1 ...6 7 8 10 11 12 ...22 Cassandras Familie fuhr zu Hause in Hamburg zwar regelmäßig mit U- und S-Bahnen, dennoch war für sie das weitverzweigte Metro-System der mexikanischen Hauptstadt etwas verwirrend. Trotzdem aber kamen sie nach kurzer Zeit zusammen mit Cassandra und José an ihrem Ziel, der Station Zocalo, an. Dort wollten sie ihren Stadtrundgang beginnen.
Mit großer Begeisterung zeigten Cassandra und José allen anderen die mexikanische Hauptstadt. Der Zocalo war nicht nur eine Metro-Station, sondern der große zentrale Platz der Metropole, in dessen Mitte am 16. September, dem mexikanischen Nationalfeiertag, immer eine Landesflagge gehisst wurde. Der Platz war dann voller Menschen, die alle gemeinsam ihr Land feierten.
Rund um den Zocalo, der riesig und viereckig mehrere hundert Meter lang und groß, in der gleisenden Sonne des schönen Sommertages vor ihnen lag, erstreckten sich alte Gebäude aus der Zeit nach der spanischen Eroberung des Landes. Der Kolonialstil der Häuser, versetzte den Betrachter gedanklich ein paar Jahrhunderte zurück. Der dunkle Vulkanstein, aus dem die Gebäude und auch die Kathedrale an einem Ende des Platzes erbauten worden waren, setzte sich deutlich vom Blau des sommerlichen Himmels ab. Ein Kontrast, der das Auge des Betrachters auf die Bauweise der Häuser lenkte, die teilweise sehr kunstvoll verziert waren.
Zuerst gingen sie zum Präsidentenpalast, der den Zocalo an der Ostseite einrahmte und im Eingangsbereich ein großes Wandgemälde von Diego Rivera aufwies. Einem der bekanntesten mexikanischen Künstler der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Cassandra und José erinnerten alle an das Wandgemälde vom gleichen Künstler, das sie bereits im Museum in Cuernavaca gesehen hatten. Ein allgemeines „Aha“ folgte und ließ Cassandra und José grinsen. Wieder im freien spürten sie besonders deutlich das warme Sommerwetter in der Hauptstadt, als ihnen ein warmer Wind entgegen wehte.
Eine weitere Sehenswürdigkeit, dieses Mal an der Nordseite des Zocalo, war der Platz der drei Kulturen, der in gleisender Sonne lag. Dennoch nahmen sie sich Zeit und betrachten alle Teile genau. Die Ausgrabungen von Monumenten aus der Zeit der Azteken, sowie eine Kirche aus der Zeit der spanischen Eroberung und die neuen Gebäude des 20. Jahrhunderts. Danach war ihnen so warm, dass sie sich sehr gern in die Kühle der großen Kathedrale flüchteten, die nur wenige Meter neben dem Platz der drei Kulturen errichtet worden war.
Die Kathedrale beeindruckte durch ihre Größe, ihre Bauweise und ihre Ausgestaltung, die allerdings nur unter erschwerten Bedingungen zu betrachten war, da das Gotteshaus, seit Jahren immer wieder durch weitere Stahlgerüstträger abgestützt werden musste. Die Bauherren hatten ihre Kirche auf ehemals morastigem Boden erbaut, was sich nun nach Jahrhunderten rechte. Das Bauwerk war zu schwer für den Boden und sackte teilweise ab.
Zurück auf dem Zocalo zückten alle erst einmal ihre Sonnenbrillen, bevor die Besichtigungstour durch die Stadt nun weitergehen konnte. Die Dunkelheit in der Kathedrale, die trotz Kerzen und ein wenig elektrischem Licht, nur wenig beleuchtet war, hatte dafür gesorgt, dass sich die Augen aller Besucher nun vom hellen Tageslicht geblendet fühlten. Auch die angenehme Ruhe in der Kathedrale wurde ihnen erst jetzt bewusst, als sie wieder in den lauten Trubel der Großstadt zurück traten.
Sie spazierten in westlicher Richtung durch die Stadt. Im Schatten der alten Innenstadtgebäude, die Banken, Handelshäuser oder Geschäfte beherbergten, näherten sie sich dem Palacio des Bellas Artes. Sie kamen immer wieder an größeren und kleineren Straßen vorbei, die für Markus und Katharina zusätzliche Fotomotive boten.
René und Henri erneuerten ihre Erinnerungen an die mexikanische Hauptstadt. Für Markus und Katharina war alles neu gewesen, daher machten sie viele Fotos mit ihren digitalen Kameras und auch ein kurzes Video, um die Atmosphäre der Stadt einzufangen.
