Ich werfe Trish einen kurzen Blick zu, dann gehe ich allein zurück zur Bar, wo ich mich erschöpft anlehne und mir Luft zufächle. Ich wende mich dem Barkeeper zu, um zu bestellen, werde aber von einem Mann neben mir unterbrochen. Es ist Rochester.
»Was möchtest du trinken?«, fragt er mich mit einem lässigen Lächeln und lässt seinen Blick über mein Gesicht gleiten. Ich frage mich, warum er mich ausgewählt hat und nicht Trish oder Andy. Vielleicht, weil er Trish schon kennt und ihm Andy zu unsicher erscheint. Von Trish weiß ich, dass er auf Frauen mit Erfahrung steht, denen kann er leichter seine Fantasien aufdrücken, ohne dass sie sich abgeschreckt fühlen.
Da ich weiß, dass sich jede Frau sofort von ihm einladen lassen würde, tue ich es nicht. Denn ich will mehr als das, was er den Mädchen gibt, mit denen er sich sonst umgibt. Ich will seine Neugier und das, was er sich nur bei Professionellen wagt. Eine so intensive Neugier, dass es ihm unmöglich ist, nein zu sagen. Ladys, wollt ihr einen Mann, der sonst jede Frau haben kann, tut so, als könne er euch nicht haben.
»Ich kann das allein«, sage ich knapp, ohne ihn anzusehen und winke dem Barkeeper zu. Ich bestelle einen teuren Macallan, weil Männer es lieben, wenn Frauen Geschmack haben. Eine Frau, die den richtigen Whiskey trinkt, macht sie neugierig. Als er bezahlen will, gebe ich dem Barkeeper die schwarze Karte der Agentur, bevor dieser nach Rochesters Platinkarte greifen kann.
Rochesters Blick verengt sich etwas, aber er kann trotzdem nicht verbergen, dass er interessiert ist. »Colton«, stellt er sich vor und hält mir seine Hand hin.
»Amy«, antworte ich knapp, nehme einen Schluck von dem widerlich nach Straßenbelag schmeckendem Whiskey und ignoriere seine Hand. Irgendwann wird mir hoffentlich jemand erklären, wieso etwas, das nach heißem Teer schmeckt, 1000 Pfund kosten kann. Ich schwenke das Eis im Glas und wende mich zur Tanzfläche um, wo Trish ihren Körper gerade an Lord Damien Westhouse presst. Also ist Rochester doch nicht allein hier. »Ich bin nicht interessiert. Meine Freundinnen und ich, wir sind hier, um Spaß zu haben.«
Rochester nickt zu Trish und Andy. »Deine Freundinnen haben Spaß, du aber nicht.«
Ich werfe Rochester einen gespielt genervten Blick zu. »Wer sagt, dass man beim Trinken von Whiskey keinen Spaß haben kann?«
Rochester neigt sich zu mir. »Nicht, wenn man allein trinkt«, sagt er gerade laut genug in mein Ohr, dass ich es über die Musik hinweg hören kann. »Erzähl mir von dir«, fordert er mich auf.
Ich nippe an dem Whiskey und sehe ihn jetzt doch an, weil ich mir sicher bin, dass ich mich lange genug desinteressiert gegeben habe, um sein ernsthaftes Interesse geweckt zu haben. Er wird nicht gleich wieder gehen, wenn er das Gefühl bekommt, er hätte jede Chance bei mir. Jeder Mann auf diesem Planeten ist auch ein Raubtier mit einem Jagdinstinkt, der befriedigt werden möchte. Bei Männern wie Rochester ist dieser Jagdinstinkt besonders ausgeprägt und wird oft enttäuscht, weil die Frauen es ihm zu einfach machen. »Wieso sollte ich das tun?«
»Weil du mit Sicherheit schon alles über mich weißt, ich aber gar nichts über dich.«
Ich schenke ihm ein müdes Lächeln. »Ich weiß, was die Medien über dich berichten, was bedeutet, dass ich eigentlich nichts über dich weiß«, sage ich zu ihm, gehe aber nicht darauf ein, was ich dank Trish über ihn weiß. Auch Callgirls sollten Geheimnisse wahren, das ist absolute Pflicht. Nur ist es schwierig, die körperlichen Zeugnisse von hartem Sex zu verbergen, wenn man zusammenwohnt.
