Cornelia Nolte - Big Brother 5.0
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Cornelia Nolte
Big Brother 5.0
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Inhaltsverzeichnis
Titel Cornelia Nolte Big Brother 5.0 Dieses ebook wurde erstellt bei
Prolog
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Epilog
Impressum neobooks
Prolog
„Jeder Mensch möchte gerne ein Held sein, der für seine Taten gefeiert wird. Aber nicht alle haben die Gelegenheit dazu. Ich schon, und meine Gelegenheit war jetzt. Nur das mit dem Feiern ist so eine Sache...“
Das Leben hätte so schön sein können. Mit 34 Jahren führte ich einen angenehmen Lebensstil und konnte mich in keinster Weise beklagen. Ich zählte mich zur Mittelschicht und mein geregeltes Einkommen als Wissenschaftler an der Universität erlaubte mir ein bisschen Luxus in Form von Reisen, einer für einen Single großzügigen Wohnung in guter Großstadt-Lage und Kontakte rund um den Globus zu pflegen.
Bis ich dann vor zwei Jahren den Unfall hatte. Ein Fahranfänger hatte mich beim Abbiegen übersehen und einfach umgefahren. Wer erwartet auch einen Radfahrer mitten in der Stadt? Mein Helm – und ich war so froh, dass ich immer einen trug, auch wenn das die Frisur ruinierte und nicht gerade sexy war – verhinderte zwar Schlimmeres. Aber trotzdem kam ich so unglücklich auf dem Bordstein auf, dass meine Schädelplatte in Stücke brach und mein Kopf quasi nur noch von den Resten des Helms in Form gehalten wurde. Abgesehen von der gebrochenen Schulter, den Prellungen am Bein und dem verdrehten Knöchel, was allerdings vernachlässigbar war.
Eigentlich war es nicht sein Fehler. Die Kamera seines autonomen Autos hatte meinen Fahrweg wegen meiner Geschwindigkeit und der „nicht gradlinigen“ Fahrweise nicht richtig berechnet. Zwar wurde der Bremsvorgang noch eingeleitet, aber das Auto kam nicht rechtzeitig zum Halten. Vielleicht hätte der Fahrer noch ausweichen können, wenn er sich nicht zu sehr auf die Automatik verlassen hätte. Aber selbst wenn er aufmerksamer am Verkehr teilgenommen hätte, wäre er mit der Situation vermutlich überfordert gewesen. Die jungen Leute heutzutage lernen ja nicht mehr, manuell Auto zu fahren. Ein Jammer.
Jedenfalls stand der Pechvogel offensichtlich mehr unter Schock als ich, wobei ich mich nicht mehr an viel erinnere. Ich sehe die Ereignisse eher in verschwommenen Bildern; die Menschen, die auf mich zustürzten, Dinge sprachen und wahrscheinlich auch versuchten zu helfen. Ich fühle und höre nichts, wenn ich an diesen Moment zurückdenke. In Anbetracht der Schmerzen, die ich gehabt haben musste, war das mit Sicherheit besser so.
Den Krankenwagen hat bestimmt das im Auto eingebaute Unfall-Melde-System gerufen. Mit GPS und Außenkamera-Bildübermittlung durch die permanente Funkverbindung war das ja kein Problem. Von den anwesenden Passanten hätte ich das auch nicht mehr erwartet. Die waren viel zu aufgeregt; der erste schwerere Unfall seit Langem ist nun einmal eine Sensation. Ein Wunder, dass das Auto nicht gleich die Presse mitinformiert. Wobei die Reporter noch nicht vor Ort gewesen wären, als schon die ersten Fotos auf Facebook hochgeladen wurden. Da lohnt sich die Anreise kaum noch.
Später wurde mir dann vor Gericht Schmerzensgeld zugesprochen und die Versicherung des Unfallfahrers übernahm den Schadensfall. Dabei kam mir zugute, dass die Gesetzgebung zu diesen Zeitpunkt noch nicht auf die neue Sachlage eingestellt war. Denn trotz der selbstständig fahrenden Autos lag die Verantwortung für das Auto und die Sicherheit im Straßenverkehr noch beim Fahrer, auch wenn dieser tatsächlich nicht mehr in den Verkehr eingriff. In meinem Fall hätte sich der Fahrer also wie früher vergewissern müssen, dass der Weg frei war, bevor er abbog. Das waren noch Zeiten! Heute hätte ich beweisen müssen, dass ich mit meiner vorausschauenden Fahrweise eine zuverlässige Berechnung des Fahrtweges durch die autonomen Verkehrsmittel gewährleistet hatte und daher keine Verkehrsgefährdung darstellte, um nicht selbst die Schuld zugewiesen zu bekommen. Was ich nicht gekonnt hätte, denn das widerspricht meiner Meinung nach dem Grund, weswegen man das Fahrrad noch dem Auto vorzieht.
