Oh Scheiße, hatte ich einen Schlauch im Arm?
Erst jetzt dämmerte mir, dass ich tatsächlich im Krankenhaus lag. „Was ist passiert?“ Meine Stimme war ein dünnes Wispern, das in meiner Kehle kratzte. „Ich weiß es nicht, und das macht mir Sorgen. Du bist umgefallen, wieder einmal, und ich dachte, es wäre klug dich in ein Krankenhaus zu bringen, da ich keine Ahnung hatte, wie ich helfen sollte.“ Sehr schön. Jetzt fiel ich nach einer gewonnen Schlacht also um. Gott sei dank erst danach und nicht mittendrin. Aber warum?
Was brachte meinen Körper dazu, sich ab und an auszuschalten? Ein interner Schalter?
Dürfte ich denn überhaupt noch krank werden, nachdem ich nicht nur Stewards, sondern auch Romans Blut in mir hatte?
„Wie lange war ich weg?“ Roman schmunzelte nahezu menschlich. „Beinah 24 Stunden.“ Oha, einen ganzen Tag? „Die Ärzte haben schon einige Tests gemacht, aber sie finden nichts. Laut deren Aussage bist du kerngesund, was ich sogar glaube. Du hast mein Blut in dir, du dürftest gar nicht krank werden.“ Sag ich doch! „Die Ärzte meinen, es könnte am Stress liegen. Oder dass du momentan einiges durchzumachen hast, was dir an die Nieren geht. Ich gebe es dir exakt so weiter, wie die Ärzte es mir gesagt haben.“ Normalerweise dürften sie ihm gar keine Auskunft erteilen. Pfff... als ob Roman um Erlaubnis fragte!
Sein wissendes Grinsen bestätigte mir, dass ich sowohl richtig vermutete als auch, dass er meine Gedanken las. „Du wirst noch einen Tag hierbleiben. Nur zur Beobachtung.“
Ganz. Sicher. Nicht.
Ich war so lange in einem dieser Zimmer gewesen, dass ich es nicht länger als nötig aushielt. „Nein. Ich will nach Hause.“ Roman legte den Kopf schief. „Sie können dich nicht aufhalten. Aber sie werden jemanden bitten, sich um dich zu kümmern.“ Ich könnte zu meinen Eltern fahren. Doch ich wollte nicht, dass sie sich zu sehr um mich sorgten.
Seufzend schloss ich die Augen.
Meine Brüder vielleicht? Die hatten genug mit sich selbst zu tun.
Chris? Besser nicht.
Bei Claudia wollte ich nicht als Notfall ins idyllische Familienleben platzen. Trudi?
„Wenn du willst, kann ich für dich sorgen.“ Würde Roman nicht so ernst dreinblicken, würde ich es glattweg für einen Scherz halten. Er war viel zu beschäftigt. Und ich war mir ganz und gar nicht sicher, ob es gut wäre, weiterhin in seiner Nähe zu sein. Ich kam auf die verruchtesten, glibberflutschigsten Gedanken, wenn wir uns zu nah waren. „Du?“ Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. „Ist der Gedanke derart abwegig für dich?“ Ähm, abwegig nicht, aber gefährlich. Obendrein saukomisch.
„Tja, du hast nur zwei Optionen. Die erste“, Roman hielt einen Finger in die Luft, „du bleibst hier. Und die zweite…“, er streckte einen zweiten in die Höhe und beugte sich zu meinem Ohr, wobei sein Atem mich kitzelte, „…du findest dich damit ab, dass ich auf dich aufpasse.“ Als ob ich einen Babysitter bräuchte! Doch hierbleiben wollte ich auch nicht. „Setzt du dir ein weißes Mützchen auf und trägst einen Schwesternkittel?“ Roman lächelte. „Willst du das denn?“
Jaha, das würde ich zu gern sehen wollen.
„Keine Chance.“ Dachte ich mir schon. „Ich werde Bescheid geben, dass sie deine Entlassungspapiere fertig machen. Denkst du, du kannst dich allein anziehen?“ Glaubte ich nicht. Ich wusste nicht mal, wo meine Sachen waren. „Macht nichts. Ich regle das gleich, du wartest hier.“ Lustig. Als ob ich wegrennen könnte. Aber was meinte er mit regeln? Wollte er mich anziehen?
Du meine Güte!
Ich trug einen dieser blöden Kittel, die hinten offen standen. Langsam tastete ich mich unter der Bettdecke vorwärts. Ha! Noch schlimmer. Ich trug nur diesen hässlichen, weiß-blauen Umhang. Ok, Sam. Bewege deinen Arsch aus dem Bett und versuche wenigstens, in dein Höschen zu steigen. Bevor Roman wieder da ist. Ja, genau. Besagtes Höschen musste ich erst noch finden.
