Vierter: Na olstern, aber a Kineser san S' do! (Gelächter.)
Fünfter: Oba oba oba wos treibts denn, habts denn net in der Zeitung g'Iesen, schauts her, da stehts (er zieht ein Zeitungsblatt hervor) »Derartige Ausschreitungen des Patriatismus können in keener Weisee geduldeet werden und sind überdies geeigneet, den Fremdenverkehr zu schädigeen«. Wo soll sich denn da nacher ein Fremdenverkehr entwickeln, wo denn, no olstern!
Sechster: Bravo! Recht hot er! Der Fremdenverkehr, wann mr eahm hebn wolln, das is schwer, das is net aso –
Siebenter: Halts Maul! Krieg is Krieg und wann einer amerikanisch daherredt oder türkisch oder so –
Achter: So is. Jetzt is Krieg und da gibts keine Würschtel! (Eine Dame mit leichtem Anflug von Schnurrbart ist aufgetreten.)
Die Menge: Ah do schauts her! Das kennt ma schon, ein verkleideter Spion! Varhaften! Einspirn stantape!
Ein Besonnener: Aber meine Herren – bedenken Sie – sie hätte sich doch rasieren lassen!
Einer aus der Menge : Wer?
Der Besonnene: Wenn sie ein Spion wäre.
Ein Zweiter aus der Menge: Drauf hat er vergessen! So hat er sich gfangt!
Rufe: Wer? – Er! – No sie!
Ein Dritter: Das is eben die List von denen Spionen!
Ein Vierter: Damit mrs net mirkt, daß Spionen san, lassen s' ihnern Bart stehn!
Ein Fünfter: Redts net so dalkert daher, das is ein weiblicher Spion und damit mrs net mirkt, hat s' an Bart aufpappt!
Ein sechster: Das is ein weiblicher Spion, was sich für ein Mannsbild ausgeben tut!
Ein Siebenter: Nein, das is ein Mannsbild, was sich für ein weiblichen Spion ausgeben tut!
Die Menge: Jedenfalls ein Vardächtiger, der auf die Wachstubn ghört! Packts eahm!
(Die Dame wird von einem Wachmann abgeführt. Man hört die »Wacht am Rhein« singen.)
Der erste Reporter(hält ein Notizblatt in der Hand): Das war kein Strohfeuer trunkener Augenblicksbegeisterung, kein lärmender Ausbruch ungesunder Massenhysterie. Mit echter Männlichkeit nimmt Wien die schicksalsschwere Entscheidung auf, Wissen Sie, wie ich die Stimmung zusammenfassen wer'? Die Stimmung läßt sich in die Worte zusammenfassen: Weit entfernt von Hochmut und von Schwäche. Weit entfernt von Hochmut und von Schwäche, dieses Wort, das wir für die Grundstimmung Wiens geprägt haben, kann man nicht oft genug wiederholen. Weit entfernt von Hochmut und von Schwäche! Also was sagen Sie zu mir?
Der zweite Reporter: Was soll ich sagen? Glänzend!
Der Erste: Weit entfernt von Hochmut und von Schwäche. Tausende und Abertausende sind heute durch die Straßen gewallt, Arm in Arm, Arm und Reich, Alt und Jung, Hoch und Nieder. Die Haltung jedes Einzelnen zeigte, daß er sich des Ernstes der Situation vollauf bewußt ist, aber auch stolz darauf, den Pulsschlag der großen Zeit, die jetzt hereinbricht, an seinem eigenen Leib zu fühlen.
Eine Stimme aus der Menge : Lekmimoasch!
Der Reporter: Hören Sie, wie immer aufs neue der Prinz-Eugen-Marsch erklingt und die Volkshymne und ihnen gesellt sich wie selbstverständlich die Wacht am Rhein im Zeichen der Bundestreue. Früher als sonst hat heute Wien Feierabend gemacht. Daß ich nicht vergeß, wir müssen besonders schildern, wie sich das Publikum vor dem Kriegsministerium massiert hat. Aber vor allem, nicht vergessen erwähnt zu werden darf – raten Sie.
Der Zweite: Ob ich weiß! Nicht vergessen erwähnt zu werden darf, wie sie zu Hunderten und Aberhunderten sich in der Fichtegasse vor dem Redaktionsgebäude der Neuen Freien Presse massiert haben.
