Unsere Beziehung klappt prima. Die intensive Verliebtheitsphase verläuft völlig stressfrei.
Das einzige, was mich nervt, sind ihre Lügereien bei vielen Kleinigkeiten. Mit fällt es nicht auf, dass sie mich belügt. In der Regel sind es ihre Eltern, denen sie schon bei unwesentlichen Kleinigkeiten die tollsten Geschichten erzählt. Einfach nur so. Und sie erwartet von mir volle Rückendeckung bei eventuellen Rückfragen ihrer Eltern. Mir ist das peinlich, und wenn ich den Versuch starte, mit ihr darüber zu reden, weicht sie mir aus. Oder wird böse, von wegen:
"Das geht dich nichts an."
Ich verkneife mir erstmal die Diskussionen darüber und führe es auf ihr Alter zurück. Sie ist ja noch jung, denke ich bei mir. In ein, zwei Jährchen, wenn sie etwas reifer wird, lässt das bestimmt von alleine nach.
Der erste "dicke" Stress beginnt, nachdem ich bereits einige Wochen in unserer zukünftigen gemeinsamen Wohnung lebe. Aufhänger ist mein größtes Laster, das Dope!
Wir sitzen zusammen in einer Wiesdorfer Szenenkneipe als Georg, immer noch mein engster Freund, uns auf einen Joint in sein Auto einlädt. Jutta macht plötzlich ein langes Gesicht.
"Ich will nicht, dass du mitgehst und rauchst."
"Aber warum denn nicht? Den ganzen Tag hab ich nichts geraucht und sonst kommen auch nie Einwände von Dir. Im Gegenteil, meistens rauchst Du doch gerne mit. Du kannst mitkommen, Georg hat uns beide eingeladen.
"Das ist mir egal. Ich hab mir das überlegt. Ich werde in Zukunft nicht mehr rauchen und für Dich ist das auch besser."
"Ich versteh dich nicht. Du weißt doch, dass ich das nie übertreibe. In fünf Minuten bin ich wieder zurück."
Ich halte das für eine Laune, die sich bald wieder legt. Und so geh ich allein mit Georg mit. Als ich zurückkomme, sehe ich, dass Jutta nicht mehr da ist. Vielleicht auf dem Klo?
Doch nach zehn Minuten ist immer noch keine Jutta in Sicht. Ich verabschiede mich von Georg und geh mit schnellem Schritt Richtung Busbahnhof. Da steht sie tatsächlich an der Haltestelle ihres Busses. Wirkt von weitem etwas verloren. Wie ein Kind, das verzweifelt seine Eltern sucht. So lieb wie möglich geh ich auf sie zu.
"Komm, Jutta, sei nicht böse. Ist doch gar nichts Schlimmes passiert. Erzähl mir ruhig mal, was Du dir so alles überlegt hast."
Nicht die geringste Reaktion. Sie steht einfach da, glotzt geradeaus und als ich mich vor sie stelle, guckt sie regelrecht durch mich durch. Ich streichel über ihr Haar.
Sofort schlägt sie meine Hand weg.
"Las mich!" ist das einzige, was sie in einem scharfen Ton von sich gibt. Danach wieder Schweigen. Ich fühle mich hilflos. Keinen Schimmer, was in so einer Situation zu tun ist.
Und mein sanfter Rausch, die Wurzel des Übels, ist jetzt natürlich hinderlich. So fasse ich den Entschluss, ebenfalls zu schweigen und Zuneigung zu zeigen. Bisher habe ich sie immer nach Hause gebracht, warum nicht auch heute.
Als der Bus kommt, steigen wir beide ein. Unterwegs gebe ich mir noch mal einen Ruck und streichel ihren Arm.
"Ich hab gesagt, du sollst mich in Ruhe lassen!"
Ich bin richtig erschrocken, so giftig zischt sie mich an. Echte Wut spiegelt sich in ihrem Gesicht. Mir kommen Zweifel und was noch schlimmer ist, Schuldgefühle! Ganz elend ist mir zumute. Ich begleite sie noch zur Wohnung ihrer Eltern, um meine Zuneigung weiterhin zu zeigen, und mache mich ebenso wortlos auf den Nachhauseweg.
Eine ganze Woche lässt sie sich nicht bei mir blicken. Hab auch meinerseits keine Lust, mich mit ihr in Verbindung zu setzen. Fühl mich zwar schuldig, sehe aber nicht ein, dass ich von einem auf den anderen Tag, nur weil Jutta es so will, etwas aufgebe, was ich gerne mache.
Einige Tage später klingelt abends meine Türglocke. Ich drücke den Summer und sehe Jutta die Treppe rauskommen.
