Anton Volkov
In der Umarmung zwischen zwei Schritten
Tango Argentino ist mein Leben
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Anton Volkov In der Umarmung zwischen zwei Schritten Tango Argentino ist mein Leben Dieses ebook wurde erstellt bei
Liebe auf den ersten Blick
Wie ich von einem Fettnäpfchen ins nächste trat
Buenos Aires
Weniger ist mehr
Übung macht den Meister
Wie ich versuchte, in die Fußstapfen eines anderen zu treten
Im richtigen Moment an der richtigen Stelle
Meine letzten Tage in Moskau
Auf der Suche nach…
Das Leben ist schön
Hauptzutat Liebe
Musikalität – die Essenz des Tangos
Fehler sind der beste Lehrer… vielleicht, vielleicht auch nicht?
Wohin ich auch gehe, meine Tanzschuhe habe ich immer dabei
Meine Inspiration
Impressum neobooks
Liebe auf den ersten Blick
In der Umarmung
zwischen zwei Schritten
Tango Argentino ist mein Leben
Anton Volkov
Impressum
Texte: © Copyright by Anton Volkov
Übersetzung: © Copyright by Helena Hribar Marinšek
Verlag: Anton Volkov
Miklošičeva cesta 14
1000 Ljubljana
Slowenien
volkov_anton@hotmail.com
Druck: epubli, ein Service der neopubli GmbH,
Berlin
Printed in Germany
Wenn du diesen Raum betrittst – und dort lange genug verweilst –, verspürst du diese gute Stimmung. Die Wärme, die Freude, die Nähe. In diesem angenehmen Raum und in allen Anwesenden verspürst du es: ich erobere die Höhen der Berge, den Berggipfel… und werde auch morgen noch dort sein.
Ich verspüre sowohl die Wärme als auch die Erbarmungslosigkeit des Parketts. Ich verspüre die Musik, die erklingende Stille mit ihrer Vielfalt an Musikinstrumenten und Sängern. Und die Tänzer, die sie tanzen. Die Stille des Geistes. Die Gemütsruhe in ihrer unermesslichen Freude und Lebendigkeit. In ihrer Sinnlichkeit, im Körper, in dessen Freude und Leid, in der Einfachheit des Augenblicks, in dem du einfach nur bist. Wo du bist und wo du nicht bist.
Ich liebe das Meer. Ich liege gern auf kleinen, verwaschenen, ovalen Steinchen an der Küste des Meeres und lausche dessen Rauschen. Ich liebe es, wenn mich der Klang des Meeres wegträgt, Welle für Welle, und alle Unannehmlichkeiten des Alltags wegspült. Ich liebe gutes Essen, Fische und Meeresfrüchte. Ich liebe Wein.
Und ich liebe Frauen.
Wenn du mich fragst, wo und wann ich leben wollte, so würde ich antworten: „Hier und jetzt.“ Gekleidet in bequeme Ledermokkasins, eine dünne fein gewebte Denimhose und ein luftiges Hemd, hellblau, eventuell sandfarben. Ich liebe unbeschwerten Komfort, das Gefühl von Luft auf der Haut und diese vollen Zuckerseiten des Augenblicks, hier und jetzt.
Vielleicht wurde ich gerade deshalb Lehrer des argentinischen Tangos. Weil ich Tango so sehr in mein Herz geschlossen hatte, weil ich zum Tango wurde. Mit all meinem Körper, mit all meinen Gedanken, mit meinem ganzen Herzen. Mein Leben – dem Tango gewidmet. Ich tanze, um zu leben, um in mir selbst frei zu sein, um zu sein.
Als ich noch sehr jung war, tanzte ich nicht. Damals widmete ich mich dem Kampfsport. Ich war immer gern Eins mit meinem Körper, fühlte ihn, beherrschte ihn meisterhaft. Seit eher liebe ich das Gefühl, dass ich mich auf meinen Körper verlassen, dass ich diesen mit vollkommener Kontrolle drillen kann. Mein halbes Leben lang kämpfte ich gegen Männer. Es waren Körper meiner Rivalen, nah an Meinem, und ich wehrte mich gegen sie. Aber die wahre Nähe eines anderen Körpers, nahe dem Meinem... diese verspürte ich erst, als ich mit dem Tangotanzen begann. Deshalb werde ich durch die zweite Hälfte meines Lebens mit Frauen tanzen.
