„Ich dachte mir schon, dass Sie mich das fragen. Signor Ventucelli, dieses Attentat ist nicht nur ein gemeines Verbrechen, sondern auch ein Politikum der obersten Kategorie! Es gibt bis jetzt kein Bekennerschreiben oder Dergleichen. Ob Sie es nun glauben oder nicht, der Papst hatte auf der ganzen Welt auch viele Feinde, seien es nun religiöse Fanatiker oder politische Gegner. Jetzt schon das erfolgreiche Attentat zu verkünden, könnte die Verantwortlichen noch mehr erstarken lassen, triumphieren lassen. Diesen Erfolg darf man ihnen nicht gönnen! Voreilige Schlüsse auf den oder die Täter zu ziehen, könnte schwerste internationale Konflikte, bis hin zu Kriegen auslösen. Deswegen ist es auch unabdingbar, dass Ihre Ermittlungen, sollten Sie denn den Auftrag annehmen, unbedingt geheim, im Verborgenen stattfinden müssen, zumindest vorerst!“
„Wie soll ich in einem derartigen Mordfall ermitteln, wenn ich den Leuten, die ich befrage, nicht erzählen darf weshalb ich Sie befrage? Und was passiert, wenn ich scheitere?“
„Sollten Sie, wovon ich nicht ausgehe, scheitern, haben Sie keinerlei persönliche Konsequenzen zu tragen und gehen, nachdem Sie uns wieder verlassen haben, Ihrer bisherigen Arbeit nach. Zu Ihrer anderen Frage, ich habe nicht behauptet, dass es einfach wird. Aber die Zeugen, die Sie befragen werden, wissen ja doch schon über das Attentat Bescheid. Auch die haben wir zur Verschwiegenheit angehalten.“
„Ich möchte gar nicht wissen wie Sie die Leute überzeugt haben.“, warf Felipe mit einem etwas ironischen Unterton ein. Holzenberg schaute Felipe einen kurzen Moment mit scharfen blitzenden Augen an, um auch sogleich wieder sein leutseliges Gesicht aufzusetzen.
„Nun denn Signor Ventucelli, Wo drückt denn noch der Schuh?“
„Ich vermute mal, dass das ein Fulltimejob wird. Könnte ich dann auf dem Gebiet des Vatikans eine Wohnung oder wenigstens ein Zimmer beziehen? Hinzu kommt, dass ich seit kurzem eine...“ Felipe zögerte einen Moment. „...Lebensgefährtin habe, die ich sehr liebe!“
Das klang vielleicht etwas anständiger als wie »eine Braut am Start« oder so. Das seine Beziehung zu Lorella schon was festes war konnte man nun wirklich nicht sagen. Sie kannten sich ja erst vier Wochen!
Holzenberg grinste etwas zynisch. Er hatte wohl die nette Umschreibung durchschaut. Scheinbar war er gar nicht so weltfremd, wie man es den Klerikern gemeinhin nach sagte.
Hey! Das sind auch nur Männer! , dachte sich Felipe.
„Wir könnten es in Ihrem Ausnahmefall arrangieren, dass Sie und Ihre Freundin eine kleine Wohnung auf dem Vatikan beziehen können, sofern Sie sich denn an gewisse Regeln halten. Ich denke da zum Beispiel an den Austausch von Zärtlichkeiten in den öffentlichen und nicht öffentlichen Gemäuern des Vatikans und die Art und Weise der Kleidung in den öffentlichen Bereichen. Aber das würden wir noch genauer besprechen wenn es soweit ist.“
„Das hört sich schon mal ganz gut an! Wäre da noch die Frage der Vergütung. Ich muss ja von irgendwas leben, ebenso meine Freundin.“
„Abgesehen davon, dass Sie alles, was Sie und Ihre Freundin zum leben brauchen, vom Vatikan kostenfrei gestellt bekommen, werden Sie, sollten wir uns denn einig werden, zum Oberinspektor befördert und zusätzlich entsprechend entlohnt. Nach dem Ergreifen des Täters und seiner Hintermänner erhalten Sie eine Prämie von einer Millionen Euro.“
„Du meine Güte!“ Felipe war überwältigt und setzte sich auf einen Stuhl gegenüber Campresis Sessel. „Das muss ich erstmal sacken lassen!“
„Es ist verständlich, dass das etwas viel auf einmal für Sie sein muss. Aber dennoch bräuchte ich recht kurzfristig, um nicht zu sagen in den nächsten Stunden Ihre Entscheidung. Ich hoffe Sie verstehen das. Die Zeit drängt! Wir wissen nicht wie lange wir die wahre Todesursache des Papstes noch geheim halten können.“
Das sah Felipe sogar ein.
„Wenn ich Ihr Angebot schriftlich haben könnte, stünde einer Partnerschaft nichts mehr im Wege.“
„Etwas Derartiges erwartete ich und habe mir daher die Freiheit genommen schon mal etwas vorzubereiten.“
Holzenberg ging um den Schreibtisch herum und nahm aus einer Aktenmappe die am Boden stand einen vorab aufgesetzten, auf diesen Tag datierten, Vertrag heraus.