Isabella erinnerte sich an das eine oder andere Gebäude nur vage, da es zu lange her war, als sie das erste Mal in dieser Stadt gewesen war. Doch als sie zum Palacio de Bellas Artes kamen, leuchteten ihre Augen auf. An dieses Gebäude konnte sie sich erinnern und erzählte es fröhlich nicht nur ihren Eltern, sondern auch Enrique, der sich sichtlich freute, dass Isabella sich in der riesigen Stadt wohl fühlte.
Zum Abschluss ihrer Besichtigungstour gingen alle zum Torre Latino Americana und fuhren mit dem Fahrstuhl zur Aussichtsplattform. Der Panoramablick, der sich ihnen nun bot, beeindruckte auch Carmen und Carlotta, die zwar schon mehrfach in der Stadt, aber noch nie auf dem Turm gewesen waren. Raúl grinste und freute sich über die Begeisterung seiner jüngeren Schwester Carlotta. Dann aber schaute er zu Isabella hinüber und bemerkte traurig, dass sie in enger Umarmung durch Enrique, die Stadt von oben betrachtete.
Auch sein Vater José beobachtete mit Traurigkeit Cassandra, die von René umarmt wurde und zum wiederholten Male den eindrucksvollen Panoramablick über die Stadt genoss. Eben noch, so dachte er, hatte er ihre volle Aufmerksamkeit gehabt und war ihr sehr nah gewesen beim Erklären der Sehenswürdigkeiten der Stadt. Jetzt jedoch ließ sie sich von ihrem Ehemann umarmen und nahm keine Notiz mehr von ihm. José schmerzte diese Tatsache und er versuchte sich durch den weiten Blick über die Stadt abzulenken.
Wieder zurück in Puebla sahen sich Markus und Katharina mit großer Begeisterung die Fotos an, die sie gemacht hatten und verglichen sie mit denen von Henri. René stand neben seinen Kindern und hatte viel Spaß beim Betrachten der Fotos.
Cassandra hatte nur kurz zugeschaut. Dann war sie in Josés Haus gegangen. Sie wollte duschen. Im Schlafzimmer zog sie sich aus und bekleidete sich nur noch mit ihrem Bademantel. Im Bad hängte sie den Mantel neben ihr Handtuch und ging unter die Dusche. Das warme Wasche floss über ihren nackten Körper und entspannte sie recht schnell. Denn erst unter der Dusche war ihr bewusst geworden, wie anstrengend die schöne Besichtigung von Mexiko-Stadt gewesen war.
Als sie ihre Haare mit dem warmen Wasser anfeuchtete, schloss sie ihre Augen. Daher bemerkte sie nicht, was in der Zwischenzeit geschah.
José, der Cassandra gefolgt war, in der Hoffnung ein paar ungestörte Worte mit ihr wechseln zu können, ging gerade an der Badezimmertür vorbei. Die Tür stand offen. José sah es und grinste. Wochenlang hatte er sich immer über das Türschloss seines Badezimmers geärgert, weil es nicht richtig schließen wollte. Nun freute er sich, dass er noch keine Zeit zur Reparatur des Schlosses gehabt hatte. Er grinste hoffungsvoll. Das war die Gelegenheit, auf die er gewartet hatte.
Denn nun schlich er unbemerkt von Cassandra oder irgendeiner anderen Person ins Bad und verschloss sorgfältig die Tür hinter sich. Schnell zog er sich nun nackt aus und ging, in Vorfreude grinsend, zu Cassandra unter die Dusche.
Cassandra erschrak, als sie seine Hände an ihrem nackten Körper spürte. Doch schreien konnte sie nicht. José hatte ihr vorsorglich den Mund zugehalten. „Was machst Du denn hier?“ flüsterte sie, als er seine Hand wieder entfernt hatte. Sie war unter dem warmen Wasserstrahl hervor getreten und sah José nun völlig überrascht an.
„Die Badezimmertür war aufgesprungen. Nun habe ich sie fest verschlossen. Es kann jetzt keiner ins Bad kommen.“ Er grinste genussvoll bei seinen Worten, da sein Blick bereits über ihren attraktiven und nackten Körper wanderte.
Cassandra ahnte was er vorhatte. Ein Blick auf seine erigierte Männlichkeit reichte dazu aus. Daher versuchte an ihm vorbei aus der Dusche zu flüchten. Doch er verstellte ihr den Weg. Charmant lächelnd sagte er nun. „Du entkommst mir nicht.“ Dann umarmte er sie und küsste sie so leidenschaftlich, dass ihr Widerstand augenblicklich zerbrach. Ihr Herz klopfte so heftig, dass sie das Rauschen des Wassers nicht mehr hörte. Sie ließ sich von ihm verführen, obwohl sie René eigentlich treu bleiben wollte.
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