Und so bildeten sich nicht selten kurz nachdem er begann sich warm zu machen Menschentrauben in ein paar Metern Abstand zu ihm.
Es gab zwei Arten dieser Trauben. Die eine Fraktion waren die Jungs, die neidisch seinen Bewegungen folgten, aber großspurig nach wenigen Minuten behaupteten, dass sie das auch könnten, wenn sie wollten und die Andere gesetzt aus schmachtenden Mädels zusammen. Diese steckten ihre Köpfe zusammen und kicherten.
„Ist er nicht süß!?!“, „Guck dir diesen Körper an“ oder „Meinst du, er steht auf mich?“
Doch der Trubel um seine Person interessierte Tony nicht. Und vor allem interessierte er sich für keine dieser jungen und meist sehr hübschen Frauen. Denn er hatte nur Augen für ein Mädchen. Sam!
Tony stoppte das Video und nahm den weißen Bilderrahmen vom Tisch. In dem Rahmen befand sich ein Bild von Sam, aufgenommen vor ein paar Wochen bei einem gemeinsamen Ausflug an den nahe gelegenen Badesee. Sam hatte darauf einen kurzen blauen Rock und ein figurbetonendes gelbes Top an. Ihre Haare waren noch leicht feucht und einige ihrer blonden Strähnen fielen ihr ins Gesicht. Im Hintergrund sah man den See mit einem Bootsanlegesteg.
„Mein hübscher Engel“ flüsterte Tony.
„Ob sie vielleicht gerade auch nicht einschlafen kann?“
„Vielleicht hat sie ihre Balkontür geöffnet und ich könnte mich einfach zu ihr ins Bett legen.“
„Sie würde morgen früh bestimmt Augen machen, wenn ich neben ihr liege würde.“
Sicher war, dass ihr Vater nicht zu Hause sein würde. Sam erzählte ihm nämlich, dass sie auf ihren kleinen Bruder aufpassen müsste, da ihr Vater in dieser Woche die Nachtschicht in der Fabrik übernommen hatte.
Kaum schoss dieser Gedanke durch seinen Kopf, beschloss er auch prompt, diesen in die Tat umzusetzen.
Er sprang von seinem Bett auf, zog sich schnell ein paar Klamotten die auf dem Boden lagen an und rannte auf sein Zimmerfenster zu. Im vollen Lauf legte er beide Handflächen auf das Fensterbrett, sprang mit beiden Beinen vom Boden ab und zog sie durch die Lücke zwischen den Armen. Kaum waren die Beine in einer Linie mit seinen Armen, stieß er sich vom Fensterbrett ab und flog in gehockter Stellung durchs Fenster. Er landete auf dem schmalen Vordach der Veranda, doch diese berührte er nur für einen Bruchteil einer Sekunde.
Das Verandadach diente lediglich als weiterer Abstoßpunkt für seinen zweiten Sprung. Vom Dach abgehoben zog er die Beine eng an seinen Körper und krümmte den Rücken, indem er den Kopf in Richtung Knie zog. Der Vorwärtssalto der sich aus der Kombination von Schwung und perfekter Körperhaltung entwickelte, landete er unbeschadet und weich auf dem Rasen des Vorgartens. Die Energie, die durch den Aufprall der Füße auf den Rasen freigesetzt wurde, ließ er durch eine Vorwärtsrolle abfließen um seine Gelenke nicht zu schädigen. Eine Sekunde später stand er auch schon wieder und rannte ansatzlos weiter in Richtung Straße.
Sam wohnte nur ein paar Blocks entfernt. Zu Fuß waren es nicht einmal 10 Minuten, folgte man den dafür vorgesehenen Wegen. Doch Tonys Routenplanung beinhaltete keine normalen Straßenverläufe. Für ihn gab es nur querfeldein durch Gärten, über Zäune und Garagen. Dieser Weg war zwar schneller, aber vom Geräuschepegel manchmal nicht so angenehm für die Anwohner, deren Häuser sich auf seiner Route befanden!
Es gab Tage, da weckte er Hunde, die ihm lautstark hinterher kläfften oder stieß Mülleimer um, die mit ihrem metallischen Klang die Nachtruhe der Leute störten.
Nach etwa drei Minuten und geschätzten zwanzig überwundenen Hindernissen stand er vor Sams Haus. An der Hausfront war alles dunkel, aber das hatte nichts zu sagen, denn Sams Zimmer lag auf der anderen Seite des Hauses mit Blick auf den Garten. Tony schlich sich vorsichtig am Haus vorbei und kletterte über das verschlossene Gartentor. An der Hausecke angekommen, machte er einen Satz auf das vor sich hin summende Aggregat der Klimaanlage. Tony griff sich das Fallrohr der Regenrinne und stemmte seine Schuhe gegen die Fassade. So lief er senkrecht und ohne Mühe die Wand hoch und stand auf dem kleinen Balkon vor Sams Zimmer. Die Fenster und Türen waren trotz der schwül warmen Nacht geschlossen. Die installierte Klimaanlage machte es möglich.
