"So, hast du das", sagte sie sarkastisch. "Sag doch gleich direkt heraus, dass du mich verkauft hast. Verkauft an einen wohlhabenden Ehemann", fauchte sie zornig und erhob sich geschwind. Der Graf ließ sich dadurch nicht beirren. Er hatte mit so einer Reaktion gerechnet.
"Setz dich wieder hin, Mathilda! Ich bin noch nicht fertig", sagte er laut und in einem Ton, der keine Widerrede zuließ. Mathilda ließ sich zurück auf den harten Holzstuhl fallen. Sie zitterte an den Händen, die sie, um dies nicht zu zeigen, zusammenballte und in ihr Kleid drückte.
Innerlich war ihrem Vater ganz anders zumute, auch wenn er nach außen hin die Ruhe bewahrte. Er fürchtete, Mathilda so zu verärgern, dass ihr gutes Verhältnis, das sie immer zueinander hatten, auseinanderbrechen würde.
"Ich würde es nicht ganz so ausdrücken, wie du es gerade formuliert hast, aber ja. Ich habe eine Heirat für dich arrangiert. Es ist an der Zeit, dass du eine eigene Familie gründest. Ich habe dir lange genug Zeit gelassen, dich mit diesem Gedanken anzufreunden, Mathilda. Bisher hast du jedes Angebot diesbezüglich ausgeschlagen. Doch nun ist Schluss. Diese Heirat ist wichtig für dich..."
"Wichtig! Wichtig für wen, Vater? Wirklich für mich- oder für dich und deine Geldkatze?"
"Für beides, mein Kind! Es ist an der Zeit, dass du das Leben lebst, das Dir vorherbestimmt ist. So wie es sein soll, Mathilda. Durch diese Heirat, Mathilda, werden die Helfensteiner wieder hohes Ansehen am Hofe erhalten und mit ein wenig Geschick und Glück werden wir unsere alte Grafschaft zurückerhalten können. Etwas, was ich der Herzogin, deiner Oma, einst geschworen habe, als Ulm uns so schamlos betrogen hat, und was jeder kommende Helfensteiner anstreben wird. Aber mit deiner Hilfe, Mathilda, ist das vielleicht gar nicht notwendig, weil wir es in wenigen Jahren Wirklichkeit werden lassen können. Mit dieser Vermählung."
"Du meinst damit wohl, mit dem Geldbeutel meines Gemahls, den du für mich ausgesucht hast und den ich noch nicht einmal kenne!", verbesserte sie ihn spöttisch. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Er hatte es noch nicht einmal für notwendig gehalten, ihr zu sagen, wer dieser Gemahl sein würde... das war doch alles ein schlechter Scherz, oder?
"Und was erwartest du jetzt von mir, Vater? Dass ich das alles so schlucke und ohne Widerspruch hinnehme? Dass ich freudig aufspringe und dir für deine Güte um den Hals falle? Dass ich mit Freuden heirate, um die Grafschaft zu retten?" Mathilda machte ein verächtliches Geräusch.
"Ja, genau das erwarte ich von dir, Tochter. Es ist bereits alles geregelt. Du wirst in fünf Monaten zu deinem Gemahl aufbrechen. Ich erwarte von dir, dass du ihn so begrüßt, wie es ihm zusteht, in allen Ehren und demütig, wie es sich für eine Frau deines Standes gehört." Ein strenger Blick fiel auf das Mädchen. Doch Mathilda dachte gar nicht daran, klein beizugeben, geschweige denn, sich zu fügen.
"Wer? Und wohin?", fragte sie trotzig und verschränkte die Arme vor der Brust ineinander. Ihr Blick war eisig, was Friedrich erschauern ließ.
"Der Gran Principe Horche Baristadina Jerez de la Frontera." Mathildas Miene entgleiste.
Der Name sagte ihr rein gar nichts. Aber er klang kompliziert und vor allem ausländisch. Daher sagte sie schlicht:
"Nein."
Friedrich von Helfenstein zog eine Augenbraue hoch.
"Nein? Ich glaube aber doch. Du wirst dich fügen, Töchterlein das ist eine einmalige Chance. Und Spanien ist nicht das Schlechteste, was einem passieren kann, Mathilda."
"Es ist heiß da. Also: Nein. Niemals. Ich gehe nicht nach Spanien, auf gar keinen verdammten Fall!"
Dem Helfensteiner wurde es langsam zu bunt, nicht nur, dass sie sich weigerte, seiner Entscheidung Folge zu leisten, nein, jetzt packte sie auch noch eine Wortwahl aus, die ihrer Position überhaupt nicht entsprach.
"Du sollst nicht fluchen, Mathilda!", wies er sie zurecht.
