1 ...8 9 10 12 13 14 ...36 Der Nörgler : Schmutz.
Der Optimist: Ja, Sie, der Sie ihn überall gesehen haben, fühlen, daß Ihre Zeit um ist! Verharren Sie nur nörgelnd wie eh und je in Ihrem Winkel – wir anderen gehen einer Ära des Seelenaufschwunges entgegen! Merken Sie denn nicht, daß eine neue, eine große Zeit angebrochen ist?
Der Nörgler: Ich habe sie noch gekannt, wie sie so klein war, und sie wird es wieder werden.
Der Optimist: Können Sie jetzt noch negieren? Hören Sie nicht den Jubel? Sehen Sie nicht die Begeisterung? Kann ein fühlendes Herz sich ihr entziehen? Sie sind das einzige. Glauben Sie, daß die große Gemütsbewegung der Massen nicht ihre Früchte tragen, daß diese herrliche Ouvertüre ohne Fortsetzung bleiben wird? Die heute jauchzen –
Der Nörgler: – werden morgen klagen.
Der Optimist: Was gilt das einzelne Leid! So wenig wie das einzelne Leben. Der Blick des Menschen ist endlich wieder emporgerichtet. Man lebt nicht nur für materiellen Gewinn, sondern auch –
Der Nörgler: – für Orden.
Der Optimist: Der Mensch lebt nicht vom Brote allein.
Der Nörgler: Sondern er muß auch Krieg führen, um es nicht zu haben.
Der Optimist: Brot wirds immer geben! Wir leben aber von der Hoffnung auf den Endsieg, an dem nicht zu zweifeln ist und vor dem wir –
Der Nörgler: Hungers sterben werden.
Der Optimist: Welch ein Kleinmut! Wie beschämt werden Sie einst dastehn! Verschließen Sie sich nicht, wo Feste gefeiert werden! Die Pforten der Seele sind aufgetan. Das Gedächtnis der Tage, in denen das Hinterland wenn auch nur durch Empfang des täglichen Berichtes Anteil an den Taten und Leiden einer glorreichen Front nahm, wird der Seele –
Der Nörgler: – keine Narbe zurücklassen.
Der Optimist: Die Völker werden aus dem Kriege nur lernen –
Der Nörgler: – daß sie ihn künftig nicht unterlassen sollen.
Der Optimist: Die Kugel ist aus dem Lauf und wird der Menschheit –
Der Nörgler: – bei einem Ohr hinein und beim andern hinausgegangen sein!
(Verwandlung.)
Am Ballhausplatz
Graf Leopold Franz Rudolf Ernest Vinzenz Innocenz Maria : Das Ultimatum war prima! Endlich, endlich!
Baron Alois Josef Ottokar Ignazius Eusebius Maria: Foudroyant! No aber auf ein Haar hätten sie's angenommen.
Der Graf: Das hätt mich rasend agassiert. Zum Glück hab'n wir die zwei Punkterln drin ghabt, unsere Untersuchung auf serbischem Boden und so – na dadrauf sinds halt doch nicht geflogen. Haben 's sich selber zuzuschreiben jetzt, die Serben.
Der Baron: Wann mans recht bedenkt – wegen zwei Punkterln – und also wegen so einer Bagatell is der Weltkrieg ausgebrochen! Rasend komisch eigentlich.
Der Graf: Dadrauf hab'n wir doch nicht verzichten können, daß wir die zwei Punkterln verlangt hab'n. Warum hab'n sie sich kapriziert, die Serben, daß sie die zwei Punkterln nicht angnommen haben?
Der Baron: No das war ja von vornherein klar, daß sie das nicht annehmen wern.
Der Graf: Das hab'n wir eben vorher gewußt. Der Poldi BerchtoldBerchtold – Leopold Graf Berchtold, 1912/1915 österr. Außenminister, formulierte das Ultimatum an Serbien is schon wer, da gibts nix. Da is auch nur eine Stimme in der Gesellschaft. Enorm! Ich sag dir – ein Hochgefühl! Endlich, endlich! Das war ja nicht mehr zum Aushalten. Auf Schritt und Tritt war man gehandicapt. No das wird jetzt ein anderes Leben wern! Diesen Winter, stantepeh nach Friedensschluß, fetz ich mir die Riviera heraus.
