Plötzlich schoss Garthuk nach vorne, schnell, doch nicht schnell genug. Barguhm wich zurück und hieb dem ins Leere taumelnden Gegner mit aller Kraft von oben die Faust auf den dicken Schädel. Grunzend fiel der Angreifer zu Boden, doch sprang sofort wieder hoch. Rannukschädel waren dick und hielten einiges aus.
Der wütende Angriff Garthuks war zu vorhersehbar und so lief er direkt in Barguhms Faust, die krachend auf der breiten, flachen Nase landete. Die direkt nachsetzende Linke traf den Kiefer und danach die Rechte das Jochbein. Garthuk taumelte zurück. Barguhm ließ sich nicht beirren und trat dem Gegner in den Magen. Dieser fiel rücklings um. Barguhm sprang auf ihn und hämmerte mit beiden Fäusten auf den dicken Schädel ein.
Irgendwann dämmerte Garthuk weg und Barguhm ließ von ihm ab. Er erhob sich und reckte die Faust in die Höhe. Die umstehenden Heranwachsenden quittierten diese Geste mit Jubel und Gebrüll.
Barguhm erblickte die alte Schamanin, die etwas Abseits den Kampf verfolgt hatte. Er stapfte zu ihr hinüber und versuchte dabei schwerer zu wirken als er eigentlich war.
„Gut gekämpft, Häuptlingssohn.“
„Ich werde meinem Vater Ehre machen und den Stamm weiter zu Stärke führen.“
Ihr Blick wurde sonderbar. „Ich habe die Knochen geworfen. Die Ahnen sagen, dass du ein großer Häuptling werden kannst. Aber bis dahin steht dir noch ein weiter Weg bevor. Vieles wird sich noch zum Schlechten wenden.“
Barguhm grunzte wütend. „Altes, geschwätziges Weib. Nichts wird mir in den Weg kommen und wenn doch, werde ich es tot hauen.“
Sie bleckte ihre Zähne, die paar, die sie noch hatte. Die Reißzähne der weiblichen Rannuk standen denen der Männer in nichts nach, doch waren ihre Hörner viel kleiner, aber leider immer noch größer als seine.
„Wer die Warnung der Ahnen missachtet, wird als Narr sterben.“
Ihr Gesicht war so nah an seinem, dass er ihren Atem riechen konnte. Sie hatte eine alte, runzlige Haut und ihre Augen waren trüb vom Alter. Weibliche Rannuk hörten früh auf zu wachsen, weshalb sie kaum größer war als er.
Barguhm spürte einen Hauch von Angst in ihm aufsteigen, für den er sich sofort schämte.
Sie spuckte ihm ins Gesicht und ging.
Barguhm war schrecklich wütend und doch hallten ihre Worte in seinem Kopf wider. Es war dumm gewesen die Schamanin zu verärgern. Vater hatte ihm immer eingebläut auf die Schamanen zu hören und ihren Rat zu achten, sonst war der Häuptling bald allein.
Zerknirscht ging er zurück in den Kreis, stellte sich neben seinen Vetter Agguhm und wartete ungeduldig, bis er wieder an der Reihe war. Er musste jetzt unbedingt irgendwen umhauen.
Der Wanderer
Lange habe ich an dieser improvisierten Ladestation herumgeschraubt. Eine Konstruktion die jeden Elektriker abwechselnd zum Lachen und Weinen bringen würde. Aber sie funktioniert. Ich kann sehen wie die Batterie meines Gefechtsanzuges, die auf sehr abenteuerliche Weise mit der Batterie der Plasmalanze verbunden ist, eben diese auflädt.
Ich bin durchaus stolz auf meine Ingenieurskunst, so ganz ohne Werkzeug, nur mit meinen Fingern und dem Messer habe ich großes Erschaffen.
Ich kann nicht umhin zu denken, dass in dieser Zeit die Menschen alles nur mit ihren Händen erschaffen. Riesige Kathedralen wachsen, Stein auf Stein gesetzt, über Jahrhunderte in den Himmel. Ehrfurcht erfüllt mich, wenn ich an diese unfassbare Leistung denke.
Ich lehne meinen Rücken gegen den Baum, lasse die Elektronen ihre Arbeit verrichten und nehme wieder das Tagebuch. Anfangs habe ich es so verflucht das kleine Ding aus gepresstem Holz, aber mittlerweile ist es dieses Buch, das meinen Verstand daran hindert völlig dem Wahnsinn zu verfallen.
Ich blättere schnell zu der Seite wo ich meine Prinzessin Solestila verlassen habe.
Das Zwitschern der Vögel dringt an mein Ohr. Vor Äonen, so berichten die Gelehrten, sangen die Vögel zur Morgenstunde, aber seit es so etwas nicht mehr gibt, singen sie immer. Generell ist alles in der Welt des Lichts ewig.