Der Erste: Kopp was Sie sind. ja, das hat er gern der Chef. Aber was heißt Hunderte und Aberhunderte? Ausgerechnet! Sagen Sie gleich Tausende und Abertausende, was liegt Ihnen dran, wenn sie sich schon massieren.
Der Zweite: Gut, aber wenn man es nur nicht als feindliche Demonstration auffassen wird, weil das Blatt letzten Sonntag, wo doch schon die große Zeit war, noch so viel Annoncen von Masseusen gebracht hat?
Der Erste: In einer so großen Zeit ist eine so kleinliche Auffassung ausgeschlossen. Überlassen Sie das der Fackel. Alle haben sie dem Blatt zugejubelt. Es erschollen stürmische Rufe: Vorlesen! Vorlesen! und das hat sich selbstredend auf Belgrad bezogen. Dann haben sie tosende Hochrufe ausgebracht –
Der Zweite: Tosende und abertosende Hochrufe –
Der Erste: – und zwar auf Österreich, auf Deutschland und auf der Neuen Freien Presse. Die Reihenfolge war für uns nicht gerade schmeichelhaft, aber es war doch sehr schön von der begeisterten Menge. Den ganzen Abend is sie, wenn sie nicht gerade vor dem Kriegsministerium zu tun gehabt hat oder auf dem Ballplatz, is sie in der Fichtegasse Kopf an Kopf gedrängt gestanden und hat sach massiert.
Der Zweite: Wo nur die Leut die Zeit hernehmen, staune ich immer.
Der Erste: Bittsie, die Zeit is so groß, daß dazu genug Zeit bleibt! Also die Nachrichten des Abendblatts wurden immer und immer wieder erörtert und durchgesprochen. Von Mund zu Mund ging der Name Auffenberg.
Der Zweite: Wieso kommt das?
Der Erste: Das kann ich Ihnen erklären, es is ein Redaktionsgeheimnis, sagen Sie's erst, bis Friede is. Also Roda RodaRoda Roda – österr. Schriftsteller, † 1945, im 1. Weltkrieg Berichterstatter im Kriegspressequartier hat doch gestern dem Blatt telegraphiert über die Schlacht bei Lemberg und am Schluß vom Telegramm stehn die Worte: Lärm machen für Auffenberg! Das war schon gesetzt. Im letzten Moment hat man 's noch bemerkt und herausgenommen, dann aber hat man ja Lärm gemacht für Auffenberg!
Der Zweite: Die Hauptsache sind jetzt die Straßenbilder. Von jedem Eckstein, wo ein Hund demonstriert, will er ein Straßenbild haben. Gestern hat er mich rufen lassen und hat gesagt, ich soll Genreszenen beobachten. Aber grad das is mir unangenehm, ich laß mich nicht gern in ein Gedränge ein, gestern hab ich die Wacht am Rhein mitsingen müssen – kommen Sie weg, hier geht's auch schon zu, sehn Sie sich nur die Leut an, ich kenne diese Stimmung, man is auf einmal mitten drin und singt Gott erhalte.
Der Erste: Gott beschütze! Sie haben recht – wozu man selbst dabei sein muß, seh ich auch nicht ein, man verliert nur Zeit, man soll drüber schreiben, stattdem steht man herum. Was ich sagen wollte, sehr wichtig is zu schildern, wie sie alle entschlossen sind und da und dort reißt sich einer los, er will ein Scherflein beitragen um jeden Preis. Das kann man sehr plastisch herausbringen. Gestern hat er mich rufen lassen und hat gesagt, man muß dem Publikum Appetit machen auf den Krieg und auf das Blatt, das geht in einem. Sehr wichtig sind dabei die Einzelheiten und die Details, mit einem Wort die Nuancen und speziell die Wiener Note. Zum Beispiel muß man erwähnen, daß selbstredend jeder Standesunterschied aufgehoben war und zwar sofort – aus Automobile haben sie gewinkt, sogar aus Equipagen. Ich hab beobachtet, wie die Dame in der Spitzentoilette aus dem Auto gestiegen is und der Frau mit dem verwaschenen Kopftuch is sie um den Hals gefallen. Das geht schon so seit dem Ultimatum, alles is ein Herz und eine Seele.
Stimme eines Kutschers: Fahr füra Rabasbua vadächtiga –!
Der zweite Reporter: Wissen Sie, was ich beobachtet hab? Ich hab beobachtet, wie sich Gruppen gebildet haben.
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