Nachdem ich Mala und die Kinder so entrüstet und in meiner Ehre gekränkt verlassen hatte, deponierte ich in unserem Sommerhaus meine wenigen Habseligkeiten. Zwar versuchte ich Zerstreuung von meiner mir angetanen Schmach zu finden, doch bei einem Besuch im Bordell überfiel mich die Reue. Sofort machte ich mich auf den Weg, damit ich Mala um Verzeihung bitten konnte. Denn ohne sie und die Kinder empfand ich mein Leben nur als öde und leer.
An diesem Tag hatten die Zwillinge Geburtstag und ich empfand es als gute Idee, gerade an diesem denkwürdigen Datum meine Abbitte zu leisten. Mir gelang es sogar ungesehen in die Stadt einzudringen; nachdem ich mein Dienstsiegel abgegeben hatte, war mir der Zutritt vom Lord verboten worden. Dummerweise wusste ich nicht, was mich vor dem Haus meines Sohnes Gungnir erwartete.
Der Lord war dafür bekannt, dass er sich immer wieder neue Mittel und Wege erdachte, um die Vampire endgültig auszurotten. Also züchteten er und seine Handlanger eine Monstrosität, wie sie vorher noch nie ein Wesen zu Gesicht bekommen hat. Diese Abnormität war eine Kreuzung aus Vampir und Dämon und hörte auf den vielsagenden Namen "Typhoon". Aber jetzt kommt´s: Seine Lordschaft hatte zu hoch gepokert und verloren, denn das Vieh dachte nicht im Traum daran, auf irgendetwas zu hören, schon gar nicht auf seinen Namen, wenn man ihn rief. Typhoon geriet außer Kontrolle und zog wild mordend durch die Stadt. Leider fühlte Typhie sich von Gungnirs Blut angezogen. Denn diese kranken Köpfe hatten ausgerechnet sein Blut zur Erschaffung dieses verabscheuungswürdigen Monsters missbraucht. Nun drückte es sich lauernd vor Gungnirs Villa herum und ich taumelte unversehens in diese dumme Situation.
Da ich meine Lieben von diesem grauenvollen Wesen bedroht sah, ging ich sofort zum Angriff über. Dabei gingen sowohl der Springbrunnen, als auch die Grundstücksmauer zu Bruch. Dieses Unwesen spie mir seinen giftigen Speichel ins Gesicht, woraufhin ich erblindete. Aber mein Gehör ist enorm empfindlich und so war es mir möglich, dem räudigen Bastard doch noch das Fell über die Ohren zu ziehen. Diese Aktion katapultierte mich auf sofortigem Wege in Malas Herz zurück. Der Lord war allerdings weniger angetan darüber, dass ich ihm seine Geheimwaffe zu Klump gehauen hatte. Deshalb ließ er mich in der gesamten Stadt und Umgebung suchen.
Nun, zum Glück war die Verwandtschaft von Gungnirs Frau vor Ort, um seinen Geburtstag zu feiern. Cornelius behandelte meine Augenverletzung und so schifften Cedric und ich uns aus der Stadt aus, um zur Insel Høy Øya gebracht zu werden, wo ich die Ruhe fand meine Verletzungen auszukurieren. Ich blieb auf der Insel und Mala und die Mädchen kamen später nach. Dort führten wir ein mehr oder weniger beschauliches Leben. Mein Pferd Gustav wurde vom kleinwüchsigen Benito mit dessen Kühen gemeinsam auf den Wiesen des Land-Anwesens versorgt. Und so vergaß ich völlig, dass in meinem Sommerhaus noch meine Heiligtümer deponiert waren.
Und dann kam der Tag, an dem der Lord mich rief. Dieser verhängnisvolle Tag, der mein bisheriges (Un)Leben völlig verändern sollte und mich der Welt von damals entriss. - Um mich ins Hier und Jetzt zu befördern. Ich vermisse Mala und die Mädchen jeden Tag aufs Schmerzlichste und ich weiß nicht, ob ich jemals über ihren Verlust hinwegkomme. All die Affären und Frauen können das Loch in meinem Herzen niemals stopfen. Mala war einzigartig, ihre Haar duftete so wunderbar ...
Diese bittere Erinnerung war meiner Migräne überhaupt nicht zuträglich und mir wurde richtiggehend übel. Mein Sehen war nur noch verschwommen und durch meine Optik zog sich ein dicker, grell-grüner Streifen. Und der Boden bewegte sich. Das Nächste, was ich wieder wahrnahm, war etwas Warmes, Feuchtes. Brutus schlabberte mir durchs Gesicht.
… Puh, da bin ich aber froh, denn ich dachte schon, es wäre Barbiel ...
Angewidert wischte ich mir übers Gesicht.
»Ragnor? Was ist mit dir?«, fragte der Engel leicht entsetzt.
Erschrocken musste ich feststellen, dass ich auf dem Boden lag und mein Kollege mich aus besorgten Augen ansah. Barbiel, nicht Brutus, comprende?