Der Baron. Ich wer schon froh sein, wenn wir uns die Adria herausfetzen.
Der Graf: Mach keine Witz. Die Adria ist unser. Italien wird sich nicht rühren. Ich sag dir, also nach Friedensschluß –
Der Baron: No wann glaubst wird Frieden sein?
Der Graf: In zwei, allerspätestens drei Wochen schätz ich.
Der Baron: Daß ich nicht lach.
Der Graf: No was denn, mit Serbien wern wir doch spielend fertig, aber spielend, mein Lieber – wirst sehen, wie gut sich unsere Leute schlagen. Schon allein die Schneid von unsere Sechser-Dragoner! Ein paar von der Gesellschaft soll'n schon direkt an der Front sein, du! No und unsere Artillerie – also prima. Rasend präzis arbeitend!
Der Baron: No und Rußland?
Der Graf: Der Ruß wird froh sein, wenn er a Ruh hat. Verlaß dich auf'n Conrad, der weiß schon, warum er sie in Lemberg hineinlaßt. Wenn wir erst in Belgrad sind, wendet sich das Blatt. Der PotiorekPotiorek – Oskar Potiorek, österr. General, Herbst bis Dez. 1914 Oberkommandierender der Balkanstreitkräfte is prima! Ich sag dir, die Serben gehn rasend ein. Alles andere macht sich automatisch.
Der Baron: No wann glaubst also im Ernst –
Der Graf: In drei, vier Wochen is Frieden.
Der Baron: Du warst immer ein rasender Optimist.
Der Graf: No also bitte, wann?
Der Baron: Vor zwei, drei Monat nicht zu machen! Wirst sehn. Wenns gut geht, in zwei. Da muß 's aber schon sehr gut gehn, mein Lieber!
Der Graf: No da möcht ich doch bitten – das wär aber schon grauslich fad. Das wär aber charmant, du! Ginget ja schon wegen der Ernährung nicht. Neulich hat mir die Sacher gsagt – Also du glaubst doch nicht, daß sich das mit die Ernährungsvorschriften halten wird? Sogar beim Demel fangen s' schon an mit'n Durchhalten – das sind ja charmante Zustände – man schränkt sich ohnedem ein, wo man kann, aber auf die Dauer – Lächerlich, gibts nicht! Oder meinst?
Der Baron: Du kennst ja meine Ansicht. Ich halt nicht viel vom Hinterland. Wir sind schließlich keine Krobatin, also ein Patriot prima – sagt er, wann man einen Verteidigungskrieg anfangt – verstehst, der hat sich das nämlich speziell entetiert, das mit'n Verteidigungskrieg –
Der Graf: No – bitte – is es vielleicht kein Verteidigungskrieg? Du bist ein Hauptdefaitist, hör auf! In welcher Zwangslage wir waren, hast du schon vergessen, daß wir Temes-Kubin angreifen zu lassen, um –
Der Baron : Wieso?
Der Graf: Wieso? Geh, stell dich nicht – also du weißt doch selber am besten, daß ein serbischer Angriff bei Temes-Kubin notwendig war – ich mein', wir hab'n doch losschlagen müssen –
Der Baron: No das selbstredend!
Der Graf: No also, hätt man das sonst nötig? Grad so wie die Deutschen mit die Bomben auf Nürnberg!Nürnberg – Falschmeldung der deutschen Kriegspropaganda, die Franzosen hätten in der Umgebung Nürnbergs am 2. August Bomben abgeworfen Also – erlaub du mir – also wenn das kein Verteidigungskrieg is, du!
Der Baron: Aber bitte, hab ich was gsagt? Du weißt, ich speziell war von allem Anfang für die Kraftprobe, notabene wann s' eh die letzte is. Der Ausdruck dafür is mir putten. Verteidigungskrieg – das klingt rein so, als ob man sich so gwiß entschuldigen müßt. Krieg is Krieg, sag ich.
Der Graf: No ja, da hast recht. Was, der Poldi Berchtold! Er is und bleibt ein rasend fescher Bursch. Da kann man sagen, was man will. Oho, auch zu unserm Gschäft ghört Schneid, und die muß man ihm lassen! Wie er den Herrschaften nach Ischl ausgrutscht is – die hätten womöglich noch das Ultimatum verhindern wolln! Er aber – also das war enorm! Ein Treffer nach'm andern!
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