Bis heute war mir nicht klar wie ich den Kampf gewonnen hatte, aber ich war nicht auf eine Wiederholung scharf. Die Narben, die ich davongetragen hatte dienten als recht gute Gedächtnisstütze und Erinnerung daran, wie knapp der Kampf ausgegangen war. So richtig hatte ich noch immer nicht verstanden, warum ich überlebt hatte.
Inzwischen konnte ich die Reiter als Gruppe bereits ausmachen. Wir waren ihnen schon erheblich näher gekommen. Entweder waren sie sehr schnell unterwegs, oder Shadarr hatte an Tempo zugelegt. Sonderlich genau hatte ich nicht darauf geachtet. Der Kater beeinträchtigte wohl mehr als nur meine Gedankengänge.
„Wo ist denn der Läufer?“
‚ Rennt vor den Reitern weg’ , kam die Antwort in meinen Gedanken.
Wie um die Aussage zu bestätigen, schoss eine grelle Stichflamme kurz vor den Reitern aus dem Boden, anhand derer man die rennende Gestalt gut erkennen konnte.
Ich konnte die Magie bis zu unserem Standort hin spüren, die in dem Feuer steckte.
Das gefiel mir überhaupt nicht. Magie bedeutete immer Probleme. Allerdings mochte ich unfaire Kämpfe auch nicht besonders. Es sei denn, ich war auf der Gewinnerseite.
Ein Haufen gepanzerter Reiter, die über einen einzelnen Mann zu Fuß herfielen, gehörte eindeutig zu meinem Verständnis eines unfairen Kampfes.
‚ Der Läufer ist ein Feuerfuß.’
Die Enttäuschung von Shadarr war deutlich zu spüren. Er hatte eine starke Abneigung gegen Maganer. Ungefähr so wie ich gegen gekochte Leber, was wohl jeder verstehen konnte. Vermutlich schmeckten Maganer ähnlich.
Maganer waren nur zur Hälfte Menschen. Ihre andere Hälfte verdankten sie einer Verbindung, die irgendwann einer ihrer Vorfahren mit Feuerelementaren eingegangen sein musste. Die meisten sahen aus wie sehr schlanke Menschen mit schwarzer oder rötlicher Haut und fast immer roten, weißen oder schwarzen Haaren.
Sie waren beinahe immun gegen Hitze, dafür anfällig gegen Kälte und gingen nur selten Schwimmen.
Feuer und Wasser vertrugen sich einfach nicht. Hier auf einen zu treffen, war eine ziemliche Überraschung, denn Medare, die nächstgelegene Stadt der Maganer – und praktischerweise auch die einzige - lag hunderte von Meilen entfernt im Westen, auf der Insel Kahnan, von der auch die Leoniden stammten.
Ich schüttelte meine Überraschung über Shadarrs Erkenntnis ab und wandte mich in Gedanken an ihn: ‚ Es sind genügend Pferde da’, erwiderte ich trotz meiner Kopfschmerzen.
Die Zahl der Reiter lag bei sechs oder sieben. Genau war das noch nicht zu erkennen. Aber sie waren in vollem Galopp unterwegs und verkürzten die Distanz zu dem Maganer stetig.
Um einen besseren Überblick zu bekommen, richtete ich mich hoch in den Steigbügeln auf, die sonst so kurz waren, dass ich meine Beine stark anwinkeln musste, um überhaupt auf dem Rücken von Shadarr sitzen zu können. Mein Kopf und mein Magen waren allerdings überhaupt nicht damit einverstanden, so dass ich mich fast sofort wieder fallen ließ.
Der Flüchtende rannte so schnell er konnte direkt auf den Wald zu, drehte sich immer wieder kurz um und warf kleine Feuerkugeln in Richtung der Reiter. Sie duckten sich tief über die Köpfe ihrer Pferde und schossen abwechselnd mit ihren leichten Armbrüsten auf den Fliehenden, so schnell sie nachladen konnten.
Jeder der Reiter trug eine schwarze Rüstung und hatte eine Lanze neben dem Steigbügel in einer Halterung stecken, die bei jedem Schritt der Pferde wild hin und her baumelte. Auf dem Rücken trugen sie große runde Schilde und vermutlich am Gürtel irgendwo ein Schwert oder eine Axt.
‚ Beute!’, vermittelte mir Shadarr.
Ich war nicht sonderlich begeistert. Sich in die Angelegenheiten Anderer einzumischen war selten eine gute Idee.
