Im Bewußtsein seiner Unschuld war er wieder angefahren und begann eben seine Strafarbeit. Plötzlich stand der Berggeist vor ihm und sprach: »Siehst Du, Tropf, wie Deine Gutmütigkeit belohnt wird, und was Du für ehrliche Kameraden hast? So nimm nun ein Stück Silber von mir, damit Du wenigstens einen Zehrpfennig auf die Reise hast!« »Hebe Dich weg, Versucher!« antwortete Daniel; »jetzt leide ich unschuldig, deshalb bin ich heiter und guter Dinge; so ich aber Deinen Reichtum nähme und mein Gewissen mit ungerechtem Gut belastete, was bliebe mir dann für ein Trost?« Da entgegnete der Berggeist: »Ich sehe wohl, daß Du ein ehrlicher, wackrer Bursche bist, und deshalb soll es Dir wohl gehen. Jetzt merke wohl auf, was ich Dir sage. Wenn Du zu Abend aus der Grube fährst, so bitte den Steiger, er möchte Dich morgen frei lassen, Du wolltest Deine Andacht halten. Das darf er Dir nicht abschlagen. Dann gehe zum Geistlichen, empfange das heilige Sakrament und halte Dich ruhig. Hüte Dich aber jemand ein Wort zu sagen, es wäre zu Deinem Schaden. Wenn nun der Steiger die Knappen beruft, so gehe und thue frischen Muts, was Dir befohlen wird, Du bist auf guten Wegen, Gott wird Dich schützen und ich werde Dir behülflich sein!« Daniel that, wie ihm gesagt ward. Er verrichtete am andern Morgen seine Andacht und saß nun stillbetend in seinem Kämmerlein, wartend, was da kommen sollte. Einige Stunden nach Mittag hörte er ein Zusammenlaufen und lautes eilendes Gespräch vor seiner Hütte. Als er hinaustrat, vernahm er, daß in der Grube ein großes Unglück geschehen sein müsse, denn das Gestänge stehe still und man höre in der Tiefe ein ungewöhnliches Brausen und Poltern. Bald rief die Bergglocke die Arbeiter, welche sich nicht auf der Schicht befanden, beim Steiger zusammen, welcher wetterte und fluchte. Beim Zählen fehlte bloß der alte Martin, welcher am vorigen Tage die Erlaubnis erhalten hatte, in sein Geburtsdorf zu gehen. Nun ordnete der Steiger an, daß einer hinabsteigen müsse, um nachzusehen, was unten geschehen sei. Dazu veranlaßte er seinen eigenen Neffen, weil er ihm Gelegenheit verschaffen wollte, sich auszuzeichnen. »Ich verspreche Dir,« so sagte er zu ihm, »einen Bericht an's Bergamt, der Dir den Untersteiger einbringen soll!« Der Neffe weigerte sich anfangs, versuchte es dann, stieg wieder empor und bat schließlich, ihn zu verschonen, da ihn die Angst umbringe. Da stieß ihn der erzürnte Oheim in die Grube hinab und warf die schwere Fallthüre zu. – Unterdeß hatte sich die Kunde von dem Unglücke in der Grube weiter verbreitet, die Frauen und Kinder von mehr als zwanzig Bergleuten, die auf der Schicht arbeiteten, kamen herbei und überhäuften den Steiger mit Vorwürfen; unter ihnen war auch Marie, welche von tödlicher Angst um Daniel an den Unglücksplatz getrieben wurde. Da gebot der Steiger, durch die Vorwürfe erbittert, durch seines Neffen vorsätzlichen Mord noch mehr verwildert, Daniel solle nun hinab und ihm Kundschaft bringen, woraus er dann den Bericht abfassen könne. Daniel trat darauf, obwohl ihn Marie davon zurückzuhalten suchte, die gefährliche Fahrt an. Er tröstete seine Braut und sagte, sie würden sich gewiß wiedersehen. Der Steiger aber warf die Fallthür wieder zu, schob den Riegel vor und sagte lachend: »Der fromme Mann wird wohl pochen, wenn er wieder heraus will!« Damit ging er nach seinem Hause. Auf Mariens Bitten öffneten die oben stehenden Bergleute den Schacht wieder und das Mädchen lauschte hinab. Plötzlich rief sie aus: »Ich sehe ein Licht in der Tiefe!« und dann wieder: »Gottlob, es ist Daniel!« So war es. Daniel stieg glücklich hinauf, alle Arme streckten sich nach ihm aus, um ihm zu helfen. Um seinen Leib hatte er ein Seil geschlagen, und an dem Seile hing der leblose Körper des vom eigenen Onkel hinabgestürzten Neffen. Das erste, was Daniel that, war, des Neffen Schläfe zu reiben; man entzündete Sprengpulver vor dessen Nase, und endlich gelang es den vereinten Bemühungen, ihn wieder zum Leben zurückzurufen. Als er die Augen aufschlug, sah er Daniel und stammelte: »Daniel, unschuldiger, verleumdeter Daniel, zweimal mein Retter, ach, vergieb!