„Mist“ rief Tony leise. „Scheiß Klimaanlagen!“
Sein Plan war zunichte gemacht worden. Durch eine lächerliche Klimaanlage. Da stand er nun und nur eine Tür trennte ihn und Sam.
So versuchte er sich schnell einen Plan B zurechtzulegen, als es ihn wie einen Blitz traf.
Er zog sich auf das Dach von Sams Zimmer und klopfte mit der flachen Hand des rechten Arms an ihrer Balkontür.
Einmal…ein zweites Mal…ein drittes…Nichts…!
„OK“, dachte er sich. Wenn du mich nicht hören willst! Ich kann auch fester!“
Er ballte die Hand zu einer Faust und hämmerte viermal gegen das Glas.
Das Zimmer hatte eine angenehme Temperatur und so lag Sam eingemummelt unter ihrer Decke, als sie vom Kram an ihrer Balkontür unsanft aus dem Schlaf gerissen wurde. Sam sprang vor Schreck fast aus dem Bett. Sie streifte sich die Bettdecke vom Körper und setzte ihre nackten Füße auf den kalten Zimmerboden. Der kalte Boden verwandelte ihre leicht von der Sonne gebräunte Haut in eine Gänsehaut. Sie fror sichtlich. Barfuß und nur mit einer rosa Hotpants und T-Shirt bekleidet schlurfte sie in Richtung Balkontür.
„Bella, wenn du mir wieder die Blumen vom Balkon geschupst hast, dann gibt es keine Streicheleinheiten mehr“, murmelte sie vor sich hin, während sie den Schlüssel des Türschlosses drehte. Mit zwei kurzen metallischen Klicks fuhr das Schloss zurück.
Ihre rechte Hand ertastete unter einem Vorhang den Schalter der Außenbeleuchtung und gleichzeitig drückte ihre Linke die Türklinke herunter. Draußen erhellten jetzt die zwei, jeweils rechts und links neben der Tür angebrachten Lampen den kleinen Balkon. Sam öffnete die Tür und trat raus auf den Balkon.
„Bella?...Bella? Wo bist du?“
„Komm schon Kleine…Zeig dich ruhig!
Während Sam mit dem Rücken zu ihrem Zimmer stand und weiter nach Bella Ausschau hielt, griff Tony vorsichtig an die Kante des Daches und ließ sich kopfüber herab. Seine Füße landeten ohne nur das kleinste Geräusch von sich zu geben auf den Boden. Dann schlich er leise und unbemerkt, mit dem Blick auf Sam gerichtet in ihr Zimmer.
Plötzlich beendete Sam ihre Suche nach der Nachbarskatze, drehte sich um und bewegte sich zurück in ihr Zimmer. Leicht erschrocken hechtete Tony in Richtung des Bettes, rutschte über den Boden und bevor Sam ihn hätte entdecken können, verschwand auch das letzte Stück seines Fußes aus ihrem Sichtfeld.
„Wow…dachte er sich, das war aber ganz schön knapp! Hoffentlich hat sie nichts bemerkt“
Sam hatte von dem ganzen Treiben nichts mitbekommen und schloss die Balkontür hinter sich.
Das war jetzt die letzte Gelegenheit für Tony seinen Plan zu Ende bringen zu können und unbemerkt in Sams Bett zu gelangen.
Er kletterte aufs Bett, legte sich auf den Rücken und verschränkte die Arme hinter seinen Kopf. In dieser Position musste er nur noch warten, bis Sam sich umdrehen würde.
Sein Herz klopfte vor Aufregung so stark, dass er es in seinem Kopf hören konnte.
Dann wurde sein Warten belohnt! Sam drehte sich um!
Erschrocken von der Person auf ihrem Bett sprang sie reflexartig einen Schritt zurück und atmete laut ein. Doch nur eine Sekunde später verschwand der Schrecken aus ihrem Gesicht und ihre mandelfarbenden Augen fingen an zu leuchten.
Jetzt hatte sie endlich die Person auf ihrem Bett als ihren Freund Tony identifiziert.
Sie verschränkte die Arme vor ihrer Brust und machte ihrem zugeführten Schrecken Luft.
„Du Arsch!!! Du hast mich zu Tode erschreckt, “ fauchte sie ihm entgegen.
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