Michael H. Schenk
Die Ei-Geborenen
Die Wächter von Aldon-Reet
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Inhaltsverzeichnis
Titel Michael H. Schenk Die Ei-Geborenen Die Wächter von Aldon-Reet Dieses ebook wurde erstellt bei
Die Ei-Geborenen Die Ei-Geborenen © 2014 by Michael H. Schenk Am Anfang war Das Ei. Es war ein großes Ei und die Göttin betrachtete es mit Wohlgefallen. Aus dem Ei wurde ein Volk geboren und es tanzte und pfiff zu Ehren der Göttin. Diese segnete das Volk mit Fruchtbarkeit und nannte es – Raan. Das Volk der Raan mehrte sich und breitete sich aus und die Wüste wurde ihm untertan. Aber dann begann es untereinander zu streiten, und es vergaß, die Göttin zu Ehren. Da schuf die Göttin die Plage und nannte sie – Mensch. Auszug aus dem Buch der Bücher, Aufzeichnungen des Geleges der Sha
Kapitel 1Der Auserwählte
Kapitel 2 Die Sorge eines Kaisers
Kapitel 3 Die Patrouille der Einhorn-Reiter
Kapitel 4 In der Stadt des Kaisers
Kapitel 5 Die Hüterin des Eis
Kapitel 6 Ein schrecklicher Verdacht
Kapitel 7 Die Klauen der Wüste
Kapitel 8 Tödliche Gewissheit
Kapitel 9 Auf Befehl der Großen Mutter
Kapitel 10 Die Verschwörung
Kapitel 11 Ein letztes Geleit
Kapitel 12 Am Norkam-Reet
Kapitel 13 Der Wille einer Mörderin
Kapitel 14 Auf imperialen Befehl
Kapitel 15 Die Bolzenwaffe
Kapitel 16 Pendal
Kapitel 17 Die Augen der Wüste
Kapitel 18 Das Aldon-Reet
Kapitel 19 Auf dem Marktplatz von Nedam
Kapitel 20 Die neue Waffe
Kapitel 21 Klauen im Sand
Kapitel 22 Der Sandsturm
Kapitel 23 Mit den Augen des Beobachters
Kapitel 24 Eine unerwartete Erkenntnis
Kapitel 25 Der Sprengwerfer
Kapitel 26 Olud-Sha
Kapitel 27 Die Verschwörung
Kapitel 28 Mordauftrag
Kapitel 29 Im Aldon-Reet
Kapitel 30 Jolas Weg nach Süden
Kapitel 31 Vorbereitungen
Kapitel 32 Ein mörderischer Feind und unerwartete Hilfe
Kapitel 33 Eierlinge!
Kapitel 34 Erkenntnisse
Kapitel 35 Der Plan der Hüterin des Eis
Kapitel 36 Der Angriff beginnt
Kapitel 37Sturm auf Aldon-Reet
Kapitel 38Auf der Suche nach dem Bruder
Kapitel 39 Blutiges Ringen
Kapitel 40 Das Vermächtnis des Bruders
Kapitel 41Ein letzter Blick
Kapitel 42Nachwort des Verfassers
Impressum neobooks
© 2014 by Michael H. Schenk
Am Anfang war Das Ei.
Es war ein großes Ei und die Göttin betrachtete es mit Wohlgefallen.
Aus dem Ei wurde ein Volk geboren und es tanzte und pfiff zu Ehren der Göttin.
Diese segnete das Volk mit Fruchtbarkeit und nannte es – Raan.
Das Volk der Raan mehrte sich und breitete sich aus und die Wüste wurde ihm untertan.
Aber dann begann es untereinander zu streiten, und es vergaß, die Göttin zu Ehren.
Da schuf die Göttin die Plage und nannte sie – Mensch.
Auszug aus dem Buch der Bücher, Aufzeichnungen des Geleges der Sha
„Sie sagen, ich sei nutzlos.“
„Kein Leben eines Raan ist nutzlos.“ Die Große Mutter sah Olud ernst an und die Nickhaut über ihren senkrecht stehenden Schlitzpupillen zog sich zusammen, um ihre Augen gegen das grelle Sonnenlicht zu schützen. „So steht es im Buch der Bücher. Du weißt es, Olud, denn du hast es studiert, wie ich es dir befohlen habe.“
„Ja, Große Mutter, ich habe es studiert.“ Olud legte für einen Moment seinen Kopf in den Nacken und entblößte im Zeichen der Ehrerbietung seine Kehle. Der sonst leuchtend rote Kehlsack des Männchens war Blass und verriet seine Unsicherheit.
