Natürlich gibt es auch Probleme. Wer geht auf den Markt und verkauft unsere Produkte? Wer kümmert sich um die Küche, die Gemeinschaftsräume. Es ist wie in einer WG. Einer muss immer den Müll runterbringen. Aber manchmal dringt auch das alte Leben zu uns. Die Kinder, die Geschwister, die Ex-Frauen und Ex-Männer, sie alle tauchen ab und zu bei uns auf. Daraus entstehen Spannungen, weil jemand unser Leben hinterfragt und uns vorwirft, wir seien verantwortungslos. Es ist die alte Leier. Dem Aussteiger vorwerfen, er würde die Zusammenhänge im sozialen Gefüge ausblenden, seinen Verpflichtungen dem alten Leben gegenüber nicht nachkommen.
Was ich nicht ertrage, ist dieses Gejammer meiner Exfrau. Ich hätte den Kindern den Vater vorenthalten. Mein Vater ist bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, als ich neun war, und mich hat niemand gefragt, wie es war, ohne Vater aufzuwachsen. Meine Mutter hatte damals getrauert, allein. Was ich gedacht hatte, war nicht wichtig gewesen. Na und? Kinder kommen über sowas viel besser zurecht, als man denkt. Die sind hart im Nehmen, David auch. Und ich meine, ich lebe ja schließlich noch, also weiß ich gar nicht, woher dieses Drama kommt. Manchmal telefonierten wir wochenlang nicht. Er ruft nicht an. Ich rufe nicht an. Wusste nicht, ob er mich vielleicht absichtlich mied. Mit seinem jüngeren Bruder lief es nicht anders. Desinteresse. Er hätte mich ja mal fragen können, warum ich seine Mutter verlassen hatte, aber irgendwie hat ihn das nicht interessiert. Er hätte ja mal fragen können: warum hast du Mama verlassen, warum ist dir dein neues Leben wichtiger als das alte. Aber er war immer so passiv.
Doch plötzlich wurden die Anrufe häufiger. Wir haben ein Telefon für alle, viel telefoniert wird bei uns eh nicht. Dann muss immer der Empfänger ausgerufen werden. Wurde manchmal ganz schön teuer für den Anrufer. Deutschland nach Frankreich. Ferngespräch. Beim ersten Mal hatte ich Davids Stimme gar nicht erkannt. Er und sein Bruder hören sich so gleich an, und weil Jörg, unser Koch, mir den Hörer mit den Worten »Dein Sohn« hingehalten hat, hab ich natürlich nicht gewusst, welcher von beiden. Ich musste, nachdem er sagte: »Hallo Papa.« etwas unangenehm berührt fragen: »David oder Lars?«
»David. Unsere Stimmen klingen gleich, oder? Erst recht, wenn man sie nicht so häufig hört.«
Das war so souverän. Er klang auch ganz anders, wie ausgetauscht. Fragte, wie es mir so ginge, und was ich mache, er wollte mal hören, ob das mit der Kommune alles gut sei. Es fing oberflächlich an. Schönes Wetter. Gute Ernte. Was machen die anderen? Später gingen die Fragen tiefer. Ob ich manchmal an ihn und seinen Bruder denke und mich frage, ob ich mein Leben noch einmal so leben würde, die gleichen Entscheidungen treffen würde.
Diese Frage habe ich schon längst beantwortet. In dem Moment, in dem ich mich von Davids Mutter getrennt habe. Ist das mein Leben? Will ich so meine Zukunft gestalten? Ich habe die richtige Entscheidung getroffen, indem ich mich für meine Kommune entschieden habe. Es war nicht die neue Schicht Farbe auf einer bemalten Leinwand, sondern der Pinselstrich, der dem halbfertigen Bild ein ganz anderes Aussehen gegeben hat.
Hätte ich das nicht getan, würde ich mich im Alter fragen: Hast du die richtige Entscheidung getroffen? Hast du alles aus deinem Leben geholt, das drinsteckte? Wer seinem Leben im richtigen Moment den richtigen Impuls gibt, muss sich später nicht vorstellen, wie es wäre, wenn…
Vielleicht hat David diesen Moment auch gehabt. Er ändert etwas. Stellt die Weichen, malt sein Bild neu oder anders.
Er kam sogar im Sommer darauf bei uns in der Kommune vorbei. Mit seinen Freunden. Ihre Namen hatte ich mir nicht merken können. Sein bester Kumpel und dessen Freundin und Davids kleine Freundin. Sie waren auf Interrailtour, einmal quer durch Europa. Sie hatten schon Amsterdam, Brüssel, Madrid und Lissabon hinter sich und waren auf dem Rückweg. Die vier waren echt niedlich. Haben drei Tage bei uns gewohnt und wir haben sie alle ins Herz geschlossen. Sie haben uns ein bisschen bei Arbeiten geholfen, wir haben zusammen gekocht. Mit dieser Kleinen hat David wohl einen Glücksgriff getan. Sie hat uns erzählt, dass sie nicht wirklich wüsste, was aus David einen neuen Menschen gemacht habe, aber dieser neue David würde ihr super gefallen. Da haben sich zwei Menschen gefunden. Die waren ein Herz und eine Seele.