„Hoheit?“
Die sonore, alte Männerstimme reißt mich aus meinen Gedanken.
„Verzeih, ich war abgelenkt.“
„Wie gewöhnlich.“
Ich lächele ihn entschuldigend an und Polvan schüttelt leicht den Kopf. Polvan ist mein Lehrer gewesen und ist es irgendwie immer noch, auch wenn er behauptet ein Berater zu sein, der mich über alles Wichtige auf dem Laufenden hält.
„Hoheit, es ist für Euch von absoluter Wichtigkeit über die politischen Geschehnisse Bescheid zu wissen.“
„Ich weiß, ich bin jetzt aufmerksam, versprochen.“
„Allein mir fehlt der Glaube.“
Polvan räuspert sich und fährt mit seinem Vortrag fort.
„Die Situation in den Kolonien wird aus vorhin genannten Gründen immer schlechter. Die Gon‘Schuk, die Kigen und die Japara haben sich bereits verbündet und fechten unseren Hoheitsanspruch an.“
„Sollen sie doch, was kümmert das uns?“
„Hoheit, das könnte zu Krieg führen.“
„Die haben nur Messer und Äxte aus Stein, die werden uns nicht angreifen, so dumm werden die schon nicht sein.“
„Dumm nicht, aber verzweifelt. Es ist ein stolzes Volk mit einer langen Geschichte. Etwa 150 Jahre bevor Euer Vater Farelionien entdeckte, gab es einen großen Häuptling…“
Der Gesang der Vögel verbindet sich zu einer Symphonie, die mich in den Bann zieht und meinen Geist in den Himmel trägt.
Ga‘Tschumba ist ein Spiel, das die Wilden aus den Kolonien mitgebracht haben. Gespielt wird es mit bunten Halbedelsteinen, die auf ein sonnenförmiges Spielfeld abwechselnd platziert werden. Jeder Spieler hat drei verschieden farbige Steine, die alle verschiedene Funktionen und Anwendungsweisen besitzen und zudem ergeben sich neue Möglichkeiten durch die Kombination verschiedener Steine.
Mich hat schon immer fasziniert, dass ein so primitives Volk ein so komplexes und schwieriges Spiel ersonnen hat – Können nicht mal einfache Holzhäuser bauen, aber ein Spiel erfinden, das eine gebildete Prinzessin der Sonnenkinder zum Verzweifeln bringt.
Mein Spielpartner ist Luktonis, ein Auserwählter. Einige, wenige Menschen haben das Glück, das sich im Moment ihrer Geburt ein Lichtwesen zu ihnen gesellt und sie dann ihr ganzes Leben begleitet.
Früher zumindest dachte ich immer sie seien etwas Besonderes und wollte unbedingt auch ein Lichtwesen, aber mittlerweile bin ich mir ziemlich sicher, dass mich der ständig um mich herumschwirrende Irrwisch wahnsinnig machen würde.
Die Lichtwesen sind im Prinzip nur helle, strahlende, kleine Kugeln, die ihren Auserwählten umkreisen.
Früher, lange vor meiner Geburt hatte der Hohepriester oder die Hohepriesterin alle Auserwählten um sich versammelt, aber heutzutage entsendet man sie in die Welt um das Licht zu preisen. Ich kann es den Priestern nicht verübeln, die sogenannten Auserwählten reden wahrhaftig merkwürdiges Zeug, Luktonis zumindest tut das. Er macht ständig irgendwelche Andeutungen, die man schon fast als Sonnenlästerung bezeichnen müsste. An Kritik gegenüber der Priesterschaft spart er auch nicht.
Die Lichtwesen kommen vom Herrn der Sonne, sendet er sie an solche Leute um sie unter Kontrolle zu halten, werden die schlimmsten Ketzer auserwählt? Für mich ist dies alles sehr rätselhaft, aber man muss Luktonis eines lassen: Er kann Ga’Tschumba spielen.
„Mist, schon wieder verloren.“
„Verzeiht Hoheit, aber Ihr wiest mich an nicht absichtlich zu verlieren.“
„Natürlich nicht, ein geschenkter Sieg ist kein Sieg.“
„Wahre, weise Worte und ich muss ebenso wahrhaftig sagen, dass sich Euer Spiel stark verbessert, es fällt mir schwerer und schwerer Euch zu schlagen.“
„Ich strebe dem Sieg entgegen, Luktonis.“
„Fürwahr, wie der eine Gott eins sagte: ‚Strebe danach zu sein wie ich, du wirst es nie schaffen, aber bei dem Versuch wachsen und erstarken.‘“
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