrigen Klauen endeten, die allesamt länger als mein Unterarm waren. Der Körper war dünn und kurz, der Hals wand sich wie eine Schlange und der Kopf, der darauf saß, hatte Ähnlichkeit mit dem eines Drachen, jedenfalls soweit ich das nach den Gemälden, die ich gesehen hatte, sagen konnte.
Es gab weder Ohren noch Hörner daran. Die Augen lagen tief in ihren Höhlen und waren riesig groß – und es waren vier. Um den Kopf auszubalancieren hatte der Baumschleicher einen langen muskulösen Schwanz, an dessen Ende eine scharfkantige Spitze von der Größe einer Schwertklinge saß. Wild peitschte er gerade hin und her als der Schleicher zwischen den Bäumen hervor trat. Wenn er dabei einen Baum traf, riss er wie die Axt eines Riesen ein Stück Holz aus dem Stamm. Jeder Holzfäller wäre neidisch darauf gewesen.
Der Kopf des Schleichers bewegte sich aufgeregt vor und zurück und dabei schossen seine zwei Zungen aus dem weit aufgerissenen Maul hervor und wanden sich suchend hin und her.
Die Mahre der Anderen waren sicherheitshalber eine Bogenschussweite entfernt stehen geblieben und beobachteten das Ungetüm misstrauisch.
Ein Nachtmahr war ein fleischfressendes Raubtier, das von weitem beinahe wie ein Pferd wirkte, außer dass es schneller, ausdauernder und schlechter gelaunt war. Es hatte ein gräuliches Fell, rasiermesserscharfe Zähne und dreizehige Klauen statt Hufe. Außerdem versorgten sie sich selbst, so dass man kein Futter für sie mitnehmen musste. Sie schreckten auch nicht davor zurück, ihre Reiter zu fressen, falls diese nicht aufpassten.
„Oh verdammt!“, brüllte Kmarr: „Runter!“
Sein Warnschrei riss mich unsanft aus meinen Überlegungen. Heute war ich einfach nicht bei der Sache.
Wir ließen uns alle auf den Boden fallen, wobei das Stöhnen der bewusstlosen Magana fast in dem fauchenden Zischen unterging, dass über uns hinweg brauste. Ein beißender, saurer Gestank wusch vorbei, der ein prickelndes Gefühl auf der Haut hinterließ. Ich roch Galle und fauliges Leder und musste an meine eigene Kotze denken.
„Weiter!“
Eine riesige Klauenhand packte mich und riss mich wieder auf die Füße.
Vor mir stand Kmarr, ein fast zwei Mannslängen großer Leonide, gekleidet in einen ledernen Rock, der mit Federn und Perlen bestickt war. In der anderen Pranke hielt er ein gewaltiges Schwert mit gezahnter, fast einen halben Fuß breiter Klinge, das um einiges größer war, als ich.
Ich packte die Magana und trug sie zusammen mit Droin und Anaya so schnell wir konnten weiter.
Die Erde unter uns bebte und ein weiterer heiserer Schrei ließ mir fast die Trommelfelle platzen. Beinahe hätte ich die Bewusstlose fallengelassen.
Der Baumschleicher war tatsächlich aus dem Schatten des Waldes hervorgekommen und blickte sich witternd um. Als sein Blick auf uns – oder vielmehr die Magana fiel, stieß er wieder diesen heiseren Schrei aus und sprang plötzlich in einem riesigen Satz auf uns zu.
Die Klauen, schnappten weit auf und der Schwanz bog sich wie bei einem Skorpion zurück. Ohne nachzudenken öffnete ich mich der Kraftquelle in meinem Inneren und ließ mich von der Energie durchströmen. Ich stellte mir den Ort, an dem ich Shadarr zurückgelassen hatte vor und mir eröffnete sich in Gedanken ein Tor dorthin. Ich zwang mich, den Schritt hindurch zu machen. Eisige Kälte, Orientierungslosigkeit und ein Gefühl zu ersticken hämmerten von allen Seiten auf mich ein, dann war es auch schon vorbei und ich fand mich mit der Magana zusammen zwischen dem halb gefressenen Pferd und dem Rest der toten Reiter wieder.
Der Baumschleicher landete krachend an der Stelle, an der ich einen Herzschlag zuvor noch gestanden hatte. Droin rannte vor, rollte sich unter dem Bauch und zwischen den Beinen hindurch ab und kam hinter dem Schleicher wieder auf die Füße.
Anaya war wie ein Hirsch mit ein paar schnellen Sprüngen zur Seite entkommen. Ihre Beine hatten eine beinahe groteske Länge angenommen, wodurch sie allerdings ungeheuer schnell geworden war. Sie hielt sogar bereits wieder ihre Knochenmesser in den Händen.
Ich bewunderte ihren Mut, aber hatte ernsthafte Zweifel ob diese durch die rindenähnliche Haut des Ungetüms dringen würden.
Kmarr rannte bereits dem Schleicher hinterher, als dieser noch die zehn Mannslängen durch die Luft gesegelt war.
Irgendwie hatte Droin seinen Helm aufgesetzt und hielt Schild und Kriegshacke in den Händen. Er duckte sich unter dem vorbeizischenden Schwanz hinweg und schlug auf das rechte Bein ein. Der Schlag klang wie der einer Axt auf Holz. Mit dem Treffer zog er die sofortige Aufmerksamkeit des Schleichers auf sich.
Dieser wirbelte blitzartig herum und der Kopf schoss vor. Im letzten Moment kauerte sich Droin hinter seinen Schild und der gewaltige Kiefer schnappte an der Stelle zu, an der sich einen Augenblick zuvor noch seinKopf befunden hatte.
Ich bezweifelte ernsthaft, dass selbst ein so hervorragender Naurimhelm dieser Kraft standhalten würde.
Anaya bestrich etwas abseits ihre Klingen gerade mit einer sirupartigen Substanz aus einem kleinen Holztiegelchen, vermutlich Gift. Missbilligend runzelte ich die Stirn, aber ich wusste dass hier alle Hilfe nötig sein würde, die wir bekommen konnten.
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