« Dieser drückte ihn an sein Herz. Während dessen war ein höherer Bergbeamter mit dem Steiger an die Grube gekommen. Der Bergoffizier beugte sich über den Schacht, starrte hinab und sagte: »Unglaublich! die Wässer steigen noch immer. Seht nur selbst, Obersteiger!« Dieser eilte herbei, sich weit über den Abgrund legend. Aber plötzlich fuhr, allen sichtbar, eine Riesenfaust aus der Tiefe, drehte im Nu des Steigers Angesicht auf den Nacken, daß man alle Wirbel brechen hörte, hielt das gräßlich verzerrte, blaue Todenantlitz der Menge entgegen und verschwand mit seinem Raube unter der Flut. Darauf hörte man ein fürchterliches Donnern in der Tiefe. Als sich die Umstehenden von ihrem Schreck etwas erholt hatten, sprach der Bergbeamte sehr ernst: »Gott hat gerichtet und meinen schwachen Händen dies Amt entnommen! denn auch ich war gekommen zu richten!« Er erzählte nun, wie die Unredlichkeit des Steigers dem Bergamte bekannt geworden sei, und wie er vor seiner Abreise von dem alten Martin, den er als einen frommen Bergmann kenne, noch mehr vollgiltige Beweise der Schuld erhalten habe. Hier an der Grube habe er den unredlichen Mann seines Amtes entsetzen und zur Strafe ziehen wollen. Und als der Bergoffizier nun weiter von Daniel hörte, wie derselbe in der Grube seinem Tode in den hereinbrechenden Wassern entgangen sei und wie er den Körper des Neffen vom Steiger gefunden und auf wunderbare Weise gerettet habe, da erkannten er und alle Anwesenden die Hand Gottes und die Hülfe des Berggeistes. Daniel war mit dem Körper des von seinem Onkel Hinabgestürzten von den Fluten verschlungen worden, und als er wieder zum Bewußtsein kam, fand er sich mit letzterem in einer geräumigen, trocknen Halle, zu seinen Füßen stand die angezündete Blende und lag ein Stück Seil. So gelang es ihm, wieder die Fahrt zu gewinnen und den leblosen Körper mit hinauf zu ziehen. – Der Bergoffizier ernannte hierauf Daniel im Auftrage des Bergamtes zum Untersteiger an der Grube St. Barbara, und ebenso wies er auch dem alten Martin einen Zuschuß an, der es ihm erlaubte, den Rest seines Lebens außer der Grube zuzubringen. Darauf schied der Beamte von ihnen, indem er dem Daniel noch Glück zu seinem neuen Berufe wünschte.
Nach acht Tagen war Marie Daniels glückliches Weib. Der Berggeist erschien zwar nicht wieder, aber mehrfach konnten die Glücklichen seine Nähe spüren. Zwar blieb die ersoffene Grube liegen, jedoch entdeckte Daniel in demselben Reviere die herrlichsten Anbrüche. Die Grube ward nach seinem Namen »Daniel-Zeche« genannt, gab überreiche Ausbeute und baute sich gut aus. Als aber nach einem Jahre Daniel den Beamten und den alten Martin zu Gevattern bei seinem neugeborenen Söhnlein bat und ersterer ihm die Ernennung zum Obersteiger mit Gehaltszulage mitbrachte, da klingelte es auf einmal wie goldene Schellen auf den zinnernen Tellern, die an der Wand standen, und siehe, es fielen eitel neue Goldstücke durch die Decke herab, hundert an der Zahl. In der Mitte war ein Mönch darauf geprägt, und rund herum standen die Worte: »Beschert Glück zur Daniel-Zeche!« Jetzt erkannte Daniel wohl seinen alten Freund, den Berggeist, und in der Freude seines Herzens griff er nach einem Becher Weins und brachte auf den Berggeist die Gesundheit aus. Da that ihm jedermann Bescheid, die Gläser klirrten und zugleich ertönte eine starke, liebliche Musik von Harfen und Zithern, Hörnern und Schalmeien. Als man aber die Thüre öffnete und den Spielleuten zu trinken geben wollte, da war niemand zu sehen und zu hören.
170. Der Berggeist von Abertham.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 84.)
Am ältesten Ende von Abertham liegen mächtige Halden der ehemaligen »Kreuzzeche,« welche in der letzten Periode des dortigen Bergbaues allein zur Förderung sämtlicher Erze und Gesteine der Aberthamer Grubengänge benutzt wurde. Über 300 Bergknappen waren bloß zur Förderung angelegt. Als man aber daran ging, in genannter Zeche mancherlei Fördermaschinen einzusetzen, waren viele Bergleute um ihr Brot besorgt und trauerten und jammerten. Ihr Klagen rührte sogar den mächtigen Berggeist, der sich entschloß, die bedrängte Lage von den armen Bergleuten abzuwenden. Er ließ sich daher mehrmals an verschiedenen Orten der Kreuzzeche sehen und stieß bei seinem jeweiligen Erscheinen die warnende Drohung aus:
Читать дальше