Dann schlenderten sie auf der von sehr vielen Menschen bevölkerten Promenade entlang, sich dabei angeregt unterhaltend, blieben wiederholt stehen, beobachteten die auf dem Wasser fahrenden kleineren Boote und blickten zur Skyline von Hongkong Island hinüber. Jan bewunderte den phantastischen Anblick und erklärte, dass er so etwas noch nie gesehen habe. Suska war glücklich darüber, dass es ihm gefiel, und sie gab ihm das auch zu verstehen.
Etwa am Ende der Promenade kehrten sie um, nachdem Suska angeregt hatte, Jan den Anleger der Star Ferry zu zeigen, der sich in unmittelbarer Nähe des Uhrenturms befinde. Vielleicht habe gleich nebenan auch ein Kreuzfahrtschiff angelegt, das sie sich aus der Nähe ansehen könnten. Jan war mit allem einverstanden.
Kurz vor acht Uhr – sie befanden sich noch auf der Promenade – sagte Suska: „Gleich geht es los. Gleich werden Laserstrahlen in verschiedenen Farben an den Hochhäusern von Hongkong – Island hoch zucken und auch das Kulturzentrum wird in verschiedenen Farben angestrahlt. Diese Lichterschau gibt es jeden Abend für mehrere Minuten. Sie lockt immer wieder viele Menschen auf die Promenade.“
Und tatsächlich pünktlich am acht Uhr begann das Lichtspektakel, das beide von einer Bank aus bewunderten. Auch am Kulturzentrum hinter ihnen loderten Lichtstrahlen in verschiedenen Farben in die Höhe.
Als es zu Ende war und beide sich erhoben hatten, zeigte Suska auf eine breite Treppe, die zum Eingang des Kulturzentrums hinauf führte, und sagte: „Wenn wir heute Morgen hier gewesen wären, hättest du mit großer Wahrscheinlichkeit mehrere Hochzeitspaare bewundern können, die fast jeden Samstag mit ihren Gästen auf dieser Treppe stehen und sich fotografieren oder filmen lassen.“
Dann schlenderten sie zum nahe gelegenen Anleger der Star Ferry. Suska nutzte die kurze Wegstrecke, Jan darüber aufzuklären, dass er, wenn er mal allein unterwegs sei, stets Kleingeld bei sich haben müsse, da sowohl bei der Bezahlung der Fährüberfahrt als auch bei der Benutzung eines Busses kein Wechselgeld herausgegeben werde. Das Kleingeld müsse jeweils in einen Behälter geworfen werden, der sich bei den Bussen vorn befinde. Dort sei auch der Einstieg. Bei der nostalgischen Straßenbahn, die regelmäßig an der Nordküste der Insel Hongkong entlang rumpele, sei es insofern anders, als sich der Einstieg und der Behälter für das Fahrgeld hinten befänden. Im Übrigen seien die Fahrpreise für die Fähre, für die Busse und die Straßenbahn aber relativ billig.
„Morgen früh, wenn ich dich abhole, komme ich mit der U – Bahn,“ kündigte Suska an, „dann werden wir mal die Fähre benutzen und auch die Straßenbahn, wenn wir zu meinen Eltern zum Mittagessen fahren.“
Jan staunte über die vielen Menschen, die sich im Bereich des Fähranlegers aufhielten, und er brachte seine Verwunderung Suska gegenüber zum Ausdruck.
„Hier ist jeden Tag bis in die Nacht hinein so viel los,“ sagte sie darauf. „Das liegt aber auch mit daran, dass sich dort drüben ein riesiges Einkaufszentrum mit großen und kleinen Geschäften und vielen Restaurants befindet, die bis spät abends geöffnet haben. Das Ocean Centre, so wird es genannt, ist eines der bekanntesten Einkaufstempel der Stadt, und wenn Kreuzfahrtschiffe unmittelbar daneben anlegen, werden die Passagiere zunächst direkt durch das Einkaufszentrum geleitet, bevor sie die Straßen erreichen. Ich glaube, so etwas gibt es nicht einmal in Hamburg.“
Sie zeigte dabei auf einen großen Gebäudekomplex, der sich etwa gegenüber dem Fähranleger befand und dessen Fassaden von einer prächtigen Weihnachtsbeleuchtung erhellt wurden.
