Iladrias Fluch
Preis der Finsternis
Texte: © Copyright by Mirko Lehr
Umschlaggestaltung: © Copyright by Giovanni Braggs
Verlag:
Mirko Lehr
Odenwaldstr. 52
64823 Groß-Umstadt
Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin
Für Michaela
Es war die Überheblichkeit der Menschen, die die Welt fast vernichtete.
Lange hatten sie den Einen, den neuen Gott verehrt,
doch die Alten nie vergessen.
Der letzte Kaiser, in seinem Wahn selbst ein Gott,
tilgte den Namen des Einen
und glaubte über den Alten zu thronen.
Der Eine, der Verschmähte, eines Namens und seiner Tempel beraubt, zürnte.
Vom Wahn geleitet zog der letzte Kaiser aus.
Vom Ruhm geblendet folgten ihm Heer und Klerus.
Sogar die mythischen Helden folgten dem Ruf des Irrsinns.
Sie besiegten den Einen,
doch seine Rache war fürchterlich.
Er stoppte den Lauf der Welt.
Tag und Nacht wechselten sich von nun an nicht mehr ab.
Eine Seite war gefangen im Tag, die andere in der Nacht.
Eine Hälfte des größten Reiches aller Zeiten verbrannte zu Staub,
die andere versank im Eis.
Die Völker der Welt vergingen.
-Überlieferung einer Erzählung von Unios
Der Wanderer
Solesgaard, im Jahr nach dem Tod des Einen 14707
Inferno – Kein anderes Wort könnte es besser beschreiben und selbst dieses ist zu schwach.
Die Solgardisten, mit ihrem fanatischen Glauben an ihre Laserwaffen und solarbetriebenen Fahrzeuge, fielen wie die Asche vom Himmel.
Wo war ihr Sonnengott nun? Nun, da der Himmel dunkel war vom Staub der Nuklearexplosionen.
Die Panzer krochen sterbend voran, lechzend nach den letzten schwachen Strahlen energiebringenden Lichtes. Wer hätte je gedacht, dass in einem Land ewigen Tages die Sonne nicht mehr scheinen würde?
Im Visier meines Helmes gesellt sich plötzlich zu der permanent blinkenden Warnung über lebensbedrohliche Mengen radioaktiver Strahlung ein Kollisionsalarm.
Mit einem Atemzug bin ich eins mit meinem Gott, eins mit der Zeit. Während sich die Welt um mich herum eine Pause gönnt, reiße ich meine Waffe senkrecht nach oben. Ich starre in ein weit aufgerissenes Maul mit spitzen, langen Zähnen, das sich langsam nähert.
Ich sehe den Mündungsblitz, die Druckwellen und mein Projektil, das sich kreisend senkrecht nach oben durch die Luft schraubt und sich in den hässlichen Schädel meines Angreifers bohrt. Langsam, anmutig zerplatzt der Kopf der Kreatur. Blut und Gewebe formen ein surreales Kunstwerk, welches langsam expandiert. Ich wundere mich, wie mein Gehirn in diesem Moment, an diesem Ort Ästhetik empfinden kann, schließlich…
Schmerz lässt meinen Körper brennen. Ich falle vornüber in den radioaktiven Staub. Die wild blinkende Warnmeldung im Display meines Helmes, scheint kurz vor einem Infarkt zu stehen. Ich frage mich, wie lange die Filter in meiner Atemmaske noch standhalten.
Mühsam hieve ich mich auf die Beine. Ich habe die Gunst des Herren der Zeit mehr als überbeansprucht, von meinem Körper ganz zu schweigen.
Primitive bleierne Projektile prallen wirkungslos gegen meine Rüstung. Ich reiße beide Pistolen hoch, stelle sie mit einem Gedanken auf Dauerfeuer und bestreiche im 60° Winkel vor mir alles was nicht auf diese Welt gehört.
Meine Feinde fallen zahlreich in den Staub – Zumindest einen kurzen Augenblick. Zu der so vertrauten Strahlungswarnung gesellt sich der informative Hinweis, dass keine Projektile mehr in meinen Magazinen sind. Ob die Hersteller dieser Waffensysteme der Meinung sind, man würde das Fehlen der Kugeln ohne eingeblendete Nachricht nicht bemerken?
Ich stoße die Luft aus den Lungen. Warum muss am Ende der Munition noch so viel Feind übrig sein?
Mein Blick gleitet in den düsteren Himmel. Die schwarzen Wolken lassen hier und da ein schwaches, rotes Glimmen der verschleierten Sonne zu. Es scheint, als habe der Himmel gebrannt und die sterbende Glut flackert ein letztes Mal auf, bevor sie für immer erlischt.