Davor spürte ich nur Kraft. 23 Jahre meines Lebens feilte ich als Profisportler am Kyokushin Kaikan Karate , trainierte, strapazierte meinen Körper bis zum Äußersten, mit vollkommener Kontrolle über jeden Muskel und wartete nur auf den richtigen Augenblick, korrekt zuzuschlagen. Ich kämpfte. Wollte gewinnen. Und ich gewann. Ich war wie ein Tier. Ein wildes Tier. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich kämpfte.
Und dann holten mich die Jahre ein, als ich den schwarzen Gürtel ablegen musste. Meine Mitstreiter wurden immer jünger. Ich verfügte zwar über Weisheit und die Fähigkeit des Kampfes, ich hatte Kraft und das Know-how , aber auch eine Reihe an gebrochenen und schnell verheilten Rippen, einen geschlagenen, erschöpften Körper. Nach jedem Kampf brauchte ich immer mehr Zeit, Erholung und Heilung, um den Generationen an jüngeren Gegnern gewachsen zu sein, die – so wie ich einst zuvor – vehement und Hunger verspürend auf den Kampfplatz traten.
Ich begann, mein Leben neu zu sortieren, mein Training zu reduzieren, meinen Körper auf einen Ruhezustand vorzubereiten. Ich überlegte, Jugendliche und Heranwachsende auf den Kampf vorzubereiten, zu trainieren, nun deren – wie einst die eigenen – Muskeln bis zum Rande der Fähigkeiten zu strapazieren, sie gut auf die Wettkämpfe vorzubereiten, zu motivieren, zu drillen, deren Sportgeist anzuheben, deren Herzen emporzuheben, sie auf dem Weg zu selbstbewussten Männern zu begleiten. Willensstarke Männer in den Zweikampf zu schicken, junge Gladiatoren, die bereit sind, alles zu ertragen. Alles über mich selbst konnte ich nun in ihnen sehen. Sie standen vor mir, wie ein offenes Buch. Und hatten nur ein Ziel vor den Augen – den Sieg am Ende des Zweikampfes. Nur einen Gedanken den Sieg am Ende des Kampfes. Nichts Anderes. Alles andere muss man während des Kampfes ausschalten. Dass wusste ich. Dass wussten sie. Den ganzen Schmerz, den man in seinem Gehirn bis zur Stummheit erstickt, wenn man den eigenen sich brechenden Knochen hört. Den Schmerz, der da ist, aber nicht sein darf. Den Schmerz, den man nicht zulässt. Dem man nicht lässt zu sein.
Diese Welt des Kampfes und die Anforderung nach vollkommener Verlässlichkeit des Körpers schlägt dich in den Bann, nimmt deinen Magen-Darm-Trakt ein. Du wirst Eins damit. Alle diese körperlichen Dinge sind so. Sind wahr. Sind hier und jetzt. Und es gibt nicht wirklich genügende Ausgänge, du kannst einfach nicht davor fliehen, verneinen, dass sie bestehen. Dich davon abgrenzen. Nein, du kannst dem nicht entfliehen.
Und vielleicht habe ich gerade deshalb den Tanz aller Tänze gewählt. Den Tango, den Tango Argentino , der von mir die vollkommene Widmung meiner Aufmerksamkeit meinem Körper gegenüber forderte. Als ich meinen Körper mehr und mehr kennen lernte, lernte ich ihn auch lieben, schätzen, und widmete ihm auch meinen Geist und mein Herz. Wie einst dem Karate. Er ging in meine Adern über. In der Tat, in die Adern. Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, von Drogen, Zigaretten, Alkohol abhängig zu sein. Vom Würfelspiel. Vom Fernsehen. Und was es sonst noch alles gibt. Ich weiß aber, wie sich die Sucht nach dem Tango anfühlt.
Es gibt immer etwas mehr dort drinnen. Etwas, was man von sich selbst entdecken kann; was man entdeckt, wenn man mit einer Frau tanzt, auf die man reagiert, die auf einen reagiert, die deine Wellenlänge auffängt, die mit dir im Einklang steht. Dies ist wie eine Vibration. Sobald man die Vibration einfängt und frau diese einfängt, vibrieren beide in einer Umarmung. Wie bei der Liebe auf den ersten Blick.
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