Hofmannsthal: Hör auf!
Der Zyniker(liest): »Ich weiß, Sie sind froh. Sie fühlen das Glück, dabei zu sein. Es gibt kein größeres.«
Hofmannsthal: Du, wenn du jetzt nicht aufhörst –
Der Zyniker(liest): »Und das wollen wir uns jetzt merken für alle Zeit: es gilt, dabei zu sein. Und wollen dafür sorgen, daß wir hinfort immer etwas haben sollen, wobei man sein kann. Dann wären wir am Ziel des deutschen Wegs, und Minnesang und Meistersang, Herr Walter von der Vogelweide und Hans Sachs, Eckhart und Tauler, Mystik und Barock, Klopstock und Herder, Goethe und Schiller, Kant und Fichte, Beethoven und Wagner wären dann erfüllt. –« Wie hängen denn die mit dir zusammen? Ah, er meint vielleicht, daß sie enthoben sind. »Und das hat unserem armen Geschlecht der große Gott beschert!« Gott sei Dank! – (liest) »Nun müßt ihr aber doch bald in Warschau sein!«
Hofmannsthal: Aufhören!!
Der Zyniker: »Da gehen Sie nur gleich auf unser Konsulat und fragen nach, ob der österreichisch-ungarische Generalkonsul noch dort ist: Leopold Andrian.« (Er bekommt einen Lachkrampf.)
Hofmannsthal: Was lachst denn?
Der Zyniker: Der is wahrscheinlich nach Kriegsausbruch in Warschau geblieben, um den einziehenden Truppen das Paßvisum auszustellen – das is ja im Krieg unerläßlich – sonst können s' nicht nach Rußland! (liest) »Und wenn ihr so vergnügt beisammen seid, und während draußen die Trommeln schlagen, der Poldi durchs Zimmer stapft und mit seiner heißen dunklen Stimme Baudelaire deklamiert, vergeßt mich nicht, ich denk an euch! Es geht euch ja so gut – »
Hofmannsthal: Hör auf!
Der Zyniker: »– und es muß einem ja da doch auch schrecklich viel einfallen, nicht? –« Was dem alles einfallt!
Hofmannsthal: Laß mich in Ruh!
Der Zyniker: Du kommst doch sowieso bald nach Warschau? Auf Propaganda, mein' ich oder so. Wirst wieder deinen Hindenburg-Vortrag halten?
Hofmannsthal: Ich sag dir, laß mich in Ruh –
Der Zyniker: Du, eine Kälten hats heut wieder – ich muß doch läuten, daß er das Wachtfeuer nachlegen kommt.
Hofmannsthal: Also das is eine Gemeinheit – du – pflanz wen andern, laß mich arbeiten!
(Der Poldi tritt ein.)
Der Poldi(heiße, dunkle Stimme): Gu'n Tog, du Hugerl weißt nix vom Bohr?
(Hofmannsthal hält sich die Ohren zu.)
Der Zyniker: Habe die Ehre, Herr Baron, Sie kommen wie gerufen.
Der Poldi: Du Hugerl is wohr daß der Bohr in dem Johr noch nicht do wor oder is er gor eingrückt?
Der Zyniker: Was, der auch?
Hofmannsthal: Du der Mensch is zu grauslich – komm, gehn wir da hinein –
Der Poldi: Du Hugerl, der Baudelaire is ganz gscheidt, ich trog dir ein poor Sochen vor.
Hofmannsthal: Und ich zeig dir meinen Prinz Eugen!
Der Poldi: Wunderbor!
(Verwandlung.)
Bukowinaer Front. Bei einem Kommando. Die Oberleutnants Fallota und Beinsteller treten auf.
Fallota: Weißt also, gestern hab ich mir eine fesche Polin aufzwickt – also tulli! Schad, daß man sie nicht in das Gruppenbild hereinnehmen kann, was wir der Muskete schicken.
Beinsteller: Aha, ein Mägdulein! – Du, der Feldkurat soll fürs Intressante photographiert wern, zu Pferd, wie er einem Sterbenden das Sakrament gibt. Das wird sich ja leicht machen lassen, kann zur Not auch gstellt wern, weißt soll sich ein Kerl hinlegen und dann hat die Redaktion noch ersucht, sie brauchen ein Gebet am Soldatengrab, na das geht ja immer.
Fallota: Du, ich hab dir gestern eine Aufnahme gemacht, die aber schon sehr intressant is. Ein sterbender Russ, ein Schanerbild, mit an Kopfschuß, ganz nach der Natur. Weißt, er hat noch auf den Apparat starren können. Du, der hat dir einen Blick gehabt, weißt, das war wie gstellt, prima, glaubst daß das was fürs Intressante is, daß sie's nehmen?