Außerdem hatte ich Glück, dass bei meinen Gesundheitswerten nichts gegen eine Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse sprach. Immerhin zahlte sich so die Investition in diverse Fitnessprogramme aus. Die ganze Schinderei mit regelmäßigem Sport verlangte mir ein penibles Zeitmanagement ab, aber dadurch behielt ich trotz Bürojob eine durchschnittlich athletische Figur mit Cholesterin-Werten im grünen Bereich, einem akzeptablen Verhältnis von Muskel- zu Fettmasse und genug Ausdauer im EKG-Belastungstest.
Mit den gesammelten Daten meines Gesundheits-Trackers, den ich u.a. immer für meine Jogging-Runden im Einsatz hatte, konnte ich meinen verantwortungsvollen Umgang mit meiner Gesundheit nachweisen. Ich hielt mich an einen ausgewogenen Spannungsbogen zwischen Aufwärmphase, mäßiger und höchster Belastung im empfohlenen Wechsel und einem Auslaufen vor dem Dehnen, alles perfekt zugeschnitten auf meine Körpergröße und mein Gewicht. Zusätzlich zur gesunden Ernährung, versteht sich. Daneben hatte ich Pluspunkte als Nichtraucher und wegen meines unterdurchschnittlichen Alkoholkonsums. Mein Arzt bescheinigte mir außerdem gute Gene, wodurch die Genesungschancen und vor allem die vollständige Wiederherstellung meiner Arbeitskraft eine günstige Beurteilung erfuhren.
Ich will gar nicht daran denken, wie es ausgegangen wäre, wenn ich mich an den Kosten hätte beteiligen müssen, weil ich mich nicht gut genug um meine Gesundheit bemüht hätte oder die Erfolgsaussichten einer Wiedereingliederung in den Berufsalltag nicht hoch gewesen wären. Und nicht zu vergessen: wie ich die Reha-Maßnahmen hätte überstehen können, wäre ich nicht vorher schon einigermaßen sportlich gewesen.
Als ich nach qualvollen Monaten harten Physiotrainings und speziell zusammengestellter, nicht gerade leckerer Aufbaukost mühsam zu meinem alten Lebensstandard zurückfand, wollte ich natürlich dort weitermachen, wo ich aufgehört hatte. Schließlich war ich physisch geheilt und wieder ausreichend fit. Außer der dünnen Metallplatte, die meine Schädeldecke stabilisierte, war ich ganz der alte, so dass im Grunde nichts dagegen sprach.
Dachte ich.
1
Während ich wieder einmal über jenen schicksalhaften Tag in meiner Vergangenheit sinnierte, wartete ich in der Schlange an der Supermarktkasse. Das war inzwischen äußerst ungewöhnlich, da man üblicherweise per Funk die Waren scannte und bargeldlos bezahlte. Wahrscheinlich hatte irgendwer nicht mehr genügend Guthaben auf seinem Chip oder kein Smartphone dabei, so dass eine echte Kassiererin in Aktion treten musste.
Ich seufzte und sah auf meine Uhr. 19:20 Uhr. Keine neuen Mails. Mittwoch, 17.03., mit einer Regenwahrscheinlichkeit von 45% bei aktuellen 12 Grad Celsius und bewölktem Himmel. Durch die Warterei wechselte meine Herzfrequenz in den gelben Bereich, weshalb die Wetterinformationen zugunsten einer entsprechenden Warnmeldung ausgeblendet wurden. Da ich mich nicht im Fitness-Modus befand, registrierte das System meine erhöhten Werte als alarmierend. Mich beunruhigte das aber keineswegs, denn ich hasste unnötiges Warten und führte meine gesteigerte Herzfrequenz auf meine Ungeduld zurück.
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