"Und ob ich fluche, wann, wo und wie ich es will, Vater! Ich habe alles Recht zu fluchen, wenn ich vor vollendete Tatsachen gestellt werde und irgendwo in ein weit entferntes Land ziehen soll zu jemandem, den ich noch nie gesehen habe! Den ich wahrscheinlich noch nicht mal leiden kann! Das ist einfach ungerecht, Vater!", brauste sie erbost auf und erhob sich wieder. Dieses Mal würde sie sich nicht wieder hinsetzen.
"Ich werde nicht gehen! Niemals! Eher wähle ich die Armut und Einsamkeit im Kloster oder den Tod, anstatt mich der Qual zu fügen, die du und Mutter für mich vorgesehen habt! Wenn ich einmal heirate, dann nicht aufgrund von Politik!", redete sie sich in Rage und fauchte ihren Vater zornig an.
Wollte sie es nicht verstehen, oder konnte sie es einfach nicht, fragte sich Friedrich. Es war doch gar nicht so schlimm zu heiraten. In ihren Kreisen war es einfach gang und gäbe, aus politischen Gründen zu heiraten statt aus Liebe.
"Eine Liebesheirat? Dass ich nicht lache. Du wirst den Gran Príncipe ehelichen. Die Liebe kommt danach."
"Blödes Geschwätz!"
"Mathilda, du vergisst dich!
Beruhige dich erst einmal, so schlimm ist das alles nicht, wenn du einen Moment darüber in Ruhe nachdenkst, wirst du einsehen, dass es das Beste ist, was...“, doch den Satz konnte der Graf nicht mehr beenden. Mathilda fiel ihm einfach ins Wort. Tränen liefen ihr nun die Wangen hinunter.
"Ich hasse dich! Ich will dich nie mehr sehen!", schimpfte sie, drehte sich auf dem Absatz um und stürmte schluchzend zur Tür hinaus. Friedrich sah seiner Tochter bestürzt hinterher. Dass seine Tochter heftig auf diese Nachricht reagieren würde, damit war zu rechnen gewesen. Aber so hatte er sich den Ausgang des Gesprächs ganz und gar nicht vorgestellt.
“Komm sofort zurück!“, donnerte er ihr hinterher, doch Mathilda tat ihm den Gefallen nicht. Er stand auf und schickte sich an, seiner Tochter zu folgen. Doch bevor er sein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte, betrat seine hochschwangere Frau Agnes das Zimmer und versperrte ihm den Weg.
"Du hast es ihr also gesagt?"
Der Graf nickte nur, immer noch enttäuscht, dass Mathilda seinen Standpunkt offenbar nicht verstanden hatte. Die Gräfin hielt ihm einen Becher mit Rotwein hin. Wenn ihr Mann schwierige Gespräche hinter sich hatte, sei es mit Bediensteten oder auch mit höher gestellten Herrschaften, dann genehmigte er sich immer einen kleinen Schluck zur Beruhigung der Nerven hinterher. Er nahm den Becher dankbar entgegen.
"Gut. Und wie hat sie es aufgenommen?"
"Sie hat lauthals geschimpft und ist einfach hinausgelaufen."
Die Gräfin nickte und Friedrich trank einen Schluck.
"Also nicht allzu gut", stellte Agnes bedauernd fest. Ihr Mann bestätigte diese Annahme.
"Offensichtlich." Der zweite Schluck machte sich auf den Weg in Friedrichs Magen.
"Nun ja, Das war zu erwarten. Sie wird sich schon wieder beruhigen." Dabei legte sie ihrem Ehemann beruhigend die Hand auf den Arm, der sie nur kurz ansah, nicht überzeugt nickte und einen dritten Schluck nahm.
"Dein Wort in Gottes Ohr, Agnes, dein Wort in Gottes Ohr", seufzte er und ging gemeinsam mit seiner Frau in Richtung der oberen Räume. Etwas plagte ihn, aber er konnte es nicht genau benennen. Noch nicht jedenfalls.
Auf der Treppe angekommen, fiel es Friedrich siedend heiß ein, was ihn so beunruhigte! Er ergriff seine Frau an den Oberarmen und fragte eindringlich:
"Ist sie nach oben gelaufen, Agnes?"
"Wer, Mathilda?" Agnes überlegte kurz. "Nein, als ich die Treppe herunter kam, habe ich sie nicht gesehen. Also muss sie nach draußen gelaufen sein", beantwortete Agnes die Frage des Grafen, unangenehm im Griff des Grafen, dessen Augen aufblitzten und nach unten zum Ausgang huschten.
"Das ist nicht gut...“, brachte er noch hervor und ließ seine Frau wieder los. In dem Moment drang tumultartiges Geschrei von draußen an die Ohren des Grafenpaares. Friedrich schloss für einen kurzen Moment die Augen. Mathilda...
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