„Und? Wie furchtbar wird die Hochzeit?“
„Noch furchtbarer“, seufzte ich. „Aber ich hab schon die Ringe besorgt. Mensch, jetzt hab ich vergessen, sie Cora zu zeigen, aber die hat sich so schnell davongemacht – na, vielleicht besser so.“ Ich kramte in meiner Tasche. „Hier, schau mal!“
Anette lachte schallend. „Scharfe Teile. Vor allem der für die Braut... So was Hässliches hab ich noch nie gesehen, Carla kippt vor dem Altar um. Wer muss die den beiden präsentieren?“ Ich lehnte mich wieder in die Kissen. „Keine Ahnung. Vielleicht der Trauzeuge von Paul. Das ist irgendein väterlicher Freund von ihm, sein ehemaliger Tutor oder so was. Ich kenn den nicht.“
„Was ist Paul eigentlich für einer, beruflich, meine ich?“
Ich dachte nach. So gut kannte ich ihn gar nicht. Carla lieh sich zwar gerne meine Freunde aus, aber eigentlich hatten wir getrennte Bekanntenkreise.
„Jurist? Ja, Jurist, stimmt. Er hat den Ehevertrag bei einem Kollegen machen lassen. Mensch, hoffentlich ist der nicht ziemlich einseitig!“
„Wenn schon. Wie oft heben die Gerichte sittenwidrige Eheverträge auf! Das ist doch eh ein Glücksspiel. Jurist, soso. Ich mag Juristen nicht so sehr.“
„Ich auch nicht“, stimmte ich heuchlerisch zu und dachte an den einen Juristen, an den ich doch eigentlich nicht mehr denken wollte. Leichter gesagt als getan! „Gehört sich für BWLer ja auch so. Wenn man sich vom ersten Semester an mit diesem arroganten Gesocks um den Großen Hörsaal prügeln muss...“
Gut, dass ich nie jemandem von Rosen erzählt hatte – wahrscheinlich, weil es mir selbst vor meinen Freundinnen zu peinlich war, diesen so uncharmanten Kerl anzuschmachten wie eine Zwölfjährige einen Popstar! „Glaubst du, dieser Andi taucht noch mal bei dir auf?“, versuchte ich von der Juristenfrage abzulenken.
Anette zuckte die Achseln. „Kommt drauf an, ob er es mit der Steter-Tropfen-Taktik hält. Das Geld hätte er schon gerne, und dass ich ihm keine seiner blöden Ausreden geglaubt habe, damit findet er sich so schnell nicht ab. Doch, ich glaube, der steht in drei Tagen wieder auf der Matte, mit einer neuen Geschichte und seinem altbewährten Schmalzblick.“
„Hält der dich für doof?“, empörte ich mich.
Anette lachte etwas bitter. „Der hält alle Frauen für doof, hast du das damals nicht gemerkt? Wenn er mit einer neuen Ausrede daher kommt, glaubt er, ich hätte alle alten vergessen und würde die Widersprüche nicht bemerken. Schließlich schulden ihm die Weiber sein Auskommen.“
„Wir sollten ihm was antun“, fand ich. „Der Kerl gehört doch hinter Gitter!“
„So blöd ist er leider auch wieder nicht. Gut, wenn ich ihm Geld gäbe und er würde es undurchsichtig investieren... nein, das ist doch nicht mal Heiratsschwindel. Dämliches Finanzgebaren alleine ist noch nicht strafbar, und bloß, um ihn in den Bau zu kriegen, will ich weder das Haus riskieren noch Gott behüte ihn heiraten.“
„Ja, stell dir vor, wir wollen ihn zum Heiratsschwindel verleiten und er heiratet dich wirklich. Dann musst du dich bloß wieder teuer scheiden lassen.“
„Und Ich hab gedacht, das ist bloß ein Schwindel, ich wollte ihn gar nicht wirklich heiraten ist auch ein ziemlich bescheuerter Scheidungsgrund“, stimmte Anette zu. Wir seufzten einträchtig.
„Der reitet sich schon selber in die Scheiße“, hoffte ich schließlich.
Ich hatte genug anderes zu tun, auch ohne Andi reinzulegen. Gut, wenn sich eine unwiderstehliche Gelegenheit ergeben sollte...
„Genau. Sag mal, wie wär´s, wenn mir morgen alle vier ins Fabrizio gehen? Silke hat vorhin angerufen, sie hat Zeit. Und Nina muss sicher auch mal raus. Einen richtigen Weiberratsch haben wir lange nicht mehr gehabt.“
Die Idee gefiel mir – Pizza, Cocktails und Ablästern über die Brautjungfernkleider, die ganze bescheuerte Hochzeit und doofe Männer. Komisch – es musste doch auch vernünftige geben, aber alle Frauen, die ich kannte, hatten entweder gar keinen oder einen, über den sie jammern mussten. Gut, fast alle. Silke und Carla waren im Moment anscheinend sehr zufrieden.
