1 ...6 7 8 10 11 12 ...36 Der Erste: No und –?
Der Zweite: Und ein Student hielt eine Ansprache, daß jedermann seine Pflicht erfüllen muß, dann hat sich einer aus einer Gruppe gelöst und hat gesagt: »Besser so!«
Der Erste: Nicht übel. Ich kann nur konstatieren, ein großer Ernst breitet sich über der Stadt aus, und dieser Ernst, gemildert von Gehobenheit und dem Weltgeschichtsbewußtsein drückt sich in allen Mienen aus, in denen der Männer, die schon mitmüssen, in denen derer, die noch dableiben –
Eine Stimme: Lekmimoasch!
Der Erste: – und in den Mienen jener, denen eine so hohe Aufgabe zuteil wird. Vorbei die bequeme Lässigkeit, die genußfrohe Gedankenlosigkeit; die Signatur ist schicksalsfroher Ernst und stolze Würde. Die Physiognomie unserer Stadt hat sich mit einem Schlage verändert.
Ein Passant(zu seiner Frau): Du kannst von mir aus in die Josefstadt gehn, ich geh an die Wien!
Ein Zeitungsausrufer: Vormarsch der Österreicher! Alle Stellungen genohmen!
Die Frau: Mir is schon mies vor »Husarenblut«.
Der erste Reporter: Nirgends eine Spur von Beklommenheit und Gedrücktheit, nirgends fahrige Nervosität und von des Gedankens Blässe angekränkelte Sorge. Aber ebensowenig leichtherzige Unterschätzung des Ereignisses oder törichte, gedankenlose Hurrastimmung.
Die Menge: Hurra, a Deitscher! Nieda mit Serbieen!
Der erste Reporter: Schaun Sie her, südliche Begeisterungsfähigkeit, gelenkt und geregelt von deutschem Ernst. Das beobacht ich für die City. Sie können für die Leopoldstadt eine aufgeregtere Note wählen.
Der Zweite: Fallt mir nicht ein, ich bin auch mehr für abgeklärtere Stimmungen. Da und dort sieht man, wer ich sagen, einen weißköpfigen Greis, der sinnend entfernter Jugendtage gedenkt, oder ein gebeugtes Mütterchen, das mit zitternder Hand Abschiedsgruß und Segenswunsch winkt. Einer merkt man an, daß sie um einen Sohn oder Gatten bange. Drehn Sie sich um, da können Sie sehn wie sie winken, sie winken effektiv.
(Ein Trupp Knaben mit Tschako und Holzsäbel zieht vorbei und singt: Wer will unter die Soldaten – der ließ schlagen eine Brucken –)
Der Erste: Notieren Sie: Eine hübsche Genreszene. Überhaupt müssen wir trachten, möglichst viel vom Volk zu sagen, der Chef hat erst heute geschrieben, es is die Quelle, in der wir das Gemüt erfrischen.
Eine Gruppe(singend): Die Russen und die Serben die hauen wir in Scherben! Hoch! Nieda! Schauts die zwa Juden an!
Der zweite Reporter: Sie, ich hab keine Lust mehr, Genreszenen zu beobachten. Soll er sein Gemüt an der Quelle erfrischen gehn, wenn er sich traut. Ich bin lieber weit entfernt –
Der Erste: Weit entfernt von Hochmut und von Schwäche, dieses Wort, das wir für die Grundstimmung Wiens geprägt haben – (beide schnell ab.)
(Es entsteht eine Bewegung. Ein junger Mann hat einer alten Frau die Handtasche gestohlen. Die Menge nimmt Stellung gegen die Frau.)
Eine weibliche Stimme: Ja meine Liebe, jetzt is Krieg, das is net wie im Frieden, da muß schon jeder was hergeben, mir san in Wien!
Poldi Fesch(zu seinem Begleiter): Gestern hab ich mit dem (ab.)
(Es treten auf zwei Verehrer der Reichspost.)
Der erste Verehrer der Reichspost: Kriege sind Prozesse der Läuterung und Reinigung, sind Saatfelder der Tugend und Erwecker der Helden. Jetzt sprechen die Waffen!
Der zweite Verehrer der Reichspost : Endlich! Endlich!
