In Panik schlug er um sich und sank bei jeder Bewegung ein wenig tiefer ein. Die Lichter kamen immer näher, jetzt konnte er sogar den Umriss des Klosters erkennen, sobald er den Kopf anhob. Seine Kameraden mussten noch dort sein! Er begann, um Hilfe zu schreien, aber es blieb alles still. Niemand antwortete ihm. Seine Schreie blieben ihm im Halse stecken. Ihm entfuhr nur noch ein Wimmern, als die Lichter über ihm anhielten und zu kreisen begannen.
In den Tiefen des Schlamms wurde es lebendig. Etwas rührte sich, Blasen stiegen auf und kamen mit einem schmatzenden Geräusch auf die Oberfläche. Er spürte sie, wie sie an ihm vorbeistrichen, wie lebende Wesen. Ein entsetzlicher Geruch stieg von ihnen auf, der ihm das Atmen schwer machte. Er begann zu husten, aber dann schrie er gepeinigt auf. Ein leichtes Kribbeln entstand an seinen Beinen, gefolgt von einem schmerzhaften Stich. Plötzlich war das Kribbeln überall zu spüren, ihm folgten in immer schnellerer Folge die Stiche. Der Mann begann zu schreien und wild um sich zu schlagen, sank ein, kam in einem verzweifelten Aufbäumen wieder hoch und ging dann gurgelnd unter. In den letzten Momenten seines menschlichen Bewusstseins sah er, wie sich die Lichter auf ihn herabsenkten.
Von den Flanken des Berges waren kreischende Laute zu hören. Wind kam auf und trug die unheimlichen Geräusche bis hinauf auf die Hochebene. Doch die Männer hörten sie allenfalls unterschwellig und warfen sich nur unruhig im Schlaf hin und her.
Die restliche Zeit der Rückreise verlief reibungslos. Zur Erleichterung aller heilte Jeldriks Hand gut ab. Nach einer Woche bestand er darauf, zumindest für kurze Zeit ein Stück auf seinem Pferd zu reiten. Currann erholte sich noch schneller, er ritt schon den nächsten Tag durch. Das Röhrchen konnte Anwyll nach wenigen Tagen wieder entfernen. Mit einem dicken Tuch um den Hals legte Currann die restliche Strecke zurück.
Die Männer ließen die Jungen nicht einen Moment aus den Augen. Sie waren stolz auf sie, aber auch besorgt, das spürten Jeldrik und Currann deutlich, und so protestierten sie nicht, dass immer jemand an ihrer Seite wachte. Auf diese Weise konnten sie den Soldaten ein Stück der Selbstachtung zurückgeben, welche die Männer durch die Verletzung der Jungen und das Verschwinden ihres Kameraden verloren hatten.
Anwyll war beeindruckt von der Feinfühligkeit der beiden. Hier waren Zwei weit über ihr Alter hinaus ein ganzes Stück erwachsener geworden, stellte er abends im vertrauten Gespräch mit Bajan fest. Roar verfiel dagegen immer mehr in brütendes Schweigen. Er ahnte schon jetzt, dass das bisher so reibungslos verlaufende Dasein seines Sohnes einen tief greifenden Einschnitt erhalten hatte. Wer weiß, welche Schwierigkeiten ihnen daraus erwachsen mochten.
Besorgt beobachteten die beiden Anführer auch das Verhalten der Mönche. Diese hatten sich vollkommen zurückgezogen und wechselten kein Wort mehr mit ihnen. Bajan konnte nur vermuten, was sie für Pläne schmiedeten. Auf jeden Fall würde es noch gewaltigen Ärger geben, wenn sie nach Gilda zurückkehrten. Ihn selbst hatten die Vorfälle derart erschüttert, dass er nicht mehr in Richtung seines Verdachts bezüglich der Saraner weiter forschen wollte. Es wäre ihm wie Verrat vorgekommen, denn immerhin verdankten sie Jeldrik Curranns Leben.
Nach zweieinhalb Wochen machten sie Halt an einer Wasserstelle, in deren Nähe die Straße nach Westen abzweigte. Die Zeit des Abschieds war gekommen. Ein Führer und ein Trupp Soldaten warteten dort auf die Saraner, sie wieder sicher durch die Steppe und zur Grenze zu geleiten.