"Hey, hallo Günther", ruft sie mir freundlich entgegen. Ich bin erleichtert. Sie küsst mich auf die Wange und tritt ein.
"Na, was hast du in den letzten Tagen so getrieben?"
"Och,
das
Übliche.
War
mit
Georg
unterwegs
und
zweimal
auf
einer
Gewerkschaftssammlung."
"Und, hast du geraucht?"
Die Frage kommt zu plötzlich. In .Sekundenbruchteilen muss ich mich entscheiden, damit es nicht auffällt. Ich lüge.
"Nein. "
Sie fällt mir sofort um den Hals und bedeckt mich mit Küssen.
"Hab mir schon gedacht, dass du vernünftig wirst, wenn ich dir ein paar Tage Zeit zum Nachdenken lasse. Wenn du doch geraucht hättest, wäre ich sofort wieder nach Hause gefahren. Dann wär’s aus gewesen mit uns. Doch jetzt will ich dich belohnen."
Ihre Hand öffnet sofort den Reißverschluss meiner Hose.
Was sollte ich davon halten? Eigentlich eine ganz klare Erpressung. Oder so was Ähnliches wie Hundedressur. Wenn du schön tust, was ich sage, belohne ich dich, und wenn du dich sträubst, bestrafe ich dich. Verlieren will ich sie nicht und ausgehungert nach Sex bin ich auch. So wird unser Bett an diesem Abend zum Versöhnungsort.
Um zukünftigen Stress zu vermeiden, nehme ich mir naiver weise vor, heimlich zu rauchen. Funktioniert auch anfangs ganz gut, wir verstehen uns wieder prima. Doch ein neues Problem taucht auf: Eifersucht! Bevor wir uns kennen lernten, erzählte ich ihr oft, wie unerfahren ich im sexuellen Bereich bin. Und plötzlich glaubt sie mir nicht mehr.
Sieht in jedem Mädchen aus meinem Freundeskreis eine Nebenbuhlerin und unterstellt mir Verhältnisse. Mit Engelszungen rede ich auf sie ein, kann sie aber nur zum Teil beschwichtigen.
Und wieder schiebe ich es auf ihre Jugend und denke: Lass sie erstmal etwas älter werden und bei mir wohnen, dann wird sich schon alles zum Besten wenden.
Und wie das Schicksal es so will, entdeckt sie eines Tages, wir sitzen in einer der Szenenkneipen, gerötete Augen bei mir. Sofort ist sie wütend.
"Du hast geraucht!"
"Ja, heute Mittag. Aber nur einen ganz kleinen Zug."
"Du bist ein Schwein. Zuerst versprichst du mir, aufzuhören, und dann machst du es doch. Jetzt weiß ich endlich, was ich von dir zu halten habe."
Vor lauter Wut stehen Tränen in ihren Augen.
"Was soll denn der Quatsch. Ich find das überhaupt nicht schlimm. Die ganzen Wochen hab ich ausgesetzt und nur, weil ich mir heute einen Zug genehmigt hab, machst du so ein Theater."
Plötzlich fängt sie an zu schreien. Das ganze Lokal wird auf uns aufmerksam.
"Du bist ein verdammtes, widerliches Schwein!“
Dann Schluchzen, das immer stärker wird, und vor den Augen aller sackt sie zusammen!
Bleibt regungslos am Boden liegen.
"Schnell, ruf einen Notarztwagen", hör ich einen der Gäste dem Keeper zurufen. Alle starren mich an, als hätte ich sie umgebracht. So ähnlich fühl ich mich auch. In diesem Moment kommt Georg rein.
"Las gut sein", ruf ich sofort dem Keeper zu. "Ich bring sie selber weg. Komm, Georg, las sie uns ins Auto bringen."
"Was ist denn passiert?"
"Erzähl ich dir später."
Unterwegs messe ich ihren Puls. 120 Schläge pro Minute! Die gleiche Frage im Krankenhaus.
"Wir haben uns gestritten, sie wurde hysterisch und ist zusammengeklappt“, gebe ich zur Antwort.
"Hat sie das öfters?"
"Weiß ich nicht. Ich hab das heute zum ersten Mal erlebt."
Man gibt ihr eine Spritze und nach einigen Minuten kommt sie wieder auf die Beine.
Schweigend und weiß wie eine Wand. Georg und ich fahren sie nach Hause. Den ganzen Weg über gibt sie kein einziges Wort von sich. Und wieder fühle ich mich schuldig.
Am nächsten Tag ruft sie mich an.
"Hallo Günther. Ich halte es für besser, wenn wir uns trennen."
Ihre Stimme klingt richtig heiter, als wenn es ihr Spaß machen würde, mir das zu erzählen. Ich kann mir keinen Reim daraus machen. Warte, ob sie noch mehr erzählt.
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