Doch unser Attentäter war schon längst entschwunden.
Neue Perspektiven
Die christliche Welt lag in Trauer über das plötzliche Ableben des Pontifex. In den Nachrichten hieß es: »Plötzlich und völlig unerwartet ist vergangene Nacht der heilige Vater auf seiner Reise in Igoschetsien verstorben.« Auf allen Fernsehkanälen hat man das Programm geändert und statt der allmorgendlichen Sitcoms eine Sondersendung über den verstorbenen Papst angesetzt, gefolgt von einer mehr oder weniger interessanten Dokumentation über den Papst indessen Folge sich ein noch schlechterer Fernsehfilm über den Papst anschloss. Zu jeder vollen Stunde folgte eine topaktuelle Sondernachrichtensendung in der auch nur immer wieder schon längst Bekanntes wiederholt wurde.
Felipe legte angenervt sein Marmeladenbrötchen beiseite und schaltete mit einer Fernbedienung den kleinen Fernseher in der Küche ab. Er fand es immer wieder scheußlich wie sich die Medien scheinbar über den Tod einer prominenten Person maßlos ergötzen konnten.
» Mit dem Tod kannst du die größten Einschaltquoten erzielen!« , hatte Felipe einmal von einem alten Freund, der da Journalist war, gehört. So ganz wollte er ihm das damals nicht glauben. Aber sah er sich das Fernsehprogramm des heutigen Morgens so an... Sollte sein Freund mit dieser Behauptung doch gar nicht mal so verkehrt liegen?
Das Telefon klingelte. Felipe stand auf, band sich seinen Morgenmantel zusammen und ging auf den kleinen Flur zum Telefon, welches auf einem kleinen Schränkchen stand.
„Ventucelli!“, sprach er in den Telefonhörer.
„Campresi hier!“, antwortete ihm die äußerst gereizte und unhöfliche Stimme seines Vorgesetzten. „Bewegen Sie schleunigst Ihren Hintern in´s Kommissariat. Sie werden hier dringend verlangt!“
„Aber anziehen darf ich mich doch noch, oder?“, antwortete ihm Felipe gereizt, als er auf die Uhr schaute und feststellte, dass er ja noch nicht einmal spät dran war.
„Kommen Sie mir bloß nicht so! Also kommen Sie schon! Sie haben hier äußerst wichtigen Besuch den man nicht warten lassen sollte.“
„Ja na gut! Ich bin schon so gut wie unterwegs.“
Es knackte in der Leitung und die Verbindung war getrennt. Einen Moment schaute Felipe den Telefonhörer an und legte schließlich kopfschüttelnd auf.
„Idiot!“
Er ging ins Schlafzimmer um sich anzuziehen. Lorella lag noch immer, tief schlafend und auf dem Rücken liegend, im Bett. Ihre langen, welligen, schwarzen Haare lagen wild auseinander gebreitet auf dem Kopfkissen und unter ihren Augenlidern bewegten sich die Augäpfel hin und her. Sie schien zu träumen! Die schönen Brüste der neunzehnjährigen hübschen jungen Frau luden Felipe förmlich ein.
„Hab leider keine Zeit Ihr süßen Dinger!“, flüsterte er, um Lorella nicht zu wecken, und zog sich an.
Sein hellblaues Hemd, keine Krawatte - ganz wichtig, und ein einfacher grauer Anzug bildeten seine Dienstkleidung.
Aus seinem Nachtschränkchen nahm er sich seine Dienstwaffe und steckte sie in seinen Pistolenhalfter unter der Jacke.
Das war sein einziger Verstoß gegen die Dienstvorschriften, die da vorschrieben, dass die Dienstwaffe daheim in einem eigenen abschließbaren Waffenschrank aufbewahrt werden musste. Er hatte wohl einen solchen Waffenschrank! Jedoch fand er es müßig, jeden morgen die Zahlenkombination einzugeben und die Pistole aus diesem Waffenschrank in der Besenkammer zu holen. Anders wäre es gewesen, wenn er Familienvater mit Kindern und so gewesen wäre. Aber so als Single, hier und da mal eine Liebelei? Nein! Für Felipe machte das unter diesen Umständen wenig Sinn, jedes mal seine Waffe in der Besenkammer zu verstauen.
Zärtlich gab er der noch immer schlafenden Lorella einen Kuss, streichelte zum Abschied noch einmal leicht eine ihrer Brüste und verließ das Haus.