So, wie ich zitterte und heftig atmete, als Roman wieder ins Zimmer kam, musste dieser annehmen, ich hätte in der Zwischenzeit den Mount Everest bestiegen. Oder mir einen Orgasmus verschafft. Dabei hatte ich es nur mit Mühe und Not geschafft in meinen Slip zu steigen und diesen – ohne vorzeitig ins Bett zurückzufallen – über meinen Hintern zu ziehen. Roman verengte seine Augen zu schmalen Schlitzen. Sagte aber nichts. „Es ist alles bereit. Wir können aufbrechen.“ Ohne Vorwarnung zog er mich auf die Füße, umfasste meine Schultern, drückte mich an sich. Im nächsten Moment waren wir in Romans Haus – und ich trug meine Klamotten. Wie um alles in der Welt hatte er das hinbekommen?
Ah ja, Vampire und ihre Fähigkeiten.
„Fühl dich wie zuhause, Sam. Wenn du etwas brauchst, musst du nur rufen.“ Ein schlanker Mann Ende Vierzig, mit dichtem schwarzen Haar erschien so leise, dass ich zusammenzuckte. Er begrüßte Roman ehrfürchtig. Mit einer tiefen Verbeugung, die beinah aussah, als würde er seine Knie küssen. Roman gab dem Angestellten diverse Anweisungen, die allesamt mein Wohlbefinden betrafen. „Verzichte bitte auf ein Bad oder eine Dusche. Wenigstens heute, sonst werde ich dir dabei Gesellschaft leisten müssen. Oder Edgar.“ Oh… er würde nackt… mit mir… unter der Dusche stehen? Oder in der Wanne sitzen? Njamm! Also Roman… nicht Edgar. Nun, wenn er das anbot, hieß das, er hatte keine weiblichen Angestellten.
Oder es lag in seiner Absicht, mich zu verunsichern.
Zugegeben: Dieses Haus kannte ich bisher nur von außen. Ich versuchte, mich zu erinnern, ob ich in dem anderen je eine Frau bemerkt hatte. Hm … gesehen hatte ich keine. Das hieß jedoch nicht, dass er keine in seinem Schlafgemach versteckte.
Noch immer hielt Roman mich fest an sich gedrückt. Wahrscheinlich wusste er, dass ich sonst zusammenklappen und den Boden aus nächster Nähe betrachten würde. „Willst du dich lieber setzen?“ Ich nickte; froh, dass Roman mich langsam auf die Couch sinken ließ.
Nur eine Minute später läutete es.
Edgar vermeldete kurz darauf Besuch. Solchen, dem ich auf gar keinen Fall unter die Augen treten wollte. Jegliche Farbe verließ mein Gesicht. Mein Herz begann abrupt eine Rallye gewinnen zu wollen – war bestimmt ungesund. Eigentlich wollte ich Alan die Meinung geigen. Ihm in den Arsch treten.
Doch im Moment war ich dafür kaum in der Verfassung.
Gleich recht nicht für seine verbalen Attacken, die definitiv kämen.
„Ich kann ihn wegschicken, wenn du willst.“ Warum sollte er das tun? Alan war sein Freund, oder nicht?
Irgendwie.
Immer noch.
Glaubte ich.
Mein Stirnrunzeln begleitete ein zaghaftes Kopfschütteln. Alan und ich waren lang genug getrennt. Doch nach wie vor bereitete es mir kein Vergnügen ihn zu sehen. Selbst wenn mein Herz in Romans Nähe oft genug ein wenig schneller schlug – es schlug nicht so schnell wie in Alans.
„Nein, musst du nicht. Wenn du mich nur in ein anderes Zimmer bringen …“ Ich musste nicht aussprechen, was ich fühlte. Erneut zog mich Roman in seine Arme und zappte uns in eins der fürstlichen Gästezimmer. „Ich schicke Edgar gleich zu dir. Sag ihm, was du essen möchtest und rufe nach ihm, wenn du etwas anderes brauchst. Einfach das Telefon dort nehmen und die eins drücken.“ Ich nickte und wollte mich bedanken, aber da war er schon verschwunden.
Edgar kam tatsächlich fast im selben Moment, doch ich hatte keinen Appetit. Er versicherte mir, ich bräuchte nur zu rufen und er käme sofort zu mir geeilt. Dankbar, dass er mich allein ließ, fiel ich zurück aufs Bett und starrte Gedanken verloren an die Decke.
Ich machte mir nichts vor. Alan war unten bei Roman, und ich konnte davon ausgehen, dass es ihm überhaupt nichts ausmachte, wenn er mich sah. Ich hingegen hätte einen Kloß im Hals gehabt und wäre todsicher in Tränen ausgebrochen. Zumindest fühlte ich mich so. Wieso hatte ich mich auch in ihn verlieben müssen? Verdammt, hätte Roman sich nicht eingemischt…
Читать дальше