Roar ließ seine Männer die Wasservorräte für ihre lange Reise zurück in die Heimat auffüllen. Währenddessen führte er Bajan ein Stück von den Männern weg. „Wenn sich die Dinge für Euch zum Schlechten wenden, seid Ihr jederzeit in Saran willkommen.“
Bajan starrte zu den Mönchen hinüber, die das Treiben in einigem Abstand beobachteten. Dann dankte er ihm aufrichtig. In den beiden vergangenen Wochen waren sie tatsächlich Freunde geworden. „Ich hoffe nicht, dass es so weit kommen wird, aber wer weiß. Immerhin habe ich ja noch meine Ländereien, auf die ich mich zurückziehen kann.“ Sie drückten sich zum Abschied noch einmal kurz die Hand und schwangen sich wieder auf die Pferde.
Roar befahl den Aufbruch seiner Männer. Während sie sich auf wahrhaft saranische Manier besonders laut und rau von ihren neuen Kameraden verabschiedeten, standen sich Currann und Jeldrik verlegen gegenüber. Sie wussten nicht, was sie sagen sollten. Dann umarmte Currann seinen Freund kurzerhand und sprang auf sein Pferd. Bevor Jeldrik noch etwas sagen konnte, war er zwischen den Soldaten Bajans verschwunden.
„Komm, Junge, wir reiten nach Hause.“ Roar kam herangeritten. Mit Tränen in den Augen sprang Jeldrik auf sein Pferd. Gemeinsam galoppierten sie an die Spitze der Männer.
Currann ritt zu Bajan, der den Aufbruch der Saraner vor sich hinsinnend beobachtete. Er wollte etwas zu ihm sagen, doch sie wurden von Anwyll unterbrochen. „Fürst Bajan, auf ein Wort“, bat er ihn. Sie ritten ein Stück von den anderen weg, misstrauisch beobachtet von den Mönchen. Auch Currann schaute ihnen verdutzt hinterher.
„Ich habe eine Bitte an Euch“, begann Anwyll.
„Gerne, Meister Anwyll, wenn es in meiner Macht liegt, sie zu erfüllen.“ Bajan war verwundert. Was konnte der weise alte Priester von ihm wollen?
„Ich möchte, dass Ihr dafür Sorge tragt, dass Althea auf jeden Fall sicher zu uns nach Temora gelangt“, sagte Anwyll ernst.
„Warum sollte Althea zu Euch geschickt werden, und warum soll ausgerechnet ich dafür sorgen? Nicht, dass ich Euren Wunsch nicht gerne erfüllen wollte, aber erklärt Euch bitte.“
Currann kam herangeritten. „Was ist mit Althea?“
Anwyll rang mit sich, entschied sich dann aber, ihnen zu berichten, was vorgefallen war. „Althea hat das Unglück im Delta gesehen, noch bevor die Botschaft nach Gilda gelangt war.“
Currann war sprachlos, aber Bajan hakte sofort nach: „Inwiefern gesehen?“
„Sie hatte einen Traum in jener Nacht, als der Sturm über Gilda tobte und die Wache die Lichter entdeckt hat. Fürst Bajan, mein Freund Thorald ist in Bezug auf die möglichen Fähigkeiten seiner Tochter etwas, sagen wir, skeptisch. Ich möchte das Mädchen einfach zu gegebener Zeit sicher bei uns wissen, denn ich spüre, dass es mit ihr etwas ganz Besonderes auf sich hat. Sie soll auf jeden Fall in der Gemeinschaft weiter ausgebildet werden. Ist das für Euch verständlich?“
Currann starrte Anwyll fassungslos an. In Bajan sah es ähnlich aus, aber er nickte schließlich. „Ich verspreche Euch, dass ich ein Auge auf sie haben werde. Darauf habt Ihr mein Wort.“
Anwyll dankte ihm, verabschiedete sich von den beiden und ritt zu Roar und Jeldrik an die Spitze der Saraner. Currann und Bajan sahen ihnen hinterher, wie sie donnernd davongaloppierten. „Sie werden froh sein, wieder auf ihre gewohnte Weise reiten zu können“, brummte Bajan, dem der ungeordnete Aufbruch nicht entgangen war. Curranns Gedanken weilten immer noch bei dem, was er soeben gehört hatte, sodass er den tieferen Sinn seiner Worte nicht bemerkte. Rasch gab Bajan das Signal zum Aufbruch. Der Tross machte sich langsam auf den Weg nach Gilda.
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