„Hier und auch in anderen Einkaufszentren sowie in den großen Hotels in Hongkong ist jetzt schon vieles auf Weihnachten ausgerichtet, weil wir morgen bereits den ersten Advent haben,“ sagte Suska, die gleich darauf begeistert ausrief: „Und sieh mal, wir haben Glück. Dort liegt ein Kreuzfahrtschiff am Kai. Es ist zum Greifen nahe. Man kann sogar den Namen des Schiffes lesen. Es ist eins von der Star Cruise Line, die hier in Hongkong beheimatet ist.“
Beide blickten zu dem Schiff hinüber, und Jan kam aus dem Staunen nicht heraus. Er kannte zwar die Großstadt Hamburg mit ihrem enormen Verkehr tagsüber auf den Straßen und im Hafen, aber Hongkong war anders. Hier wirkte auf ihn alles konzentrierter, lebendiger und wuseliger, und die Menschen mit ihren asiatischen Gesichtern erschienen ihm überhaupt nicht fremd. Eigenartig, er hatte von Anfang an das Gefühl gehabt, sich in dieser Stadt wohl fühlen zu können.
„Der auffallend starke Fußgängerverkehr hat neben den späten Einkaufsmöglichkeiten und den angenehmen Temperaturen ihren Grund aber auch darin,“ ergänzte Suska, „dass die weitaus meisten Bewohner Hongkongs sehr beengt in kleinen Wohnungen leben und viele abends nach Feierabend das Bedürfnis haben, aus dieser Enge herauszukommen – glaube ich jedenfalls.“
Danach schlug sie vor, zur nahe gelegenen Nathan Road zu bummeln, zu einer der bekanntesten Einkaufsstraßen Hongkongs, und von hier aus zum Nachtmarkt, den Jan unbedingt kennen lernen müsse. Dieser Markt sei einer der größten von den zahlreichen Märkten in Hongkong, der jeden Abend auf einer Straße aufgebaut werde, zwischen achtzehn und dreiundzwanzig Uhr geöffnet habe und auf dem man viele Dinge preiswert kaufen könne. Er sei auch eine Touristenattraktion, nicht weit von hier entfernt und gut zu Fuß zu erreichen.
Jan war einverstanden. Er wusste ohnehin nicht genau, wo er sich innerhalb Hongkongs befand. Ihm war nur klar geworden, dass sie sich bisher nicht weit von seinem Hotel entfernt hatten.
Und so schlenderten sie zunächst zur Nathan Road, auf der Jan von der schrillen Leuchtreklame in chinesischen Schriftzeichen und zum Teil auch in englischer Sprache über der Fahrbahn und an den Häusern und von dem kaum vorstellbaren Verkehr auf der Straße und auf den Fußwegen ins Staunen versetzt wurde. Das Leben hier war so quirlig, dass er anfangs nicht wusste, wohin er blicken sollte, um seine Umgebung auch nur einigermaßen zu erfassen. Alles, was er sah, war für ihn faszinierend, und Suska, der sein Staunen nicht entging, strahlte ihn an und sagte: „So ist das jeden Tag bis tief in die Nacht hinein. Aber wenn du hier öfter gewesen bist, fällt dir dieser Betrieb schon gar nicht mehr auf; er ist dann auch für dich fast selbstverständlich.“
Sie bummelten langsam auf der Nathan Road in Richtung Nachtmarkt, beobachteten die Menschen, blieben vor einigen Geschäften stehen und betrachteten die Auslagen. Jan ging dabei links von Suska und hielt mit seiner rechten Hand die linke seiner Freundin. Es war, als wollte er sich an ihr festhalten.
„Wenn du etwas erwerben möchtest, sag es mir,“ riet sie ihm „Aber zum Einkaufen haben wir während der nächsten Tage ja noch reichlich Zeit. In vielen Fällen kannst du mit dem Verkäufer oder der Verkäuferin handeln. Du solltest also nicht gleich den angegebenen Preis akzeptieren. Handeln gehört in Hongkong vielfach dazu. Wahrscheinlich werde bei einem Einkauf ja bei dir sein und werde dir helfen können.“
Als links von ihnen hinter einer Straßeneinmündung eine Moschee auftauchte und daneben Treppen in einen fast dunklen Bereich hinauf führten, erklärte Suska: „Jenseits dieser Treppen liegt der Kowloon Park, eine wunderschöne grüne Oase unserer Stadt, mit einem Labyrinth von Wegen, mit Teichen, Brücken, Spielplätzen, Pavillons und vielen Bänken. Wenn du einverstanden bist, gehen wir am Montagmorgen mal hinein. Er liegt ganz in der Nähe deines Hotels. Natürlich gibt es aber nicht nur diesen Eingang zum Park. Ein anderer sehr schöner Park befindet sich auf Hongkong Island, der Hongkongpark. Auch den sollten wir mal besuchen. Aber du hast ja noch viel Zeit, um die Sehenswürdigkeiten meiner Heimatstadt kennenzulernen.“
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