„Erstens, der Eine ist tot, sodass wir ihn zweifellos überflügelt haben. Zweitens, war er ein machthungriges, egomanisches Wesen, das in dieser Welt keinen Platz hatte und drittens, sollst du in meiner Gegenwart diese Häresie lassen.“
„Verzeiht, Hoheit, manchmal kommt es einfach über mich.“
„Kein Wunder, dass du beim Hohepriester rausgeflogen bist. Sei lieber dankbar, dass er dir deinen Kopf gelassen hat. Ich verstehe nicht, warum Lukton, dein Namensgeber, dir das Lichtwesen schenkte.“
Bei diesem Satz treffen sich unsere Blicke und ich sehe in seinen Augen, dass es eine Wahrheit gibt, die er kennt, aber nicht teilen will.
Ich fröstele und bin fast dankbar, als ein nicht wirklich schöner, junger Bursche neben mir steht.
„Hoheit, dürfte ich meine Aufwartung machen, ich bin Ilfrin, Sohn des Grafen von Jelhaven.“
Jelhaven, eine kleine Stadt am Meer, die erst durch den Handel mit den Kolonien in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Eine Familie ohne besondere Geschichte – Neureiche Möchtegerne.
„Hoheit, ich wollte mich ohnehin verabschieden.“
Luktonis verneigt sich höflich, erst vor mir, dann vor Ilfrin, der ihm keine Beachtung schenkt, sondern in meinen Ausschnitt stiert.
„Nun Ilfrin, setzt Euch und spielt mit mir eine Runde. Ihr kennt doch Ga’Tschumba, das neue Lieblingsspiel jedes Mannes von Welt?“
„Äh, ja sicher.“
Ich grinse in mich hinein und freue mich einen weiteren Trottel in diesem Spiel des Intellekts auseinander zu nehmen.
Zufrieden pfeifend, schlendere ich durch die Gänge des Palastes. Ilfrin erlitt auch im dritten Spiel eine vernichtende Niederlage und zog sich beschämt zurück. Nach jedem verlorenen Spiel war er ein bisschen mehr in sich zusammengesackt.
„Solestila.“
Leicht erschrocken wirbele ich herum.
„Mutter.“
„Wie geht es dir, meine Tochter?“
„Gut, wie gewöhnlich.“ Ich strahle wie ich es meistens tue.
„Ja, wie gewöhnlich.“ Sie seufzt.
„Bedrückt dich etwas?“
„Wenn du nur aufhören würdest jeden jungen adligen Mann zu demütigen und einfach mal versuchen würdest eine brave Prinzessin zu sein.“
Ich kann mich eines diebischen Lachens nicht erwehren.
„Solestila, ich finde das nicht lustig, irgendwann gehen selbst dir die Verehrer aus.“
„Oh, hoffentlich schon bald.“
Mutter schnaubt und lässt mich im Gang stehen. Warum nur können sie mich nicht mit diesem blöden Heirats-Mist in Ruhe lassen?
Als ich in mein Zimmer trete steht Vater bereits am Fenster.
Er blickt mich streng an.
„Solestila, meine Tochter. Wir waren sehr geduldig, wollten immer, dass du glücklich wirst, aber eine Königin kann nicht alleine sein. Wenn du dich nicht bald für einen Mann entscheidest, werde ich es für dich tun.“
„Was? Ich bin gerade mal 24? Bei allen Strahlen der Sonne, hast du den Verstand verloren?“ Das war schlecht.
Wutschnaubend schreitet er auf mich zu.
„Sei gewarnt, Tochter. So lasse ich nicht mit mir reden, auch nicht von dir.“
Krachend schlägt die Tür zu.
So selten bin ich traurig, aber manchmal geht selbst meine Sonne unter.
Ich setze mich auf mein Bett, ziehe die Knie an die Brust, umschlinge meine Beine mit den Armen, als ob sie ein Mensch wären, der mir Trost spenden würde und lasse meinen Tränen freien Lauf.
In solchen Momenten fühle ich mich unendlich allein.
Belvi klettert mühsam auf mein Bett wankt über die weiche Matratze und tätschelt meinen Arm.
Ich packe ihn und drücke ihn an mich. Meine Tränen sickern in sein flauschiges Fell.
Die Magierin
Im Jahr nach dem Tod des Einen 9337
Ilahja saß in der Vorlesung, doch hörte nicht zu. Ihre vollkommene Aufmerksamkeit galt ihrer Handfläche. Diese sah aus wie immer, doch etwas Fundamentales hatte sich geändert. Sie hatte ihre Tätowierungen erhalten.