Der Erste: Kriege sind ein Segen nicht nur um der Ideale willen, die sie verfechten, sondern auch um der Läuterung willen, die sie dem Volke bringen, das sie im Namen der höchsten Güter führt. Friedenszeiten sind gefährliche Zeiten. Sie bringen allzuleicht Erschlaffung und Veräußerlichung.
Der Zweite: Der einzelne Mensch braucht doch halt auch a wengerl Kampf und Sturm.
Der Erste: Besitz, Ruhe, Genuß darf für nichts erachtet werden, wo die Ehre des Vaterlandes alles bedeuten muß. So sei der Krieg, in den unser Vaterland verwickelt wurde –
Der Zweite: – so sei der Krieg, der Sühne für Frevel und Garantien für Ruhe und Ordnung will, mit ganzem Herzen erfaßt und gesegnet.
Der Erste: Auskehrn mit eiserner Faust!
Der Zweite: In Prag, Brünn und Budweis – überall jubeln s' den kaiserlichen Entschließungen zu.
Der Erste: In Serajevo haben s' Gott erhalte gsungen.
Der Zweite: In Treue steht Italien Österreich zur Seite.
Der Erste: Fürst Alfred WindischgrätzWindischgrätz – Alfred Fürst zu Windischgrätz, 1897 bis 1918 Präsident des österr. Herrenhauses, † 1927 hat sich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet.
Der Zweite: Seine Majestät hat während des ganzen Tages in angestrengtester Weise gearbeitet.
Der Erste: Am 27. zwischen 12 und 1 Uhr wurde im Postsparkassenamt die finanzielle Vorsorge für den Krieg getroffen.
Der Zweite: Die Approvisionierung Wiens für die Kriegsdauer wurde vom Bürgermeister gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten und dem Ackerbauminister gesichert.
Der Erste: Hast glesen? Keine Teuerung durch den Krieg.
Der Zweite: Das is gscheit!
Der Erste: In unentwegter Treue –
Der Zweite: – huldigen wir unserem geliebten alten Kaiser.
Der Erste: Der Weiskirchner hat gsagt, meine lieben Wiener, ihr lebt eine große Zeit mit.
Der Zweite: Noja, es is keine Kleinigkeit!
Der Erste: Wir gedenken auch des Bundesgenossen in schimmernder Wehr, hat er gsagt.
Der Zweite: Die Huldigung der kaisertreuen Bevölkerung habens bereits an den Stufen des allerhöchsten Thrones niederglegt.
Der Erste: Am allerhöchsten Hoflager in Ischl.
Der Zweite: Wirst sehn, der Krieg wird eine Renaissance österreichischen Denkens und Handelns heraufführen, wirst sehn. Ramatama!
Der Erste: Höchste Zeit, daß amal a Seelenaufschwung kommt! Rrtsch – obidraht!
Der Zweite: Ein Stahlbad brauch 'mr! Ein Stahlbad!
Der Erste: Bist schon einrückend gmacht?
Der Zweite: Woher denn, enthoben! Und du?
Der Erste: Untauglich.
Der Zweite: Ein erleichtertes Aufatmen geht durch unsere Bevölkerung! Dieser Krieg – (ab.)
(Man hört den Gesang vorbeiziehender Soldaten: In der Heimat, in der Heimat da gibts ein Wiedersehn –)
Ein alter Abonnent der Neuen Freien Presse(im Gespräch mit dem ältesten): Intressant steht heute im Leitartikel, wie der serbische Hof und wie sie alle aus Belgrad fort müssen. (Er liest vor.) »Wien ist heute Abend nicht die Stadt gewesen, die vereinsamt dem Hofe, der Regierung und den Truppen keine sichere Stätte geboten hat. Belgrad war es.«
Der älteste Abonnent: Goldene Worte. So etwas tut einem wohl zu hören und man spürt doch bißl eine Genugtuung.
Der alte Abonnent: Allerdings könnte man einwenden, daß Wien momentan von den Serben weiter weg is wie Belgrad von den Österreichern, weil ja Belgrad direkt visavis liegt von Seinlin, während Wien nicht direkt visavis liegt von Belgrad, und weil sie schon zu schießen anfangen von Semlin auf Belgrad, während sie von Belgrad nicht herüberschießen können gottlob auf Wien.
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