Sabine-Franziska Weinberger
Leo ist verknallt
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Inhaltsverzeichnis
Titel Sabine-Franziska Weinberger Leo ist verknallt Dieses ebook wurde erstellt bei
1 Ein neuer Junge in der Klasse
2 Konrad, das Krokodil
3 Ein Stöpsel verschwindet
4 Eine unglaubliche Geschichte
5 Ein ungewöhnlicher Liebesbrief
6 Einmal lesen bitte – mit Ohren zuhalten!
7 Ein Papier geht entzwei - auwei!
8 Zwei Bösewichter fliegen auf
9 Das Geständnis
10 Damenwahl
11 Leo ist nicht verknallt
12 Wie man einen Häkelwettbewerb nicht gewinnt
13 Allein gegen alle
14 Edwin verliert
15 Ein perfekter Platz für eine Tomate
16 Zwei peinliche Irrtümer
17 Luzian liebt Millifee
18 Von echten Experten und anderen Besserwissern
19 Offene Geheimnisse
20 Der erste Kuss
21 Gummibälle irren sich nicht
Impressum neobooks
1 Ein neuer Junge in der Klasse
Da ist er. Der Neue. Luzian heißt er, glaubt sie sich zu erinnern. Er fährt auf der anderen Seite der Straße auf seinem silbernen Roller, der cool aussieht. Schnell dreht sich Leonie um und tut so, als würde sie in ein Schaufenster gucken. Dabei fällt ihr Blick auf das eigene Spiegelbild in der Glasscheibe. Flüchtig betrachtet sie ihre seitenverkehrte Doppelgängerin im Fenster: Die Turnschuhe sind vom Herumtoben auf dem Spielplatz schmutzig, die blauen Jeans von der Sonne ausgebleicht und ihre goldblonden, schulterlangen Haare vom Wind leicht zerzaust. Sie trägt zwei verschiedene Socken, die sie in der Scheibe zwar nicht sehen kann, doch ihr Kopf weiß, dass einer gelb und einer weiß ist, da morgens nicht genug Zeit war, zwei passende zu finden.
In ihrem Gesicht entdeckt sie zwei freche Grübchen, die sich noch vertiefen, wenn sie lächelt. Auch die kleinen Pünktchen rund um ihre Nase sind noch alle da, obwohl sie wünschte, sie wären weg, da sie Sommersprossen ein wenig peinlich findet. Nichts an ihr ist ungewöhnlich oder anders als sonst und doch fühlt sie sich heute irgendwie seltsam.
Sie weiß auch nicht, was mit ihr los ist, aber immer wenn sie den neuen Jungen sieht, der seit einer Woche in ihre Klasse geht, beginnt ihr Herz zu hüpfen, ihr Bauch zu kribbeln und ihre Ohren zu sausen, solange, bis sie überhaupt nicht mehr weiß, was sie weiß oder nicht weiß.
Leonie dreht sich kurz um, weil sie sich vergewissern will, ob Luzian noch da ist. Wie von einem Magneten angezogen, wandert ihr Blick auf die andere Seite der Straße und sie sieht gerade noch, wie er fröhlich um eine Ecke biegt, während seine schokoladenbraunen, lockigen Haare wie ein duftiger Vorhang hinter ihm herflattern. Das Mädchen überlegt kurz, ob es ihm etwas hinterher rufen soll, doch dann lässt Leo es lieber bleiben, weil ihr nichts einfällt.
Schnell läuft sie nach Hause, und wäre beinahe über eine leere Cola-Dose gestolpert, die jemand auf den Gehsteig hat fallen lassen. Als sie zu Hause ankommt, knallt sie – WUUMMMMS – erst mal die Eingangstür zu, damit alle wissen, dass sie vom Spielplatz zurück ist.
„Ist King Kong wieder zu Hause?“, hört sie Katharina, ihre ältere Schwester lästern.
„Nein. Karate-Kid“, kontert Leonie und will schon mit einem waghalsigen Sprung durch die Luft segeln, als sie laut die Stimme ihrer Mama vernimmt, die sie aus ihren kühnen Fluggedanken wieder auf den Boden holt.
„Bist du das, Leo-Schätzchen!“, hört sie aus der Küche rufen. „Ab ins Bad und Hände waschen!“
Einen kurzen Moment lang stellt sich Leonie einen Mama-Roboter vor, dessen einziger Wortschatz aus Hände waschen , Zimmer aufräumen und Schulaufgaben machen besteht. Da sie jedoch aus Erfahrung weiß, dass es ohne Händewaschen kein Abendbrot gibt, tut sie halt ihrem Magen den Gefallen und trottet mechanisch ins Badezimmer, um ihre schmutzigen Finger kurz unters kalte Wasser zu halten, obwohl sie überhaupt nicht versteht, wozu dieser übertriebene Mamasauberkeitswahn gut sein soll.
