Robert griff zur Feder und tauchte sie ins Tintenfass. Zügig setzte er seine Unterschrift unter die Roll, legte die Feder ab und verbeugte sich vor Elizabeth. „Wisst Ihr, was mich am wenigsten reizt?“, fragte er dann an den König gewandt.
„Ihr werdet es mir sicher gleich sagen.“
„Wenn man mir etwas anpreist wie billige Ware. Egal in welcher Hinsicht. Und nun entschuldigt mich. Die Dämmerung bricht bereits herein und ich habe eine weite Heimreise vor mir.“ Kaum ausgesprochen, war Elizabeth mit dem König allein.
„Meinen Glückwunsch! Ihr versteht es, Robert für mich zu begeistern“, fuhr sie auf.
In aller Seelenruhe nahm Edward die Papiere an sich. „Erstens solltet Ihr Euch nicht im Ton vergreifen und zweitens: Fragt Euch selbst, weshalb er Euch verschmäht. Bruce ist bekannt dafür, dass er jede Frau begattet, die ihm in den Schoß fällt. Die Sache mit der billigen Ware ist ein Seitenhieb in Eure Richtung gewesen. Fakt ist, dass Ihr scheinbar keine Beute seid, die er jagen will. Vielleicht, weil er Euch nicht jagen muss. Darum rate ich Euch dringend, Eure Zuneigung nicht so offen zur Schau zu tragen - und in Zukunft solltet Ihr nüchtern sein.“
„Ich bin nüchtern, Sire.“
„Sicher.“ Sein Blick konnte alles und nichts bedeuten. „Traut Euch nie wieder, mir in diesem Zustand gegenüberzutreten! Bruce habt Ihr damit vermutlich erst recht vergrault.“
„Mit mir hat sein Aufbruch wenig zu tun“, gab sich Elizabeth selbstsicherer als sie war. „Ihr wolltet ein Stelldichein arrangieren und das auf so offenkundige Weise, dass sich jeder überrumpelt gefühlt hätte.
Edwards Zornesfalte vertiefte sich. „Dass ich mich Eurem Vater freundschaftlich verbunden fühle, mag Euch Narrenfreiheit geben. Aber sie hat Grenzen. Also mäßigt Euch gefälligst und zwar in jeder Beziehung, sonst sind Eure Tage an meinem Hof gezählt. Denn ich brauche Euch nicht. Es werden sich genügend andere Frauen finden, die meine Pläne unterstützen. Und ich bin mir sicher, der einen oder anderen wird es eher gelingen, Robert für sich zu begeistern.“
Seine Worte waren verletzend und am liebsten wäre sie ihm ins Gesicht gesprungen. Doch das wäre fatal gewesen. Den König gegen sich zu haben war gleichbedeutend mit dem Ende ihrer Zukunftsvisionen. „Verzeiht meinen Ton und meinen Zustand, Sire. Ich war so aufgeregt und habe mir einen halben Becher Wein gegönnt. Leider vertrage ich nicht viel und merke jetzt selbst, dass ich tatsächlich nicht ganz bei mir bin. Aber erlaubt mir eine Feststellung: Um einen Mann zu erobern, braucht es Gelegenheiten. Wie soll ich Robert für mich gewinnen, wenn er nie da ist? Davon abgesehen habt Ihr mir nicht einmal gesagt, dass er heute kommt.“
„Nun“, die Zornesfalte glättete sich, „in dieser Hinsicht gebe ich Euch sogar recht. Deswegen werdet Ihr in nächster Zeit unter einem Vorwand nach Glamis geschickt. Dort habt Ihr reichlich Zeit, Robert von Euch zu überzeugen. Allerdings gebe ich zu bedenken, dass er angeblich Ende des nächsten Jahres heiraten will. Insofern erwarte ich vollen Einsatz von Euch, wenn Ihr versteht, was ich meine.“
„Natürlich, Sire“, antwortete Elizabeth lächelnd. „Wann soll ich abreisen?“
„Bald.“
Elizabeth stöhnte innerlich auf. „Warum nicht sofort?“
„Weil sich Euer Vater angekündigt hat. Er bat mich um eine Unterredung, bei der Ihr dabei sein sollt. Sobald das getan ist, könnt Ihr nach Glamis reisen.“
„Und das ist wichtiger als der schottische Thron?“ Wie sehr sie ihren Vater hasste, weil er immer wieder in ihr Leben pfuschte.
„Akzeptiert Ihr meinen Wunsch etwa nicht?“ Da war sie wieder, die Zornesfalte.
