Der Erste: Ein Blindgänger, nicht der Rede wert.
Der Zweite: Jö, ein Blindgänger, Gott! Nein, so hab ich mir das nicht vorgestellt.
Der Erste: Nehmen Sie Deckung.
Der Zweite: Was soll ich nehmen?
Der Erste: Deckung! Geben Sie den Feldstecher her.
Der Zweite: Was bemerken Sie?
Der Erste: Herbstzeitlosen. Das erinnert mich an den Balkankrieg. Die Stimmung hätt ich. (Er lauscht.)
Der Zweite: Was hören Sie?
Der Erste: Raben. Sie krächzen als ob sie witterten die Beute. Ganz wie im Balkankrieg. Und es lockt die Gefahr.
Der Zweite : Gehmr.
Der Erste: Sie Feigling! Und es lockt die Gefahr. (Ein Schuß.) Um Gotteswillen! Sind dort nicht unsere Leute?
Der Zweite: Vom Preßquartier?
Der Erste: Nein, die Eigenen.
Der Zweite: Mir scheint ja.
Der Erste: Sind brave Bursche. Dachte keiner an seine Lieben, dachte jeder nur an den Feind. Was liegt dort?
Der Zweite: Nichts, italienische Leichen, die vor unseren Stellungen liegen.
Der Erste: Moment! (Er photographiert.) Nichts erinnert daran, daß man im Krieg ist. Nichts sieht man, was an Elend, Not, Mühsal und Greuel gemahnt.
Der Zweite: Moment! Ich spüre jetzt den Atem des Krieges. (Ein Schuß.) Gehmr.
Der Erste: Das war nichts. Die Affäre stellt sich als ein Vorpostengefecht dar.
Der Zweite: Wärn wir in Villach geblieben – Gott, gestern hab ich mit dem Sascha Kolowrat gedraht – ich hab Ihnen gesagt, ich hab keinen Ehrgeiz. Sie wern sehn, der Punkt is eingesehn.
Der Erste: Wenn Sie nicht einmal Plänkeleien vertragen können, tun Sie mir leid.
Der Zweite: Bin ich ein Held? Bin ich ein Alexander Roda Roda?
Der Erste: Ich bin auch kein Ganghofer, aber ich kann Ihnen nur sagen, schämen Sie sich vor der Schalek!Schalek – Alice Schalek – österr. Journalistin, im 1. Weltkrieg die einzige Kriegsberichterstatterin, † 1956 Dorten kommt sie! Da können Sie sich verstecken –
Der Zweite: Gut. (Er versteckt sich. Ein Schuß.)
Der Erste: Ich will übrigens auch nicht, daß sie mich sieht. (Er legt sich nieder.)
Die Schalek(erscheint in voller Ausrüstung und spricht die Worte): Ich will hinausgehen, dorthin, wo der einfache Mann ist, der namenlos ist! (Sie gebt ab.)
Der Erste: Sehn Sie, da können Sie sich ein Beispiel nehmen. (Sie erheben sich.) Die geht bis vorn. Und wie sie sich für das Ausputzen der feindlichen Gräben intressiert –!
Der Zweite: No ja, das is was für Frauen, aber unsereins?
Der Erste: So, und wie sie beschreibt, wie sie im Kugelregen war – da fühlen Sie sich als Mann nicht beschämt?
Der Zweite: Ich weiß ja, sie is tapfer. Aber mein Ressort is Theater.
Der Erste: Wie sie die Leichen beschreibt, Kleinigkeit der Verwesungsgeruch!
Der Zweite: Das liegt mir nicht.
Der Erste: Wer hat sich darum gerissen, einen Flankenangriff mitzumachen? Sie! Und jetzt möchten Sie davonlaufen, wenn Sie Patrouillen sehn. Früher haben Sie das Maul voll genommen –
Der Zweite: Jeder von uns war im Anfang mitgerissen. Aber jetzt, nach einem Jahr Krieg –
Der Erste: Sie haben geschrieben, Sie wollen sich den Krieg an der Südwestfront ansehn. No also, sehn Sie sich ihn an, da haben Sie ihn. (Duckt sich.)
Der Zweite(duckt sich): Gegen Rußland war das ganz anders, da is man nicht aus dem Hotel herausgekommen, ich hab darin keine Erfahrung gehabt, meinetwegen halten Sie mich für einen Feigling, ich sag Ihnen ich geh nicht weiter!