Er zieht bewundernd eine Augenbraue hoch. »Du glaubst also nicht, was in der Zeitung steht?«
Ich lächle wieder träge und tippe gegen seine Brust. »Ich glaube, dass der Mann, den Sie mir gerade präsentieren und der Mann, den Sie in der Öffentlichkeit zeigen, nicht der ist, der hier drinnen steckt, Lord Rochester.«
Er lacht düster auf und zeigt mir seine perfekten Zähne, die im Licht aufblitzen. »Welcher von beiden würde dich denn interessieren?«
»Um ehrlich zu sein, keiner von beiden.« Ich beuge mich zu ihm, so wie er es vorhin bei mir getan hat. »Mein Interesse liegt ganz woanders«, sage ich heiser. »Mir ist der Mann selbst egal, ich bin hinter seinen Talenten her.« Mit diesen Worten trinke ich mein Glas aus, stelle es zurück auf die Theke und gehe an Rochester vorbei zurück auf die Tanzfläche, wo ich mich zwischen Westhouse und Trish dränge, als hätte ich Westhouse nicht bemerkt. Man kann Westhouse unmöglich nicht bemerken: er ist groß, breitschultrig und hat diese Augen, die man nie wieder vergisst. Er ist die Sorte Mann, die Frau in ihre Träume verfolgt. Dunkel, oft kalt und arrogant und sehr attraktive 35 Jahre alt.
Trish und ich tanzen zusammen, ohne die beiden Männer in unserer Nähe zu beachten. Wir haben Spaß miteinander und haben Spaß mit Andy. Wir lachen viel, bis sich eine Fremde zu uns gesellt und versucht, sich immer wieder zwischen uns und die beiden Lords zu drängen. Sie biedert sich ihnen regelrecht an, reibt ihren Körper mal an dem einen und mal an dem anderen Mann. Als Damien sich von ihr befreit und sich wieder auf Andy zubewegt, stößt die Fremde Andy so grob zur Seite, dass Andy stürzt und mit dem Gesicht auf dem Boden aufschlägt. Mir bleibt fast das Herz stehen, und sekundenlang bekomme ich keine Luft mehr und bin erstarrt.
Ich packe die Fremde wütend am Oberarm, damit sie mir ihre Aufmerksamkeit schenkt, denn es interessiert sie nicht, dass Andy auf dem Boden liegt, dass sie verletzt sein könnte oder um sie herum Menschen stehen, die aufgrund ihrer brutalen Attacke erschrocken sind, sie schmiegt sich einfach an Lord Westhouses Seite und sieht zufrieden lächelnd zu ihm auf. »Du gehst jetzt besser«, sage ich ruhig zu ihr und wende mich dann Andy zu, der Damien gerade aufhilft. Die Fremde geht, ohne sich zu entschuldigen, aber das habe ich auch nicht erwartet. Ich sehe mir besorgt Andys Gesicht an, auf ihrer Stirn entsteht eine Beule von der Größe eines Taubeneis, aber sie weint nicht, vielmehr ist sie verwirrt, wegen dem, was ihr gerade passiert ist. Das sind wir alle, weil wir ein solches Potential zur Gewalt noch nie erlebt haben.
»Geht es dir gut?«, frage ich Andy, hake mich bei ihr unter und führe sie auf die Bar zu, wo ich etwas Eis bestelle und damit Andys Stirn kühle. Ich bin ziemlich wütend auf diese Frau, und ein wenig auch auf mich selbst und auf die beiden Lords. Noch vor ein paar Jahren wäre ich wie ein Berserker auf die Fremde losgegangen und hätte ihr ihr hübsches Gesicht ramponiert. Aber ein paar Jahre Therapie haben mir dabei geholfen, meine Gefühle besser kontrollieren zu können, also bleibe ich ruhig und lasse mir nicht anmerken, wie es in mir drin aussieht, stattdessen konzentriere ich mich auf Andy, deren Stirn immer mehr anschwillt.
»Wie geht es ihr?«, möchte Colton aufrichtig besorgt wissen und mustert Andy. »Wir haben eine Lounge im VIP-Bereich, dort kannst du dich besser um deine Freundin kümmern«, schlägt er vor.
»Darf ich mal sehen?«, mischt sich Damien Westhouse ein und tritt neben mich. Er nimmt mir den Eisbeutel aus der Hand und sieht sich Andys Stirn an. Über Lord Westhouse ist bekannt, dass er, als er seinem Land gedient hat, eine Ausbildung zum Sanitäter gemacht hat, also lasse ich ihn einen Blick auf Andy werfen.
»Gehen wir nach oben«, wirft Rochester wieder ein und schüttelt wütend den Kopf, als eine Frau versucht, sich an seinen Unterarm zu hängen. »Jetzt nicht, Kleine«, sagt er abfällig zu ihr und gibt einem seiner Bodyguards ein Zeichen. Der Mann kommt sofort näher und drängt sich zwischen uns und jeden anderen im Club, und baut sich wie eine Mauer auf.
Ich sehe kurz zu Trish, die den Kopf schüttelt. Wir gehen nie mit unseren zukünftigen Kunden mit, nicht ohne Bezahlung. Das ist eine unserer wichtigsten Regeln. Privates und Geschäftliches darf nie vermischt werden. Unsere Grenzen sind klar und strikt, auch um uns und die Kunden zu schützen.
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