Das holde Mädchen schlug die schimmernden blauen Augen groß und klar zu ihm auf, als hätte sie die Anspielung gar nicht verstanden. Treuherzig frug sie: „Wünscht Ihr es, Herr Graf, daß ich bleibe?“
Er hielt ihr die Hand entgegen und sagte mit innigem Ton: „Ja! bleibet, Gräfin Oda! ich wünsche es, ich wünsche es sehr!“
„Dann bleibe ich!“ kam es rasch wie ein unterdrückter Freudenruf von ihren Lippen, und seine Hand mit einem leisen Druck berührend, eilte sie verwirrt und hocherrötend hinaus.
Graf Albrecht stand und starrte gedankenvoll auf die Tür, durch welche die Liebliche so plötzlich entschwunden war.
Ein tiefer Atemzug hob seine Brust. – „Dummes Zeug!“ murmelte er kopfschüttelnd und wandte sich mit einer raschen Bewegung ab.
Jetzt trat Schatte, sein Leib- und Schildknecht ein, und meldete: „Stiftsschreiber aus Quedlinburg!“
Albrecht stutzte, winkte aber dem Knechte, den Schreiber heraufzuführen. „Sie mahnt“, sprach er lächelnd zu sich selber, „aber ich konnte doch hier nicht fort. – Willkommen, Florencius! wagt Ihr Euch wieder einmal in die Höhle des Raubgrafen?“ begrüßte er den Eintretenden.
„O Herr Graf“, erwiderte der Schreiber mit einer tiefen Verbeugung, „nicht in Abrahams Schoß fühlte ich mich sicherer als im Horst unsers edlen Schirmvogtes.“
„Du fröhlicher Scholar!“ lachte der Graf, „hast immer ein gutes Wort an rechter Statt. Was bringt Ihr, wackerer Florencius? ein zorniges Schreiben?“
„Nein, nur tausend Grüße unserer gnädigen Frau –“
„Und ich soll kommen, nicht wahr?“
„Ja, Herr Graf! darauf läuft es hinaus; ich habe es mir alles eben noch einmal genau überhört“, sagte Florencius.
„Sparet Euch und mir die Litanei, ich nehme sie für genossen“, erwiderte Albrecht, „und ich hätte mir den Sermon von den roten Lippen der gnädigen Frau schon selber geholt, wenn ich gekonnt hätte. Was will sie denn?“
„Euch und die Gräfin Oda von Falkenstein.“
„Natürlich! nun, mich soll sie haben, aber die Gräfin nicht.“
„Nicht? ja dann, – dann soll ich fragen: warum nicht?“
„Die Antwort darauf will ich der Äbtissin selber bringen.“
„Hm! desto besser! wird ihr noch lieber sein. Aber –“
„Aber? was aber?“
„Ich muß sie sehen, Herr Graf, die Gefangene.“
„Oho! Florencius! kühner Knabe! sie sehen? Steht das in Eurem Auftrag, oder ist es nur eitel Neugier und fürwitzige Gepflogenheit des weiland Fahrenden?“ frug Graf Albrecht.
Florencius lachte. „Das darf ich Euch eigentlich nicht sagen, Herr Graf. Ich soll sie mir ansehen, ob sie jung, schön und lieblich ist, aber heimlich soll ich das erspähen und erlauschen.“
„O du fuchsfeiner Geselle!“ lachte nun Albrecht. „Deine Herrin hat sich einen schlauen Kundschafter gewählt. Sagt ihr nur, die Gefangene wäre jung, schön und sehr lieblich, der Regenstein hätte noch keine solche Lilie getragen.“
„Ein hohes Lob aus Eurem Munde, Herr Graf!“
„Noch lange nicht hoch genug, Florencius! Ihr seid bei Tisch unser Gast, da sollt Ihr sie sehen. Nachmittag könnt Ihr zurückreiten und der gnädigen Frau sagen, was Ihr erspäht und erlauscht habt. Bald komm' ich selber.“
„Aber ich soll die Gräfin einladen, nach Quedlinburg zu kommen“, sagte Florencius. „Die Äbtissin erwartet ihre neue Konventualin.“
„Einladen? seit wann lädt man denn Gefangene ein, Herr Stiftsschreiber?“
„Wollt Ihr sie denn wirklich nicht freigeben, Herr Graf?“
„Nein, du wunderlicher Frager! ich will sie nicht freigeben“, lachte der Graf. „Aber jetzt laß mich; auf Wiedersehen bei Tisch!“
Florencius ging und suchte den Ritter Bock von Schlanstedt auf.
„Streitet sich denn alles um das liebe Mädchen?“ sprach Albrecht, als er allein war. „Jeder will sie haben, nur mir gönnt sie keiner.“ Er trat ans Fenster und blickte hinüber nach dem Schlosse von Quedlinburg. „Sei ruhig, Jutta! die bleiche Lilie ist der roten Rose nicht gefährlich.“
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