Der Erste: Aber der Hauptmann kommt doch gleich, er hat garantiert, daß nichts passiert.
Der Zweite: Ich will aber nicht. Ich schick das Feuilleton so ab, die paar technischen Ausdrücke geben Sie mir.
Der Erste: Sie haben nicht die Schule des Balkankriegs durchgemacht, ich versteh nicht, wie einem nicht die Gefahr locken kann. (Duckt sich.)
Der Zweite. Aber ich bitt Sie, ich kenne das. Ich habe diesen Rausch, dieses selige Vergessen vor dem Tode beschrieben, Sie wissen, wie zufrieden der Chef war, massenhaft Zuschriften sind gekommen, wissen Sie nicht mehr? Ich bin doch eingegeben fürs Verdienstkreuz! (Duckt sich.)
Der Erste: Ich versteh aber nicht, wie man nicht gerade darin Befriedigung findet, daß man sich selbst überzeugt – (Schuß.) Um Gotteswillen, was war das jetzt?
Der Zweite: Sehn Sie – wären wir nur schon zurück im Preßquartier. Dort is man wenigstens nicht vom Feind eingesehn.
Der Erste: Mir scheint stark, das ist der Gegenstoß! Na und wennschon. Jetzt heißt es ausharren, wohin den Soldaten unsere Pflicht gestellt hat. Der Hauptmann hat eigens für uns die zerstörte Brücke herrichten lassen – jetzt sind wir einmal da, jetzt heißt es sich zusammnehmen. C'est la guerre! (Duckt sich.) Ich bin auch für Stimmungen, aber im Ernstfall – nur Stimmungsmensch sein, das geht nicht! Sie sind eben im Frieden nie aus den Premieren herausgekommen, das rächt sich jetzt. Warum haben Sie sich überhaupt für Kriegsberichterstattung gemeldet?
Der Zweite: Was heißt das, soll ich dienen?
Der Erste: No ja, aber ein bisserl Haltung sind Sie dem Blatt schuldig. Krieg ist Krieg.
Der Zweite: Als Held hab ich mich nicht aufgespielt.
Der Erste: Aus Ihrem letzten Feuilleton hat man stark den Eindruck gewinnen müssen, daß Sie einer sind.
Der Zweite: Feuilleton is Feuilleton. Bitt Sie, tun Sie nicht, als ob Sie das nicht wüßten – Gott, was war das wieder?
Der Erste: Nichts, ein kleinkalibriger Mörser älteren Systems von der Munitionskolonne IV b Flak.
Der Zweite: Wie Sie die technischen Ausdrücke beherrschen! Ist das nicht der, der immer tsi-tsi macht?
Der Erste: Sie haben wirklich keine Ahnung. Das is doch der, der immer tiu-tiu macht!
Der Zweite: Da muß ich etwas im Manuskript ändern – wissen Sie was, ich geh zurück, damit es früher abgeht. Es muß doch noch genehmigt wern.
Der Erste: Ich sag Ihnen, bleiben Sie da. Allein bleib ich nicht.
Der Zweite: Also hat das einen Sinn?
Der Erste: Sie, wir können uns nicht blamieren. Die Offiziere lachen sowieso schon. Ins Gesicht sind sie natürlich freundlich, weil sie genannt wern wollen bei der Offensive, aber ich hab oft das Gefühl, daß sie sich beim Rückzug über uns lustig machen. Grad will ich ihnen einmal zeigen, daß ich meinen Mann stelle. Schaun Sie, im Preßquartier is es doch so fad –
Der Zweite: Lieber fad wie gefährlich.
Der Erste: Schaun Sie, kann Ihnen das auf die Dauer konvenieren? Ein Jahr dauert das jetzt schon. Wir fressen aus der Hand. Man reicht uns den Schmus, wir haben nichts zu tun wie den Namen druntersetzen. Er lügt und wir müssen unterschreiben. No is das ein Leben?
Der Zweite: Kommt mir ohnedem lächerlich genug vor. Was geht das alles mich an? Einmal im Monat das Feuilleton – das is noch die Erholung, da kann man schildern, wie sie erleben. Aber was hab ich zu unterschreiben, wenn der Feind is zurückgeworfen, wenn er nicht is zurückgeworfen? Bin ich Höfer? Bin ich der verantwortliche Redakteur vom Weltkrieg?
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