Sie musste an den gestrigen Tag denken, wie sie nackt auf der Liege gelegen war und der alte Mann mit der Nadel unsichtbare Symbole in ihre Haut gestochen hatte. Der Schmerz war teilweise unfassbar gewesen, vor allem entlang der Wirbelsäule und im Gesicht. Doch es war auch wunderschön zugleich gewesen, denn nun war sie eine wirkliche, leibhaftige Magierin Myragons.
Die magischen Symbole, die mit der speziellen, magischen Substanz eingestochen wurden, dienten als Fokuspunkte. Mit diesen ist es einfacher die Magie an dieser Stelle zu bündeln.
Ilahja ließ etwas Magie in ihre Hand gleiten und das Symbol in ihrer Handfläche flammte auf. Die junge Magierin fühlte sich drei Meter groß, als sie die feinen strahlenden Linien in ihrer Hand betrachtete.
„Ilahja!“
Sie schreckte hoch. Ihr Lehrermeister für Wassermagie blickte Sie tadelnd an und die Mitschüler kicherten leise.
Ilahja zwang sich zu einem Lächeln.
„Ja?“
„Da du es wohl nicht als nötig erachtest zuzuhören, möchtest du vielleicht den Zauber vorführen?“
Ihre Mitstudenten lachten.
Wut brannte durch ihren Körper und sie erhob sich mit steinerner Miene.
Langsam, erhaben schritt sie in Richtung Tafel.
Leider hatte sie tatsächlich nicht zugehört und keine Ahnung worum es ging. Während ihres grazilen Ganges, der vor allem Zeit schinden sollte, spähte sie, wie beiläufig auf die Tafel, panisch nach einem Hinweis suchend worum es ging.
Ihre Mitschüler glucksten hämisch.
Angst vor der Blamage, Wut über die schadenfrohen Mitschüler und Hass auf ihren Lehrer verschmolzen zu Trotz. Ihre Blicke jagten unmerklich über die Tafel. Sie wollte sich keine Blöße geben.
Sie ließ Ihren Blick, während sie langsam die Stufen herab schritt, beiläufig wandern und immer wieder über die Tafel gleiten.
Sie wurde fündig – Ein simpler Wasserzauber.
Sie verließ die letzte Stufe und trat vor Ihren Lehrer.
Die junge Frau stellte sich dicht vor den deutlich größeren Mann, sie schätzte ihn auf Mitte vierzig, und blickte ihm fest in Augen. Er erwiderte ihren Blick herausfordernd und selbstsicher. Ilahja lächelte müde, öffnete ihre Hände und ließ es auf alle Pflanzen im Raum gleichzeitig regnen.
Das Lachen im Raum endete abrupt, dem Lehrer fiel alles aus dem Gesicht.
Überheblich zwinkerte Ilahja Ihrem Lehrer zu, drehte sich um und schritt selbstsicher zu Ihrem Platz zurück, begleitet vom erstaunten Tuscheln der anderen Schüler.
Der Wächter
Im Jahr nach dem Tod des Einen 9340
Kalatharan war riesig. Noch nie war Yorin in der Stadt gewesen und er war begeistert. Die Hauptstraße war so breit wie der Marktplatz des Dorfes in der Nähe ihres Hofes. Ihr Ochsenkarren und zahllose andere Wagen versuchten sich durch die überfüllten Straßen zu quetschen. Mensch und Tier pressten sich aneinander. Den widerlichen Gestank nahm Yorin nicht wahr, er war überwältigt von den Eindrücken.
Der Junge war furchtbar stolz, dass er vorne bei Vater sitzen durfte. Seine Mutter saß mit seiner kleinen Schwester hinten. Mittlerweile konnte die Kleine schon richtig reden und rannte überall herum, nur vor Wind hatte sie noch Angst.
Vater stieß ihn an und deutet nach oben. Yorin konnte es kaum glauben. Man hatte ihm von der Festung der Wächter erzählt, die auf einem Berg über der Stadt thronte. Sie war fantastisch.
„Die Burg der Wächter Kalatharans wurde auf einem Felsen errichtet, den man nur fliegend erreichen kann. Die Schriikar brachten damals Baumaterial und Arbeiter hinauf und bringen bis heute die Nahrung und was sonst noch benötigt wird hin.“
Einerseits faszinierte ihn dies, andererseits war er doch etwas betrübt.
„Wir können uns die Burg nicht ansehen?“
Der Vater lachte. „Nein mein Sohn, das können wir nicht, aber du wirst sie eines Tages sehen.“
Ja, dachte sich Yorin, eines Tages werde ich sie sehen.
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