„Und die Seife nicht vergessen!“, steckt ihre Mama kurz den blonden Pagenkopf ins Badezimmer und beäugt ihre Tochter kritisch von Kopf bis Fuß.
„Hast du was, Häschen?“, schaut sie Leonie mit ihrem Mama-Röntgen-Blick an, so als wolle sie tief in ihr Innerstes gucken.
„Ja“, will Leo sagen, „ich will nicht ständig Schätzchen und Häschen genannt werden! Ich bin acht Jahre und kein Baby mehr“, aber das kann sie nicht in Worte fassen, ohne ihre Mama zu kränken, deshalb steht sie nur da und schüttelt wortlos den Kopf.
„Ganz sicher?“, hakt Mama nach. „Hat deine Mannschaft beim Kampfball verloren?“
„Natürlich nicht“, brummt Leonie verdrossen. Warum muss Mama auch immer vom Schlimmsten ausgehen? Leo ist die beste Kampfballspielerin ihrer Klasse. Ein begnadetes Talent. Ein aufgehender Stern am Kampfballhimmel.
„Welche Laus ist dir dann über die Leber gekrochen?“, bohrt Mama weiter.
„Eine auf zwei Rädern“, denkt Leonie, bringt jedoch kein Wort heraus. Kurz hält sie den Atem an, in Erwartung, welche Frage wohl als nächstes kommt, aber dann dreht sich ihre Mutter wortlos um und reicht ihr ein orangefarbenes Handtuch, mit dem sie sich ihre nunmehr sauberen Hände abtrocknen kann. Dann streckt sie ihre Hand aus, um das Tuch schnell wieder an seinen ursprünglichen Platz zu befördern.
„Komm essen!“, fordert sie Leonie auf, worauf ihr das Mädchen hungrig ins Speisezimmer folgt. Erfreulicherweise stehen die Teller schon auf dem Tisch. Es gibt Wurst, Käse und verschiedene Salate für all jene in der Familie, die auf ihre Figur achten müssen. Leonie gehört glücklicherweise nicht zu ihnen und greift hungrig nach einem Brötchen frisch aus dem Backofen.
„Wie war es heute beim Kampfballspielen?“, will Papa wissen.
„Hbn sbstvstndlch gwnnn“, würgt Leonie zwischen zwei großen Bissen hervor und erntet prompt einen strengen Blick von Mama, die es gar nicht mag, wenn sie mit vollem Mund spricht.
„Stimmt es, dass es in eurer Klasse einen neuen Mitschüler gibt?“, will ihre ältere Schwester Katharina wissen, während sie mit Leidensmiene in ihrem Salat herumstochert.
„Kann schon sein“, erwidert Leo kurz angebunden, da sie keine große Lust verspürt, über Luzian zu reden und schon gar nicht mit ihrer Schwester in Gegenwart der Eltern.
„Davon hast du gar nichts erzählt“, bekommt Mama ganz große Augen und blickt Leonie erwartungsvoll an.
„Weil es unwichtig ist“, erwidert das Mädchen. „Ist keine große Sache, nur ein neuer Junge in der Klasse!“
Na prima, das hat sich fast gereimt. Leonie muss sich jetzt auch ein bisschen wundern. Und zwar über sich selbst. In der Schule hat sie mit gereimten Gedichten und Elfchen immer ihre Probleme, doch wenn sie an den Neuen denkt, geht es auf einmal wie geschmiert.
„So, so“, ruht nun auch Papas Blick interessiert auf seiner Jüngsten. „Der neue Junge ist also keine große Sache“, verzieht er seine Lippen zu einem kleinen Schmunzeln, wobei Leonie nicht ganz klar ist, was ihr Papa so lustig findet.
„Nein, ist er nicht“, stellt sie klar und hofft, dass das Verhör damit beendet ist.
„Gibt es sonst noch etwas Unwichtiges zu berichten“, versucht Mama das Thema zu wechseln, da sie mit ihren feinen Antennen spürt, dass Leonie nicht so gerne über den Neuen spricht.
„Ja“, lächelt Leonie erleichtert, das sie nun endlich über etwas reden kann, das sie nicht erröten lässt.
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