„Lesen Sie den Vertrag genau durch und stellen Sie Fragen bei Unklarheiten. Anderenfalls zeichnen Sie einfach beide Exemplare gegen.“
Felipe las den Vertrag genau durch und fand nichts daran auszusetzen. Er überprüfte noch das zweite Exemplar auf seine Gleichheit und unterschrieb.
„Signor Ventucelli! Ich freue mich auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit!“
Holzenberg und Felipe schüttelten sich die Hände.
Die Geheime Zusammenkunft
In einer entlegenen Ecke, vom Hauptportal aus gesehen im rechten Seitenschiff, saßen nebeneinander, vor dem Schrein irgendeines Heiligen, in einer dunklen wenig beachteten Nische, auf einer Holzbank zwei Priester im einfachen Ornat und schienen, die Köpfe gesenkt, flüsternd im Gebet vertieft zu sein. Nur jemand, der zwei unscheinbaren betenden Priestern im Petersdom seine volle Aufmerksamkeit schenkte, würde feststellen, dass sie scheinbar immer nur abwechselnd beteten. Und erst wenn sich dieser Jemand direkt neben die Beiden stellte, würde er feststellen, dass diese Priester gar nicht beteten, sondern sich unterhielten!
„Die Suche war erfolgreich! Der Herr hat uns den Weg zu einem jungen Mann gewiesen, der sich unserer Sache von ganzem Herzen annehmen wird. Mit Gottes Hilfe können wir ihn auf dem rechten Wege leiten. Bruder Emilio geht zu Bischof Warren und übermittelt ihm wortwörtlich »die Saat ist eingebracht«. Er wird dann Bescheid wissen. Wir unterdessen werden unserem jungen Freund jede Hilfe zukommen lassen, um ihn in seiner Arbeit zu bestärken und den rechten Weg finden zu lassen.“
„Seid Ihr sicher den Richtigen gefunden zu haben?“, flüsterte jetzt dieser Bruder Emilio. „Ist er denn gottesfürchtig? Wird er denn nicht das Ansehen des Herren beschmutzen? Bruder Reinhardt, gerade jetzt in dieser schweren Zeit, ist es von größter Wichtigkeit das Ansehen der Kirche nicht zu beschmutzen. Bis zur Beisetzung und dem anstehenden Konklave darf es keine Probleme geben!“
„Macht Euch keine Sorgen, Bruder Emilio! Der junge Mann ist zwar kein gläubiger Christ, aber reinen Gewissens. Er ist jung und lässt sich von einer führenden Hand gut leiten. Die Tatsache, dass er kein ausgesprochener Christ ist, erweist sich später von Vorteil wenn die Hintergründe bekannt werden. Dann stellt er die neutrale Position in den Ermittlungen dar und beweist unsere Weltoffenheit. Also sorgt euch nicht und gebt Bischof Warren wortwörtlich Bescheid »die Saat ist eingebracht«. Gott sei mit Euch! Verweilt noch einen Moment, bevor Ihr geht.“
Der ältere Priester erhob sich. Durch das einfallende Licht eines kleinen Fensters konnte man jetzt dessen Gesicht mit seiner langen spitzen Nase erkennen. Er hielt dem jungen Priester die rechte Hand mit dem großen Siegelring, darauf die Insignien von Opus dei, entgegen. Bruder Emilio deutete einen Kuss auf diesem Ring an, woraufhin sich der ältere Priester umdrehte und das Seitenschiff verließ. Zügigen Schrittes trat er vor den Petersdom. Seitlich von ihm wartete eine schwarze Limousine mit verdunkelten Scheiben. Als sich der Priester auf sie zu bewegte stieg auch schon ein Chauffeur aus und öffnete ihm die Tür.
„Eure Eminenz!“, sagte er höflich und verbeugte sich ein wenig.
„Danke Sergio! Wir fahren in mein Büro!“
„Sehr wohl!“
Neuigkeiten
In Anbetracht der Umstände nahm sich Felipe für den restlichen Tag frei. Schließlich stand er doch mit sofortiger Wirkung beim Vatikan unter Vertrag! Jedoch begann sein Dienst beim neuen Arbeitgeber erst am nächsten Morgen. Alles passte! Felipe hatte einen neuen fantastischen Job, die Sonne schien, der Himmel war blau und die morgendliche Luft war noch angenehm frisch. Beschwingt fuhr er nach Hause und konnte es kaum erwarten seiner Lorella die Neuigkeiten zu erzählen. Er hoffte sie würde genauso begeistert sein wie er. Felipe konnte es noch immer nicht fassen. Er war jetzt Oberinspektor und verdiente dessen Geld! Sollte er den Fall lösen wäre er sogar Millionär! Bei diesem Gedanken hätte er auf seinem Fahrrad am liebsten laut los gejubelt. Doch konnte er sich geradeso zusammenreißen.
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