„Aber du zweifelst.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung, und in der Stimme der Großen Mutter schwang Verständnis mit. „Du musst dich auf deinen Ursprung entsinnen, Olud aus dem ruhmreichen Gelege der Sha. Denke an das große Ei, aus dem du geschlüpft bist. Nur besondere Raan werden aus großen Eiern geboren.“
Olud-Sha schnaubte leise. „An mir ist nichts Besonderes, Große Mutter.“
Wenn man Olud betrachtete, so schien er tatsächlich nicht von Bedeutung zu sein. Dabei hatte sein Leben für das Gelege der Sha so Hoffnungsvoll begonnen.
Es war ein großes Ei gewesen, aus dem Olud schlüpfte.
Ein sehr großes Ei, in prachtvollem Rot und Grün und Braun gesprenkelt. Das ganze Gelege hatte sich damals um das Ei versammelt, als sich die Geburt Oluds ankündigte. Zwei Tage vor seinem Schlupf öffneten sich die äußeren Lider Oluds. Er schwamm noch in der klaren Flüssigkeit der Nährstofflösung und sah, durch die schützende Schale des Eis, nur undeutliche Schemen. Schatten, die sich bewegten, und von denen rhythmische Laute ausgingen, die eher unbewusst zu ihm drangen. Alle Männchen und Weibchen des Geleges warteten auf Oluds Geburt, und die Große Mutter wachte persönlich darüber, dass die rituellen Gesänge den Geburtsvorgang begleiteten.
Dann war es so weit.
Der erste Eindruck, den Olud bewusst in sich aufgenommen hatte, war das Gefühl grenzenloser Enttäuschung, das ihn umgab.
Es war selten im Volk der Raan, dass ein großes Ei gelegt wurde, und wenn dies geschah, so schlüpfte immer ein Wesen von besonderer Bedeutung für das Volk. Normalerweise war dies ein außergewöhnlich starkes Weibchen, dazu bestimmt, eine Führungsrolle im Gelege zu übernehmen. Sehr viel seltener entschlüpfte ein Männchen der zerbrechenden Eierschale. Doch selbst diese waren dann ungewöhnlich stark und dazu bestimmt, viele Weibchen zu befruchten. Olud jedoch war, selbst für ein Männchen, ein ausgesprochen bescheidenes Exemplar.
Die Raan konnten ihre Herkunft von Reptilien nicht leugnen. Ihre Rot, Grün und Braun gesprenkelten Leiber waren schlank und dabei muskulös. Die beiden Hinterläufe, auf denen sie aufrecht gingen, hatten drei lange und tödliche Sichelkrallen, die beiden Vorderläufe waren hingegen feingliedrig. Drei Finger und ein Daumen verliehen den Raan die Fähigkeit, sich Werkzeuge zu erschaffen. Der einst lange Schwanz, der ursprünglich der Stabilisation des vorgeneigten Körpers diente, war im Laufe der Jahre kürzer geworden, hatte durch die enormen Muskeln jedoch seine ursprüngliche Masse beibehalten. Die Hälse der Raan waren lang und gaben dem Kopf große Beweglichkeit. Der Schädel war flach und lang gestreckt, ideal, um damit tief in die Eingeweide einer Beute einzudringen. Die weit auseinanderstehenden Augen, geschützt durch eine milchige Nickhaut und das lichtundurchlässige Oberlid, gaben den Raan perfekte Jagdfähigkeit und das kräftige Gebiss, mit den scharfen Reißzähnen, die dazu passende, tödliche Waffe. Es gab sehr viel mehr Weibchen, als Männchen, und die stärkeren und größeren Weibchen dominierten das Volk. Die Männchen wurden allenfalls als Träger ihrer Fruchtbarkeit geschätzt.
Als Olud aus dem großen Ei schlüpfte, wurde an ihm nichts geschätzt.
Er war lediglich ein Männchen und noch dazu ein eher kleines Exemplar. Enttäuschung, ja sogar Unmut machte sich im Gelege breit, bis Shanaii-Doras-Sha, die Große Mutter, die Männchen und Weibchen zur Ordnung rief, und ihre Untertanen daran erinnerte, dass aus einem großen Ei stets ein Raan von großer Bedeutung geschlüpft sei. Die anderen Raan mochten das nicht so recht glauben, aber Olud stand, vom Augenblick seines Schlupfes, unter dem Schutz der Großen Mutter.
Er wuchs, wie alle Raan, schnell heran und seine Jugend war von dem Empfinden begleitet, unerwünscht zu sein und mit Skepsis betrachtet zu werden. Obwohl er nun das zeugungsfähige Alter erreicht hatte, und Olud sich redlich mühte, seinen roten Kehlsack zur Schau zu stellen, gab selbst das niedrigste Weibchen keine Anzeichen von sich, Oluds Fähigkeiten als Erzeuger in Anspruch nehmen zu wollen.
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