»Keine Ahnung, was mache ich hier auf dem Boden?«, fragte ich leicht verwundert.
»Gute Frage, das Gleiche habe ich mich auch gefragt. Hier ist dein Kaffee, trink, der wird dich wieder auf die Beine bringen.«
Vorsichtig setzte ich mich auf, und Barbiel reichte mir den Becher mit dem Kaffee.
»Sag mal Engelchen, warum sind da zwei Plastiklöffel in meinem Becher?«, fragte ich überrascht und versuchte mich davon zu überzeugen, nicht doppelt zu sehen.
»Du sagtest, du trinkst deinen Kaffee mit Zucker und zwei Löffeln«, meinte er.
Also ehrlich, Barbiel ist manchmal wirklich etwas schräg drauf, oder nimmt er etwa alles für bare Münze?
»Barbiel, versprich mir, dass du niemals in Erwägung ziehst, irgendwann einmal Kinder zu zeugen. Anderenfalls müsste ich mir ernsthafte Sorgen über die Zukunft machen«, schnappte ich etwas ungehalten. Er hatte mich heute schon einmal im Fremdschämen unterrichtet.
»Du weißt, dass ich deine gesundheitliche Krise der Zentrale melden muss?«
Er zückte sein Handy und wollte wählen. Schnell packte ich ihn am Hosenbein. »Barbiel, tu das nicht. Mir geht es gut. Wenn du meldest, dass ich einen Klappmann gemacht habe, werde ich von diesem Fall abgezogen. Das will ich aber nicht. Also pack dein blödes Handy wieder ein, sonst breche ich dir die Beine und du wirst ebenfalls von diesem Fall abgezogen!«
Diese Perspektive gefiel meinem Kollegen nicht besonders gut. Resigniert steckte er sein Handy weg. »Okay, aber versprich mir, dass sobald wir wieder im Stützpunkt sind, du dich gründlich untersuchen lässt. Am besten, sie machen ein MRT von deinem Kopf. Amandas Gerät ist groß genug, einen Oger durch die Röhre zu schicken.«
Bei diesem Satz kam mir Amanda in den Sinn, mein Gerät und die Sphären, die wir damit erreichen könnten. Gemeinsam mit Amanda würde ich gerne zu dem Tier mit den zwei Rücken mutieren, frei nach Shakespeare ausgedrückt.
…Hey! Was ist? Ich war eben noch ein wenig durcheinander ...
Wohl oder übel musste ich Barbiel dieses Versprechen geben.
… Okay, man kann sich ja mal versprechen, oder?...
Mittlerweile begannen sich die ersten Besucher im Museum zu zeigen. Zur Stärkung rührte ich mir eine Trockenbluttablette ins schwarze Getränk. Mein Schutzengel half mir wieder auf die Beine, platzierte mich auf eine Bank und drückte mir eine Zeitung in die Hand. »Hier, ich habe dir etwas zum Lesen mitgebracht, hilft gegen die Langeweile.«
Normalerweise gerate ich nicht so leicht aus dem Häuschen, doch die Schlagzeile, die auf der Zeitung prangte, ließ mich laut auflachen. Was dazu führte, dass mich einige Museumsbesucher kritisch musterten. Unser Kommissaren-Duo war wirklich vorteilhaft abgelichtet worden. Und dann noch die Frage mit den Außerirdischen! Jedes Kind weiß: Dafür sind die Kerle mit dem Blitzdings zuständig.
Außer dem seltsamen Duo ereignete sich so gut wie gar nichts Aufregendes während unserer Schicht. Wir zogen unsere Runden so, dass einer von uns in dem verdächtigen Raum zurückblieb, um dort Wache zu halten. Barbiel ging mehrmals mit dem Hund raus und ich musste mich immer wieder mit Kaffee wach halten. Für mich ist so ein Museum einfach nur langweilig. Einmal erschrak Barbiel, weil ein Kind rief, es sähe dort einen Engel. Er fühlte sich auf unschöne Weise ertappt. Doch er atmete wieder auf, als das Kind auf ein Bild zeigte, auf dem ein Engel abgebildet war.
Erwartungsfroh trielte ich dem langersehnten Feierabend entgegen und hoffte, dass Dracon und Silent Blobb bald eintrafen. Offiziell hat der Louvre bis 21 Uhr geöffnet. Die beiden wollten, nachdem die letzten Besucher gegangen waren, hier bei uns eintreffen. Silent Blobb ist wirklich kein schöner Anblick und man weiß nicht, wie die Leute auf einen riesigen Schleimbolzen reagieren, wenn er ihnen zu Gesicht käme. Und noch etwas beschäftigte meine Gedanken und zwar so, dass sich mein Kopf schon fast anfühlte, als wäre er ein Karussell. Wie bekam ich mein Eigentum zurück? War es möglich das Bild unbemerkt zu entfernen? Wohl kaum. Diese ganze Sache wurmte mich enorm.
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