„Selbstverständlich ist mir Euer Wunsch Befehl“, beeilte sie sich zu versichern. Wie sie dieses Kuschen hasste, und Däumchen drehen bis zu ihrer Abreise überstieg schon jetzt ihre Geduld. Jemand musste sie zwischenzeitlich über Roberts Leben auf dem Laufenden halten und ihr fiel auch schon der geeignete Komplize dafür ein …
Als Jodie die Küche betrat, rührte die Mutter geschäftig mit einem Stock im Kessel, der über der Feuerstelle hing. Einige Hemden des Vaters kochten darin. Über den Stuhllehnen hingen erlesene Mäntel mit Pelzfütterung, darauf Hüte mit Pfauenfedern. Neben den Sesselbeinen lagen Schuhe mit Perlenverzierung. Sir Menteiths und Comyns Sachen. Die beiden waren in einen heftigen Schneefall geraten und patschnass auf ihrer Burg angekommen. Sofort hatten sie sich von den Überkleidern befreit und sich danach das Hasenfleisch schmecken lassen.
„Kannst du den Würzwein hinüberbringen, Jodie?“ Die Mutter legte den Stock ab und hielt ihr in der nächsten Sekunde den Tonkrug mit dem gebrochenen Schnabel entgegen.
„Wo ist Muriel?“ Sie hatte keine Lust, ihren Vater zu sehen.
„Draußen. Ich habe sie Mary entgegengeschickt. Keine Ahnung, wo unsere Köchin so lange bleibt. Hoffentlich ist ihr nichts passiert. Und nun geh, die Männer warten.“
„Kannst du das nicht machen?“
„Ich bin beschäftigt.“
„Bitte, Mutter!“
„Du wirst deinem Vater nicht ewig ausweichen können.“
„Aber bisher habt ihr mich meistens auf mein Zimmer geschickt, wenn Besuch da war.“
„Ja, weil wir genug Personal hatten“, erklärte sie trocken. „Also mach schon.“
Verstimmt verließ Jodie mit dem Gefäß in der Hand die Küche. Während sie durch das Gewölbe ging, erblickte sie eine Spinne an der Wand und beschleunigte ihre Schritte. Kurz darauf öffnete sie die Stubentür. Das Gespräch verstummte sofort.
John Comyn III. - Herr von Badenoch - schenkte ihr ein Lächeln. Ein kräftig gebauter junger Mann mit schulterlangem rotgelocktem Haar, olivgrünen Augen, widerspenstigen Wimpern, einem wilden Bartwuchs und hohen Wangenknochen.
„Wie schön Euch wiederzusehen“, begrüßte er Jodie, wobei er sich über den Bart strich.
„Ganz meinerseits, Sir Comyn.“ Sie hatten sich nur einmal vor zwei Jahren kurz gesehen.
„Du kannst einschenken“, forderte der Vater.
„Deine Tochter wird immer hübscher“, lobte Sir Menteith, Burgherr von Dumbarton Castle, und beobachtete sie beim Einschenken. Dann hoben die Männer ihre gefüllten Becher und prosteten sich zu. Dabei zwinkerte Sir Menteith ihr zu. Er war der engste Freund ihres Vaters. Ein gemütlicher Mann mit korpulenter Statur, einem stets freundlichen Ausdruck im wettergegerbten Gesicht und braunen Augen. „Du musst mir dein Geheimnis verraten, Alan.“ Menteith stellte den Becher auf den Tisch und wischte sich mit dem Ärmel über den breiten Mund. „Wie kommt es, dass sich bisher kein Junggeselle Jodie geschnappt hat? Sie ist das Ebenbild ihrer Mutter und du hast damals keine Zeit verloren, wie wir alle wissen. Herrgott, was bist du verliebt gewesen.“
Jodies Vater starrte auf den Weinbecher. „Noch habe ich nicht den Richtigen für Jodie gefunden.“
„Kannst wohl nicht loslassen, was?“ Menteith lachte amüsiert auf.
„Zuerst werde ich mich nach einer Ehefrau umsehen“, ließ John verlauten. Wie eh war er wie aus dem Ei gepellt. Jede Strähne saß am vorgesehenen Platz, wenn nicht jedes einzelne Haar. Inzwischen brauchte er länger als jede Frau, um sich herauszuputzen und badete fast jede Woche. „Immerhin bin ich zwei Jahre älter als Jodie.“
„Tja, ein Schönling wie du wird sich nicht schwertun“, veralberte ihn Comyn. „Gemeißelt wie aus Gottes Hand. Du brauchst tatsächlich eine Frau, die dich auf den Boden der Tatsachen zurückholt.“ Johns Eitelkeit schien bereits Kreise gezogen zu haben. „Aber ein Mann muss nicht schön sein, sondern gut kämpfen können.“
„Mir wurde beides in die Wiege gelegt“, tat John großspurig.
„Reden wir noch von dir oder eher von William?“ Comyn und Menteith lachten schallend. John wurde feuerrot im Gesicht und sah längst nicht mehr so selbstsicher aus. Umso mehr tat er Jodie leid, weil er jemanden darstellen wollte, der er nicht war. Nie sein würde. Denn von einem Mann wurde erwartet, dass er sich wie ein Mann benahm. Etwas, das gegen Johns Natur war.
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