„Was, wenn ich Euch sage, dass ich die Ansicht Eures Vaters teile?“
„Das ändert natürlich alles“, sagte sie in honigsüßem Ton.
„Ich meine es ernst, Elizabeth.“
„Ich auch“, entgegnete sie kalt. „Robert und ich gehören zusammen. Das lasse ich mir weder von Euch noch von jemand anders ausreden.“
„Ihr kennt meinen Einfluss.“
„Worauf spielt Ihr an? Auf Eure vier Marionetten? Steward hat sich erhängt, nachdem man seinen Sohn aufgeschlitzt hat. Patrick the Bruce verjubelt sein ganzes Vermögen in Freudenhäusern, Green kann sich vor Fettleibigkeit kaum bewegen und Montfort hält eher zu Robert als zu Euch. Wenigstens dieser Mann weiß, auf welcher Seite er stehen muss.“ In Wahrheit konnte sie Montfort nicht ausstehen, weil er ihr ständig Avancen machte. Als sie sich im letzten Jahr auf einem Hofball begegnet waren, hatte er sie mit Blicken förmlich ausgezogen. Obwohl sie keine Kostverächterin war und der Einfluss dieses Mannes - besonders auf Robert - von Vorteil sein konnte, ignorierte sie seine Annäherungsversuche, denn er hatte die Attraktivität einer Ratte.
„Montfort steht auf meiner Seite, so lange er nichts von unserer Affäre weiß“, erwiderte George. „Er ist in Euch verliebt und beklagt sich oft über Eure Distanziertheit. Aber das ist nicht mein Problem, und davon abgesehen habe ich weitaus einflussreichere Verbündete, Elizabeth.“
„Glaubt Ihr? Nun, auch mein Arm ist ziemlich lang, werter George. Womöglich länger als Euer Blick reicht.“ Kurz fixierte sie die Spielfiguren. „Ihr spielt gern mit Eurem Leben, wie es aussieht.“
„Lady Isabella von Mar ist meine Nichte“, lenkte er ein, obwohl sein Ton drohend blieb.
„Und sie ist Roberts Verlobte, ich weiß. Habt Ihr etwas, das wirklich von Belang ist?“
„Meine Familie unterstützt diese Verbindung. Eure tut das nicht.“
„Mutter will, dass ich glücklich bin. Was andere sagen interessiert mich nicht.“
„Und ich will, dass Isabella glücklich ist. Sie bedeutet mir sehr viel.“
Elizabeth lachte trocken auf. „Glaubt Ihr selbst, was Ihr da sagt? Nicht ein Wort davon ist wahr! Ihr seid zu tieferen Gefühlen weniger fähig als eine Schmalzfliege. Aus Euch spricht lediglich der Wunsch, den künftigen König von Schottland in Eurer Familie zu haben. Es würde den Stammbaum derer von Mar erheblich adeln.“
„Balliol ist König.“
„Was nur eine Frage der Zeit ist. Das wissen wir alle, Ihr zuallererst. Robert wird ihm bald den Thron streitig machen. Er ist kein Mann, der sich auf Dauer fernhalten lässt.“
George legte den König auf den Tisch, bevor er sich erhob und einige Schritte hin und her ging. Dabei verschränkte er die Arme im Rücken. „Was redet Ihr da? Robert the Bruce ist ein Weichling, er wird es nie zum König bringen. Nebenbei gefragt: Wie könnte ein Mann wie er ein solches Vorhaben bewerkstelligen? Will er Balliol etwa mit einer Rose vom Thron stürzen?“
„Dennoch haltet Ihr an seiner Verbindung mit Lady Isabella fest. Beleidigt mich deswegen nicht länger, indem Ihr versucht, mich für dumm zu verkaufen. Einige Einwände mögen zutreffen, aber alles was Robert braucht ist eine starke Frau an seiner Seite.“
„Die hat Bruce.“
„Lady Isabella ist für ihre Nachgiebigkeit bekannt. Eine Frau mit laschem Händedruck, während ich zupacken kann.“
„Ihr solltet mich ebenfalls nicht für dumm verkaufen. Euch geht es letztlich auch nur um den Thron. Von wegen Euch würde Politik nicht interessieren.“
„Wenn sie mir persönliche Vorteile verschafft, ist das Gegenteil der Fall. Insofern hätte ich nichts dagegen schottische Königin zu werden, denn warum sollte ich mich mit der Hälfte begnügen, wenn ich alles haben kann? Den Thron und die Liebe?“
George blieb vor ihr stehen. „Liebe? Das ist nicht Euer Ernst.“
„Weshalb nicht?“
„Weil Ihr aus demselben Holz geschnitzt seid wie ich. Ihr könnt nicht lieben.“