Ich trug Anette diese Theorie vor. Sie lachte. „Ob Carla zufrieden ist, wissen wir doch gar nicht – glaubst du, sie würde diese Monsterhochzeit canceln, bloß weil Paul doch nicht Mr. Right ist?“
„Nie im Leben. Das Ereignis hat sich völlig verselbständigt. Ums Heiraten geht es nur noch in zweiter Linie, in erster muss dieser Scheißfilm nachgespielt werden.“
„Sollte Paul ausfallen, würde sie auch einen anderen heiraten, wenn er gerade zur Verfügung steht.“
„Oder einen Statisten engagieren.“
In deutlich besserer Stimmung fuhr ich nach Hause, fest entschlossen, die Wohnung zu entstauben und morgen einen schönen langen Spaziergang zu machen, um genügend Fett zu verbrennen, dass ich mir eine Pizza Inferno leisten konnte. Normalerweise interessierte ich mich nicht besonders für mein Gewicht (Ausnahme: erste Anprobe der Vorjahresbikinis im Frühjahr!), aber wenn ich nachher nicht in das apricotfarbene Scheusal passte, würde Carla endgültig durchdrehen.
Also musste ich mir die Pizza erst verdienen. Es hieß zwar, scharf Gewürztes mache weniger dick, weil das Essen so anstrengend war und den Kreislauf hochjagte, aber das konnte genauso eins der zahlreichen Märchen sein, die sich um das unerschöpfliche Thema Abnehmen rankten – nur Kohlenhydrate, nur Fett, Trennkost, nie nach achtzehn Uhr essen, fünfmal am Tag Obst, nur langsames Joggen verbrennt Fett... Damit hielt man die Frauenköpfe beschäftigt, damit sie nicht darüber nachdachten, warum immer sie ihre Karriere durch Kinder ruinierten und warum ein Mann bei gleicher Arbeit immer noch mehr verdiente als eine Frau. Männer machen Karriere – Frauen machen Diät . Uralt, aber leider immer noch wahr. Na, mir würde das nicht passieren! Kein Mann, keine Kinder.
So gesehen, war es eigentlich gar nicht so blöd, dass ich in Rosen verliebt war, denn daraus würde nie etwas werden. Und wenn ich es schaffte, auf ihn fixiert zu bleiben, bis ich fürs Kinderkriegen zu alt war, wäre ich aus dem Schneider. Noch acht Jahre, danach konnte ich immerhin behaupten, ich hätte zu viel Angst vor genetischen Schäden. Wem gegenüber denn behaupten? Niemand nervte mich besonders mit der biologischen Uhr, nicht einmal Mama. Carla würde sie bis dahin außerdem genug ablenken. Und Cora war auch noch da, die mochte kleine Kinder und wollte „später mal“ auch selbst welche. Ich konnte also machen, was ich wollte.
Am Samstagmorgen sah ich mich missvergnügt in meiner Wohnung um – staubig, fleckig und voller Krempel. Gestern Abend hatte ich absolut keine Lust auf Haushalt mehr gehabt und mich mit der Überlegung beruhigt, dass ich als viel beschäftigte Karrierefrau ja wohl etwas Erholung verdient hatte.
Also musste ich jetzt ran. Nur Einkaufen musste – konnte? – ich nicht, denn die Läden hatten zu. Lustlos wischte ich Staub, verräumte den herumstehenden Kram – teils in die Schränke, teils in den Müllsack, bügelte, was gewaschen herumhing, saugte die Wohnung durch und schleifte den Müllsack in den Hof.
Immerhin, jetzt sah es wenigstens akzeptabel bei mir aus. Klare Linien, leere Flächen, große Fenster – äh. Wann hatte ich die denn das letzte Mal geputzt? Im Oktober? Der Blick nach draußen war eindeutig getrübt durch einen Weichzeichner aus Regenspuren und Winterdreck. Nein, heute putzte ich nicht die Fenster, ich brauchte dringend Erholung vor dieser entsetzlichen Hochzeit. Im Juni würde ich die Fenster – vielleicht... und den Balkon. Immerhin schaffte ich es, die verdorrten Geranien vom letzten Jahr wegzuwerfen und den Dreck unauffällig in den Hof zu fegen. Schon besser. Für heute reichte das, ich konnte mich umsehen, ohne dass mir schlecht wurde, das Bett war frisch bezogen, im Bad hingen saubere Handtücher, und ich hatte genug gebügelte Klamotten im Schrank. Und Hunger.
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