Beinsteller: No und ob, zahlen auch noch.
Fallota: Glaubst? Du, richtig, also hast was versäumt, der Korpral is dir gestern ohnmächtig worn, wie er den Spion, weißt den ruthenischen Pfarrer, bei der Hinrichtung für den Sascha-Film ghalten hat, schad daß du nicht dabei warst.
Beinsteller: No was hast mit dem Kerl gmacht?
Fallota: No anbinden naturgemäß. Wer' ihn doch nicht einspirrn, wir leben ja nicht im Frieden – einspirrn, das möcht so den Kerlen schmecken.
Beinsteller: Weißt, ich versteh die Russen nicht. Die Gefangenen erzählen dir nämlich, daß es bei denen überhaupt keine solchene Strafen gibt!
Fallota: Hör mr auf mit der Schklavennation! Hast schon das Gedicht vom Kappus glesen? In Fers und sogar gereimt!
Beinsteller: No überhaupt, die Muskete is jetzt zum Kugeln der Schönpflug –
Fallota: Was, das is ganz was Andreas! Du ich schick ihr einen Witz – Du, weißt was, ich fang jetzt an ein Tagebuch, da wird alles drin stehn, was ich erlebt hab. Vorgestern vom Mullatschak angefangen. Eine fesche Polin, sag ich dir, aber schon sehr fesch – (macht eine Geste, die auf Fälle weist.)
Beinsteller: Aha, einen Busam – no ja du erlebst was, weißt ich interessier mich mehr für die Bildung. Ich lies viel. Jetzt bin ich bald mit'n Engelhorn fertig. Früher wie ich unten war – da is auch viel mullattiert worn. Bißl Musik, ja. Mir ham jetzt ein Grammophon aus'n Schloß. Da könntest du mir deine Polin leihn, daß sie dazu tanzt.
Fallota: Weißt wer auch schon viel erlebt haben muß heraußt? Der Nowak von die Vierzehner, das war dir immer ein Hauptkerl. Wenn der nicht seine sechzig Schuß täglich am Gwehr angschrieben hat, wird er schiech auf die Eigenen. Der Pühringer hat mir neulich eine Karten gschrieben, also der Nowak sieht dir einen alten serbischen Bauern drüben von der Drina Wasser holen. No weißt, Gefechtspause war grad, sagt er zum Pühringer, du, sagt er, schau dir den dort drüben an, legt dir an, bumsti, hat ihm schon. Ein Mordskerl der Nowak. Schießt alle ab. Er is auch schon eingegeben fürn Kronenorden.
Beinsteller: Klassikaner! Die Friedenspimpfe verstehn so was natürlich nicht. Weißt, neugierig bin ich wie sich der Scharinger herauswuzeln wird aus der blöden Gschicht, hast nix ghört?
Fallota: Weil er sich beim Sturm druckt hat?
Beinsteller: Aber erlaub du mir, da wird man doch nicht einen Berufs –
Fallota: Ah ja soi da war eine Gschicht, er hat den Koch, weil was anbrennt war, in die Schwarmlini –
Beinsteller: Aber nein, wegen an Mantel – weißt denn nicht, er is doch damals einzogen wo vorher der Oberst, der Kratochwila von Schlachtentreu gwohnt hat, no und da hat er halt an Mantel von ihm mitgehn lassen, der dort noch glegen is, nacher wie er wieder weg is. Weißt denn nicht? Also laß dr erzählen. Der Oberst trifft ihm und sieht den Mantel, eingepackt. Der Scharinger redet sich aus, er sagt, er hat geglaubt, es is ein Mantel vom Feind, der ihn aus'n Schloß genommen hat, und er will ihn grad zurückgeben. Ergo dessen – no du kannst dir die Sauerei vorstellen. No wird sich schon herauswuzeln.
Fallota: Ich versteh das nicht – alleweil mit so was. Ich hab bisher noch keine Schererein ghabt mit so was. Wenns Beutestück sind – also dann natürlich! No überhaupt damals! Der Josef FerdinandJoseph Ferdinand – Erzherzog Joseph Ferdinand, österr. Generaloberst, nach schwerer Niederlage 1916 seines Kommandos enthoben, † 1942 selber hat sich a schönes Gspann gnommen und Paramenten, weißt er is halt bekanntlich kunstsinnig du und Schmuckgegenständ und so. Weißt ich hab auch paar feine Sacherln kriegt damals – da hab ich dir gleich einen Spurius gehabt – no und richtig – also du ein Klavier, da muß man schon tulli sagn.
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