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Alberic hatte dieFüße auf einen Schemel gelegt und lauschte der Musik. Seine Freunde saßen mit ihm am Tisch in der großen Halle und lachten über zotige Sprüche, die sie vom Besten gaben. Es war eine Menge Ale geflossen und die Stimmung war ausgelassen. Eine Magd mit prallem Hintern und vollen Brüsten stellte einen neuen Krug vor ihm hin. Alberic ergriff die Magd bei den Hüften und zog sie auf seinen Schoß.
„Nicht doch, mein Herr“, rief die Magd und kicherte, als er ihren Hals mit Küssen bedeckte.
„Spiel nicht die holde Jungfrau, Betty“, knurrte er und griff in ihren Ausschnitt.
„Hey Alberic. Lass noch was übrig von der Kleinen. Deine Freunde sind einsam“, rief Ruben, sein bester Mann.
„Wo sind die anderen Mädchen?“, fragte Alberic eine vorbeilaufende Magd. „Wir könnten hier noch ein paar gebrauchen.“
„Ich werde mich darum kümmern, Herr“, versprach die Magd und eilte davon.
„Auf den besten Gastgeber und zukünftigen Bräutigam!“, rief Tassilo, Alberics Hauptmann und bester Freund, und erhob seinen Krug.
Die anderen Männer stimmten mit ein und sie tranken in langen Zügen, ehe sie die Krüge polternd auf dem Tisch wieder abstellten.
Alberic hatte schon deutlich mehr als einen Krug zu viel, doch das war ihm egal. Morgen sollte er dieses farblose Kind heiraten. Sie war gerade erst sechzehn. Was sollte er mit so einem Mädchen anfangen? Er bevorzugte reifere Frauen, die wussten, wie sie einen Mann zufriedenstellen konnten. Und vor allem solche, die bereit waren, seine ungewöhnlichen Gelüste zu befriedigen.
Es war nicht seine Idee gewesen wieder zu heiraten. Doch wer stellte sich schon gegen seinen König? Würde er eben dieses Kind heiraten und sie zurück auf ihre Festung schicken. Dann konnte er wieder machen, was er wollte. Und bis dahin würde er sich hier noch ein wenig amüsieren.
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Gisela konnte nichtschlafen. Sie warf sich eine Weile unruhig auf dem Lager hin und her, dann gab sie es auf und schwang die Beine aus dem Bett. Sie würde sehen, ob sie in der Küche einen Becher Milch bekommen konnte. Sicher schlief schon alles. Sie nahm ihren Umhang und legte ihn über, dann verließ sie ihr Zimmer.
Auf dem Gang hallten ihr Gelächter und Musik entgegen. Offenbar hatte sie sich getäuscht in der Annahme, dass alle schon schlafen würden. Sie wollte schon wieder in ihr Zimmer zurückgehen, als sie doch die Neugier packte. Leise schlich sie den Gang entlang bis zur Treppe, die in die Halle hinabführte. Sie hielt den Atem an. Das Bild das sich ihr bot, war ungeheuerlich. Ihr Zukünftiger saß dort unten mit seinen Freunden und feierte eine Orgie. Jeder Mann, ihr Zukünftiger eingeschlossen, hatte eine halbnackte Magd auf den Knien. Sie lachten und erzählten sich schmutzige Geschichten, dazu floss der Alkohol offensichtlich in Strömen. Es war widerwärtig. Empört wandte sie sich um, doch sie stolperte in ihre Hast und warf einen Eimer um, der achtlos mitten im Weg stehengelassen worden war. Das laute Geräusch des scheppernden Eimers sorgte für plötzlich Stille in der Halle. Gisela rappelte sich unbeholfen auf und ihr Blick glitt zurück zur Halle. Alle Augen waren auf sie gerichtet und auch ihr zukünftiger Gatte starrte sie direkt an. Dann verzog sich sein Gesicht zu einem Grinsen.
„Ah. Meine Zukünftige. Willst du dich ein wenig mit uns vergnügen, meine Liebe?“, rief er und seine Freunde und die Mägde lachten.
Gisela errötete aus Scham und Wut. Sie ergriff ihren Mantel, zog ihn fester um ihre Gestalt, dann wandte sie sich ab und floh zurück in ihr Zimmer. Das laute Gelächter aus der Halle verfolgte sie. Mit klopfendem Herzen rannte sie durch den Flur bis zu ihrem Gemach. Panisch riss sie die Tür auf und floh hinein, die Tür hastig hinter sich verriegelnd.
„Gütiger Gott“, stieß sie ungläubig aus.