Genaugenommen hat der Himmel gebrannt und nun liegt er wohl wirklich im Sterben.
Ich senke die Arme, schließe die Augen und atme langsam und ruhig. Mein Ende ist das Ende meiner Welt. Wer will schon seine Welt überleben?
Etwas reißt mich nach hinten.
Wild mit den Armen rudernd, kann ich mich auf den Beinen halten. Ich blicke in das reich verzierte Visier eines Lichtbringers.
„Die Priester suchen Euch. Wir halten sie auf.“
Mit dieser knappen Anweisung stapft er zurück in den Schildwall.
Ich habe nie verstanden, warum man grundlos einem Kodex folgt, der einem den Gebrauch von Schusswaffen verbietet. Doch als ich die flammenden Plasmaschwerter durch die Luft zischen sehe und die markerschütternden Schreie der sterbenden Feinde vernehme, bin ich äußerst erleichtert auf dieser Seite des schwer gepanzerten Walls aus archaischen Kriegern zu sein.
Ich kehre der Front den Rücken und renne los. Meine geleeartigen Beine stolpern sich über den unebenen Boden.
Ich renne an Leichen vorbei, ausgebrannten Fahrzeugen und Panzern, die von ihrer Besatzung verlassen wurden, weil die Batterien leer sind – Leer wie meine.
Nachdem ich den größten Teil der Strecke wie in Trance gelaufen bin, ich schätze mein Körper hatte alles abgeschaltet was nicht dem Laufen dient, erreiche ich mein Ziel. Erstaunt stelle ich fest, dass ich unterwegs eine Plasmalanze aufgesammelt habe.
Sechs der mächtigsten Priester meines Ordens blicken mich an.
„Wir haben dich erwartet, schnell. Wir haben keine Zeit zu verlieren.“
Ich nicke und folge der einladenden Handbewegung. Priester denken – Wir handeln.
Wie befohlen, stelle ich mich in den imaginären Kreis, den die sechs bilden. Sie beginnen mit einem Ritual, einem... Was haben die vor?
Der Rädelsführer blickt mich an. Er wirft mir eine kleine Tasche zu.
„Verhindere das Ende der Welt.“
Was?
Ich?
Wie?
Alles wird schwarz.
Ich versuche die Augen zu öffnen, doch gleißendes Licht blendet mich. Ich bin also noch auf der Tagseite, aber wo? Oder vielleicht sollte ich fragen, wann?
Die Sonnenstrahlen streicheln meine Haut. Als sich mein Bewusstsein durch den Schleier des Schlafes kämpft, merke ich wie etwas an meiner Nase kitzelt. Ich öffne mühsam ein Auge und sehe verschwommen eine kleine weiße Feder mein ganzes Blickfeld erfüllen.
Ein kurzes Schnauben und die freche Daune segelt von dannen.
„Aufstehen, Hoheit. Ihr habt schon zu lange im Bett gelümmelt.“
„Hmmmm.“ Mehr kriege ich in meiner derzeitigen Verfassung nicht zustande. Dass einen der Schlaf immer so eisern halten will, sich immer weigert einen ins Licht zurückzulassen.
Ich setze mich im Bett auf und strecke meine Arme. Knackend begrüßen meine Gelenke die Sonne.
Kaum hörbar schiebt Maldia einen Vorhang nach dem nächsten beiseite. Ich wundere mich immer, warum so schwerer, dicker Stoff so wenig Geräusche von sich gibt.
Ich blicke zum nächsten freien Fenster.
Die Strahlen der Sonne wärmen meine Haut und bringen das Leben zurück in meinem Körper. Nur ein paar Augenblicke und ich bin wieder die überdrehte, quietschlebendige Prinzessin, für die mich jeder hält – Zu Recht.
Ich hüpfe aus dem Bett, lasse beiläufig mein Nachtgewand zu Boden gleiten und betrachte mich im großen Kristallspiegel.
„Maldia, bin ich hübsch?“
„Ja, Hoheit. Sehr hübsch.“ Ihr Ton verrät wie sehr sie diese Frage nervt, während sie mir in mein Unterkleid hilft. Ich entschließe mich nicht locker zu lassen.
„Du klingst, als meintest du es nicht ernst.“
„Hoheit, Ihr stellt mir diese Frage jedes Mal nach dem Aufstehen, seitdem Ihr das erste Mal mit den ersten Ansätzen von Brüsten aufgewacht seid.“
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