„Oh doch, George.“ Elizabeth erhob sich. Nur wenige Zentimeter trennten ihre Gesichter voneinander. „Ich kann es, und bin mir sicher, Ihr konntet es ebenso. Liege ich richtig in der Annahme, dass Eure Gefühlskälte auf einer tiefen Enttäuschung beruht?“ Als sich sein Gesicht verschloss, wusste Elizabeth, dass sie den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. „Wer ist sie? Kenne ich sie?“
„Die Frau verkehrt nicht in unseren Kreisen.“
„Ist sie eine Hure?“
Elizabeth schrie auf, als er ihr Handgelenk ergriff und schmerzhaft zudrückte. „Diese Frau hat Ehrgefühl, Schönheit und Wärme.“
„Umso besser verstehe ich, weshalb sie den Platz an Eurer Seite meidet“, fauchte Elizabeth. „Aber ich habe nichts dagegen, wenn Ihr in Gedanken bei Ihr seid, sobald Ihr mich besteigt. Na los, worauf wartet Ihr? Schließt Eure Augen und küsst sie . Nehmt Euch, was Euch gehören sollte. Ohne Rücksicht.“ Elizabeths Atem ging keuchend, weil sein Aufstöhnen ihre Erregung steigerte. „Ihr könnt mich sogar bei ihrem Namen nennen, wenn das Eure Leidenschaft anregt.“
Er ließ sie los. Ungeduldig schob er ihr Kleid hoch und küsste sie hart auf den Mund. Dabei drängte er sie auf den Stuhl zurück, bog ihre Schenkel auseinander und öffnete die Schnüre seiner Hose. Erwartungsvoll schaute Elizabeth auf sein steifes Glied, bevor er in sie stieß. „Margarete, oh Margarete“, rief er aus, und plötzlich wurde sein Gesicht zu einer Grimasse. Seine Stöße wurden ungeahnt hart, doch das steigerte Elizabeths Lust. „Wie konntest du diesen Wallace heiraten?“, zischte er, bevor er sie in Besitz nahm wie nie zuvor …
Jodie saß vor dem Fenster. Der Himmel schwitzte Düsterkeit aus. Zwielicht beherrschte die verschneite Landschaft und schien sogar ins Haus vorzudringen, obwohl Kerzen die Stube erhellten. Die frischen Scheite knackten mitsamt dem Reisig, den die Mutter hineinwarf.
„Soll ich dir wirklich nicht helfen?“, fragte Jodie und rutschte auf ihrem Stuhl hin und her. Gleichzeitig fragte sie sich, weshalb die Mutter sie herunterzitiert hatte.
„Nein, ich muss ohnehin kurz verschnaufen.“ Seufzend erhob sich ihre Mutter und setzte sich in den abgewetterten Stuhl vor dem Edelholztisch. Ihr Kinnband flatterte, als würde jemand auf den zarten Stoff hauchen. Abwesend fuhr sie sich an die weiße Haube, unter der sie ihr Haar verbarg. Dabei betrachtete sie das Paar neuer Lederschuhe auf dem Tisch. Einen davon nahm sie in die Hand und drehte ihn mit der Naht nach innen.
„Vater wird es nicht gefallen, dass du schon wieder Schuhe für William machst.“
„Wer sollte es ihm verraten?“
„Natürlich, wer soll es ihm verraten“, murmelte Jodie und fuhr lauter fort. „Nirgends sind Geheimnisse so gut aufgehoben wie in unserer Familie.“
Abrupt hob die Mutter den Kopf. Ihre Hände zitterten. „Manche Dinge sind nicht einfach zu erklären. Man weiß nie, was man damit auslöst.“
„Einen Versuch wäre es wert.“ Jodie richtete sich etwas auf.
„Manchmal geschieht etwas im Leben, das so tiefgreifend ist, dass man es am liebsten vergessen möchte.“ Ihre Mutter legte den Schuh auf den Tisch. „Dazu gehört auch der Tod deines Bruders. Malcolm hat seine Liebe zu Schottland bitter bezahlt.“ Traurigkeit lag in ihrer Stimme, trotzdem wuchs Jodies Ungeduld. „Was gäbe ich darum, meinen Jungen noch einmal sehen zu dürfen.“
„Hast du mich deswegen holen lassen? Um mit mir über Malcolm zu reden? Oder ist da etwas anderes?“
Sie schaute Jodie an, als verstünde sie die Frage nicht. „Ich wollte mich lediglich mit meiner Tochter unterhalten.“
„Gut, dann lass uns reden, Mutter. Darüber, wie lange du mich noch hier festhalten willst.“ Jodie war von der Heftigkeit ihrer Worte selbst überrascht, aber sie konnte nicht anders. Einerseits fühlte sie sich erschöpft, andererseits hielt sie diese Scheinheiligkeit einfach nicht mehr aus. „Hast du dich deshalb geweigert, mir Lesen und Schreiben beizubringen, obwohl ich dich förmlich angebettelt habe, es zu tun? Um mich noch enger an dich zu binden? Ganz ehrlich, Mutter, ich will das alles nicht mehr.“
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