Was sie da eben zu sehen bekommen hatte, war unfassbar. Nie hatte es im Haus ihres Bruders ein solches Gelage gegeben. Besäufnisse – ja. Doch Orgien? Dieser Mann war noch schlimmer, als sie gedacht hatte. Und das am Abend vor ihrer Vermählung. Mit Grauen wurde ihr bewusst, was ihr Zukünftiger von ihr erwarten würde. Nicht nur in ihrer Hochzeitsnacht. Immer, wenn ihm der Sinn danach stand. Sie würde sein Eigentum sein. Dass eine Frau ihrem Gatten die ehelichen Rechte verweigerte war undenkbar.
Sie schlug die Hand vor den Mund und setzte sich zittrig auf ihr Bett. Kein Wunder, dass seine erste Frau sich das Leben genommen hatte. Wer weiß, was diese arme Frau mit der Bestie alles zu erleiden gehabt hatte. Sie hatte gehört, dass manch ein Mann seine Frau sogar an seine Freunde weiterreichte. Würde sie all diesen Männern, die dort unten in der Halle feierten, vorgeworfen werden? Wenn doch nur ihr Bruder nicht darauf bestanden hätte, dass sie mit dem Heiraten noch wartete, dann wäre sie schon mit Brice verheiratet und müsste nun nicht diesen Teufel zum Gatten nehmen.
Wie ungerecht war das Leben? Als Frau hatte sie keinerlei Rechte. Erst war sie ihren Eltern unterstellt gewesen, dann ihrem Bruder und nun würde ihr Gemahl über sie verfügen. Während ihre Eltern und ihr Bruder sich noch liebevoll um sie gekümmert hatten, würde das Leben an der Seite der Bestie ihr sicher nichts Gutes mehr bereithalten. Gisela schlüpfte zitternd unter die Decken und rollte sich zusammen. Der Schlaf wollte sich nun erst recht nicht mehr einstellen und es war bereits kurz vor dem Morgengrauen, als sie endlich erschöpft einschlief.
Die Zeremonie waran Gisela vorbeigezogen wie ein schlechter Traum. Angst und Verzweiflung hatte ihr Herz fest im Griff. Ihr war so übel, dass sie von dem üppigen Festmahl keinen Bissen zu sich nahm. Das Ale, das sie getrunken hatte, ließ ihren Kopf schwirren. Stumm und starr saß sie auf ihrem Stuhl und versuchte, nicht an die bevorstehende Hochzeitsnacht zu denken. Was ihr nicht gelingen wollte.
Ihr Gemahl schien sich prächtig zu amüsieren. Der Geräuschpegel in der Halle war mittlerweile ohrenbetäubend. Die wenigen anwesenden Frauen hatten sich zurückgezogen, seitdem die Feierlichkeiten aufgrund des Alkohols langsam aus der Hand geraten waren. Gräfin Elenor und Jungfer Genovefa hatten nur der Zeremonie beigewohnt und hatten sich dann in ihre Gemächer begeben. Es war offensichtlich, dass diese beiden Frauen nicht auf ihrer Seite standen. Auch der alte Graf, Alberics Vater, hatte sich schon vor Stunden verabschiedet. Seine Gesundheit schien nicht die beste zu sein. Nur von Gisela wurde erwartet, dass sie an der Seite ihres Gatten blieb, bis er es für richtig hielt, sich zurückzuziehen.
Plötzlich erhob sich ihr Gatte neben ihr und ergriff sie am Arm, um sie in die Höhe zu ziehen. Mit klopfendem Herzen stand sie neben ihm, sich seiner großen Hand um ihren Arm überdeutlich bewusst. Dieser Mann war wirklich beängstigend groß. Gisela reichte ihm nicht einmal bis zum Kinn.
„Ich denke, es ist an der Zeit, dass ich mich mit meiner Braut zurückziehe“, verkündete er. „Feiert ruhig weiter, meine Freunde. Lasst es euch gut ergehen.“
Beifall und zotige Sprüche erklangen, die Gisela erröten ließen. Alberic zog sie mit sich und ihr blieb nichts anderes übrig, als hinter ihm her zu stolpern. Vor einer Tür, von der sie wusste, dass sie in seine Gemächer führte, blieben sie stehen und er drehte sich zu ihr um, sie aus zusammengekniffenen Augen musternd. Gisela fühlte, wie ihr die Knie weich wurden und ihr Herz schlug ihr förmlich bis zum Hals. Tränen traten in ihre Augen und sie hätte sich am liebsten von ihm losgerissen, um den Gang entlang zu ihrem eigenen Gemach zu fliehen.
„Bringen wir es hinter uns“, murmelte er und öffnete die Tür, um sie hinein zu schieben.
Sie durchquerten den Raum bis sie direkt vor dem riesigen Bett standen. Die Angst vor dem Kommenden schnürte Gisela förmlich die Kehle zu.
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