Morgens war um diese Uhrzeit in Rom die Hölle los. Da war mit dem Auto partout kein durchkommen. Daher hatte es sich Felipe angewöhnt mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren. Es war nicht weit bis zum Kommissariat und er, so fand es Felipe selbst, auch wenn Lorella immer wieder beschwichtigte, konnte es auch ein wenig vertragen. Nach seinem Empfinden hatte er einen leichten Bauch angesetzt. Außerdem war Felipe noch jung. Frisch von der Polizeischule war er zudem auch gut im Training.
Es war ein schöner angenehm milder Morgen im Juli.
Wenn nicht dieser Stadtlärm wäre, könnte man sogar die Vöglein zwitschern hören! , dachte sich Felipe und sauste den Gehweg entlang um eine Kurve. Recht ruckartig musste er plötzlich zur Seite ausweichen. Sonst hätte er eine alte Frau über den Haufen gefahren.
„Entschuldigung Signora!“, rief er nach hinten und erntete dafür wildes Gekeife.
Felipe machte sich nichts daraus. Zu gut wusste er, dass es um diese Zeit der morgendlichen Rushhour lebensgefährlich sein konnte auf der Straße Rad zu fahren.
Er kam gut voran. Schon nach wenigen Minuten hatte er das Kommissariat erreicht. Er sicherte an einem Laternenmast sein Fahrrad mit drei Schlössern und ging gemütlich, er war ja schließlich nicht zu spät, zur Eingangstreppe der Dienststelle. Er sprang die fünf Stufen zur großen Glastür hinauf und stieß sie unsanft auf, wie er es immer tat, weil Felipe wusste, dass sie im Schwung abgebremst wurde um nicht irgendwo anzuschlagen.
Der Wachmann am Empfang sprang auf.
„Mensch Ventucelli wo bleibst du denn?! Alle paar Minuten geht mir der Alte auf den Sack...!“
„Bin doch schon da!“, unterbrach ihn Felipe. „Sogar überpünktlich!“, fügte er noch hinzu als er auf seine Uhr schaute, die erst fünf Minuten vor Sieben anzeigte.
„Ja ja, nun mach schon! Du sollst direkt zum Chef ins Büro kommen!“
„Zu ihm ins Büro?“ Jetzt war Felipe doch erstaunt. „Dann muss es sehr wichtig sein!“
Zu Schulden kommen lassen hat er sich nichts. Er hat sich immer brav an die Dienstvorschriften gehalten. Um eine aufgeflogene Bestechung konnte es auch nicht gehen. So etwas gab es bei Felipe nicht. Er war wohl als Frischling ein solch kleines Licht bei der römischen Kriminalpolizei, dass ihn bisher hat niemand schmieren wollen. Auch persönlich hatte Felipe seine Vorbehalte gegen diese weit verbreitete Form des „Nebenverdienstes“. Zu sehr hafteten ihm wohl noch die auf der Polizeischule eingebläuten Ideale der Polizeiarbeit an.
Zügig lief Felipe jetzt die Treppen des schmalen Korridores empor in den dritten Stock, wo sich das Büro von Campresi befand. Vor dessen großer schwarzer Tür hielt er einen Moment inne, richtete noch einmal seinen Anzug her und klopfte an.
„Herein!“, hörte er Campresi von drinnen rufen. Langsam öffnete Felipe die große Tür und trat ein.
„Na endlich! Ventucelli!“
Felipe schloss die Tür hinter sich und erblickte Campresi, der neben seinem Schreibtisch stand. Dieser kleine rundliche Mann mit schwarzem Haarkranz und einem Schnauzbart hielt eine Akte in der Hand. Was Felipe jedoch noch mehr verwunderte, war die Tatsache, dass auf Campresis gemütlichen Chefsessel hinter dem Schreibtisch irgendein Priester im schwarzen Gewand mit einem roten Zucchetto und einer ebenfalls roten Bauchschärpe saß. Er hatte die Hände vor der Brust gefaltet und sah Felipe mit einer aufgesetzt wirkenden traurigen Mine an. Dabei fiel Felipe als erstes seine lange spitze Nase und ein schwerer Siegelring an seinem rechten Ringfinger auf.
Der Priester, den Felipe nach schneller Auswertung seiner ersten Eindrücke als Kardinal einstufte, erhob auch gleich das Wort ohne Campresi noch einmal die Gelegenheit dazu zu geben.
„Signor Ventucelli! Ich freue mich, dass Sie es so schnell einrichten konnten, uns Ihre wertvolle Zeit zu opfern.“
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