Ich hab sie in der ersten Nacht beim Ficken im Garten erwischt. Die haben tatsächlich im Mondschein zwischen den Olivenbäumen gevögelt. Ich hatte mit meinen Kollegen noch die dritte oder vierte Flasche geleert und wollte dann in die Rabatten pinkeln, das spart Wasser, wenn man nicht wegen jedem Bisschen die Spülung betätigt, und da hab ich dieses Seufzen und Jammern gehört. Erst dachte ich, da streiten sich entweder zwei Katzen oder da liegt ein Tier im Sterben, aber dann kam ich näher. Die Wiese ist da leicht abschüssig und läuft in den Olivenbäumen aus, so dass man an einer Stelle nicht vom Haus aus sehen kann, wenn da jemand liegt.
Die Kleine hat vor ihm auf der Wiese gekniet und sich es richtig besorgen lassen. Im Mondlicht konnte man das super erkennen. Der Junge hat ja so einen riesigen Schwanz, den hat er von mir, den konnte man richtig glänzen sehen, wie der da von hinten in das Mädel rein und raus fährt, und er hat sie schön mit beiden Händen am Hintern gepackt und fickt sie, und sie geht ab wie eine Rakete.
Die war nackt, ich meine, es war total warm noch, kein Wunder, dass die nicht schlafen konnten, und im Mondlicht konnte man schön ihre Titten wackeln sehen, und die Haut glänzte, das war so geil, dass ich nicht anders konnte. Ich wollte ja eigentlich pissen, aber plötzlich stand er mir wie eine Eins und ich blieb im Schatten eines Baumes stehen, starrte da auf die beiden Teenager und hab erstmal meinen Schwanz aus der Hose geholt.
»Komm, schieb ihn mir nochmal hinten rein«, hörte ich sie flüstern, so nah war ich.
David zog seinen Schwanz aus ihr und ich konnte sehen, dass er einiges von mir geerbt hatte, nicht nur die Lust, sondern auch das passende Werkzeug, und setzte ihn ein kleines Stückchen höher wieder an.
»Mhhh«, stöhnt sie und fängt an, jeden Stoß zu erwidern, als hätte sie nichts anderes gemacht in ihrem Leben.
Die Kleine hätte ich auch gefickt. Ich konnte ihn gut verstehen, meinen Herrn Sohn. Ich hab in der Nacht ziemlich schnell abgespritzt, aber eine Sekunde lang hab ich gedacht: Ob die wohl auf einen Dreier Bock gehabt hätte?
Immerhin hatte sie ja kein Problem damit, sich im Freien ficken zu lassen. Seine erste richtige Freundin. Da muss man immer aufpassen. Die erste Freundin sollte man nicht heiraten. Den Fehler habe ich bei Davids Mutter gemacht. Wenn ich meinem Sohn einen Rat geben konnte, dann den: Heirate nie die erste Freundin. Du weißt nicht, was du verpasst.
Das habe ich ihm auch in einer ruhigen Minute gesagt. So unter uns.
»Weißt du, was stimmen muss? Im Bett. Ein Mann denkt immer nur mit dem Schwanz, das ist leider so. Für einen Mann ist nichts frustrierender, als wenn er seine Sexualität nicht ausleben kann.«
Bei Davids Mutter bin ich mit meiner offenen Art immer angeeckt, obwohl sie längst nicht so verklemmt war, wie sie manchmal tat. Die war eigentlich immer offen für alles. Aber eines hat sie nicht kapiert: dass zwei Seelen in meiner Brust schlugen. Dass ich nur mit einer Frau nicht glücklich sein konnte. Und dass meine Lust auf Freiheit zu groß war. Ich war einfach kein Familienmensch, und vor allem kein Mann für eine Frau.
»Keine Sorge. Sie lässt sich sogar in den Arsch ficken«, sagte David und sah mir dabei sogar in die Augen. Mein Gott, was war er groß geworden. Ich war überrascht von dieser Offenheit. Insgeheim spürte ich die Provokation in seinen Worten. Ich weiß, dass ich früher nicht zimperlich gewesen war, als ich mit meinen Söhnen über Frauen, Männer und schwulen Sex gesprochen habe. Sie sollten verstehen, warum ich sie verlassen hatte. Kann sein, dass es zu früh gewesen war. Daher ahnte ich, woher der Wind wehte, als David die gleichen Worte benutzte wie ich damals.
Читать дальше