Während ich noch überlegte, wie ich Shadarr davon abhalten konnte, die Pferde von einem halben Dutzend Ritter zu fressen, begann er bereits einen langsamen Trab auf sie zu, der uns sofort aus dem Schatten der Bäume in ihren Sichtbereich trug. Die Klauen an seinen sechs Beinen gruben sich tief in den weichen Boden und katapultierten uns mit mächtigen Schritten auf die Reiter zu.
Reflexartig griff ich nach dem Reitgeschirr, um nicht abgeworfen zu werden. Ein stechender Schmerz raste durch meine Wirbelsäule bis hinauf in meinen Kopf.
Laut verfluchte ich den Alkohol vom Abend zuvor und meine Dummheit. Ich trug weder Rüstung noch Helm! Beides wartete gut verstaut hinter mir in dem großen Bündel am Sattel. Die Vorstellung mit Kopfschmerzen eine Haube aus Kettengeflecht über zu ziehen und darauf den schweren Helm, war mir am Morgen als schlechte Idee erschienen. Also hatte ich beschlossen die Sachen zu verpacken und stattdessen bequeme Reisekleidung zu tragen, ich Trottel. Außerdem verpasste ich bei meinen Überlegungen die Gelegenheit, Shadarr doch noch aufzuhalten.
Für mehr als mich festzuhalten war keine Zeit mehr, denn Shadarr beschleunigte und jagte mit halsbrecherischer Geschwindigkeit in einem raumgreifenden Galopp auf die Reiter zu.
Einer von ihnen rief überrascht etwas zu seinen Kameraden und deutete auf mich. Etwas an der Geste wirkte seltsam abgehackt, aber so richtig wollte mir nicht klar werden, was mich daran störte.
Die Männer verlagsamten kurz ihr Tempo, dann gab eine harsche Stimme Befehle und drei der Reiter ließen von der Verfolgung des Fliehenden ab. Drei Armbrüste hoben sich in fast perfektem Gleichklang und mit einem nahezu simultanen Knall rasten die Bolzen auf uns zu. Ich presste mich so flach es ging auf den Rücken von Shadarr konnte aber nicht verhindern, dass ein Bolzen mein linkes Bein streifte, und einen blutigen Striemen zurückließ.
Shadarr hatte weniger Glück gehabt. Über die telepathische Verbindung spürte ich seinen Schmerz deutlicher, als meinen eigenen. Ein Bolzen steckte in seiner breiten, muskulösen Brust.
Er brüllte seine Wut über die Wunde laut hinaus und wurde noch schneller. Ich wollte grinsen, denn es gehörte mehr dazu, ein Kargat zu stoppen, als ein armseliger Armbrustbolzen, aber mein Magen hatte beschlossen, sich einzumischen, und so gelang mir das Kunststück, mich im vollen Galopp doch noch selbst voll zu kotzen. Davon unbeeindruckt, war einem der Pferde wohl aufgefallen, dass es sich soeben in Beute verwandelt hatte. Es scheute und brach zur Seite aus, wodurch der Reiter das Gleichgewicht verlor und aus dem Sattel stürzte.
Laut wiehernd drehte das Pferd um und raste in die entgegengesetzte Richtung davon.
Eine kluge Entscheidung, wie ich fand. Der Reiter hatte allerdings nicht viel von der Intelligenz seines Tieres. Er fiel unglücklich, überschlug sich zweimal und blieb dann regungslos liegen.
Die beiden Anderen ließen ihre Armbrüste fallen und griffen nach Lanze und Schild. Schnell und routiniert legten sie beides an und preschten mit gesenkten Lanzen auf mich zu. Ich löste ebenfalls meinen Schild und zog mein schlankes Schwert mit der wunderbar leichten, leicht grünlich schimmernden Klinge. Gleichzeitig versuchte ich mich genug zu sammeln, um ein wenig meiner ganz eigenen Magie wirken zu können. Kein einfaches Unterfangen mit dem dröhnenden Kopf und den bunten Punkten die meine Sicht hartnäckig zu beeinträchtigen wussten.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie die anderen vier Reiter – es waren also insgesamt sieben – unbeirrt weiter hinter dem Flüchtenden her ritten.
Einen Augenblick wunderte ich mich, denn Shadarr allein war sicherlich gefährlicher als ein einzelner Maganer, egal wie gut der auch das Feuer beherrschen mochte.
Dann war die Zeit zu überlegen vorbei, zumindest wenn man wie ich überleben wollte.
Ich hob meinen Schild ein wenig höher und duckte mich tiefer dahinter, um ein möglichst kleines Ziel zu bieten. Leider war das bei meiner Körpergröße eher eine Geste als tatsächlich hilfreich.
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