Rebekka Meier - Hamudi

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In Zeiten der turbulenten Flüchtlingsbewegung in Europa, bricht Rebekka auf und kommt selbst in Bewegung. Sie trennt sich von ihrer langweiligen Ehe und beginnt eine Reise ins Unbekannte, mit einem neuen Job, einem Wohnortwechsel und neuen Freundschaften. In ihrer Tätigkeit als Deutschlehrerin wachsen ihr einige der Flüchtlinge ans Herz. Ihre Geschichten werden zu Rebekkas Geschichten und helfen ihr über die Zeit der Scheidung hinweg. Sie erkennt, was sie jahrelang aufgehalten hat und beginnt ihre eigene Flucht. Eine Flucht von dem Alltag, der sie beherrscht, dem Trott, den sie seit Jahren lebt, den Mustern, die sie von ihrer eigenen Familie mitgenommen hat und dem Gedankengut, das sie ungeprüft gelebt hatte. Sie begleitet ihre arabischen Freunde einen Teil ihres Weges und lernt dabei sich abzugrenzen, sich neu zu definieren und wertzuschätzen. Im Lauf der zwei Jahre beginnt sie sich ein Bild über die Situation zu machen und schreibt besondere Erlebnisse auf, um sie der Menschheit zur Verfügung zu stellen. Die Geschichten, die sie von ihren arabischen Freunden hört und Dinge die sie erlebt, lassen sie vieles aus einer anderen Perspektive wahrnehmen. Eingefahrene Meinungen und Werte definieren sich neu und so findet sie ihr große Liebe wieder. Die Liebe zu sich selbst, der Person, die sie am besten glücklich macht.

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Rebekka Meier

Hamudi

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Inhaltsverzeichnis

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August 2015

Rebekka gelangweilt Der Wecker klingelte um sechs Uhr morgens So wie immer - фото 2

Rebekka – gelangweilt

Der Wecker klingelte um sechs Uhr morgens. So wie immer. Die Monotonie der Töne war der Einstieg in den neuen Tag, der schon bekannt war bevor er zu Ende ging. Rebekka streckte sich, öffnete die Augen und blickte durch das Fenster in die Bergwelt. Es waren Wolken am Himmel. Der Tag sah nach Regen aus. Es war einer dieser Tage, wo man erst gar nicht aus dem Bett wollte. Wozu auch. Kannte man den Verlauf dieses Tages nicht schon aus den vorherigen Tagen? War nicht jeder Tag gleich. Aufstehen, Kinder in die Schule schicken, putzen, einkaufen, kochen, mit dem Hund gehen, mit den Kindern die Aufgabe erledigen und, und das war auch ein alter Hut, mit Georg streiten. Besser gesagt, Georg ausweichen, um Streit zu vermeiden. Rebekka und Georg kannten sich schon seit ihrer Kindheit. Früher hatte Rebekka in Georg den großen Beschützer gesehen, einen lustigen, bodenständigen Kerl, mit dem sie eine große Familie wollte, eine Landwirtschaft, mit Schafen, Hasen, Pferden, Hochlandrindern, eigenem Gemüse und Kräutern. Sie konnte sich gut vorstellen, abseits von der Masse mit einem Mann zusammen zu leben, der, wie sie dachte, die gleichen Einstellungen und Werte vertrat. Nach ihrer wilden, außergewöhnlichen Jugend, war sie damals bereit für Ruhe, Familie, Natur, Beständigkeit und vor allem Kinder. Und so kam es, typisch für Rebekka, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dazu, dass sie sich Georg aussuchte. Er war ihr vertraut, war bemüht und sie fühlte sich von Anfang an geborgen. Gelangweilt im Job, plante sie auch ihr erstes Kind. Georg unterwarf sich Rebekkas Plan. „Das ist deine Entscheidung“, sagte er und wenn Rebekka gewusst hätte, welchen tieferen Sinn, dieser Satz hatte, hätte sie vielleicht anders entschieden. Rebekka drehte sich im Bett um und betrachtete die Seite im Bett neben ihr. Sie war wie immer leer. „Hat es eigentlich je einen gemeinsamen Morgen mit Georg gegeben?“, fragte sie sich. Sie konnte sich nicht erinnern, dass sie jemals einen Kuschel-Morgen hatten. Wie jeden Morgen, stand Georg früh auf. Oft schon um vier oder fünf Uhr, um Arbeiten zu gehen. Wenn er morgens das Haus verließ, wachte sie jedes Mal auf. Anfangs war die Verabschiedungen noch liebevoll verlaufen. Mit Berührungen, Küssen und dem Gefühl, dass man lieber zusammen liegen bleiben würde. Jetzt nach den sieben Jahren, war davon wenig zu spüren. Rebekka stellte sich meist schlafend, um erst gar nicht geküsst zu werden. Wenn sie die Haustüre ins Schloss fallen hörte, stieß sie einen erleichterten Seufzer aus, drehte sich im Bett um, und versuchte noch eine Stunde zu schlafen, bevor sie selbst aufstehen musste. Manchmal ärgerte sie sich über die Lautstärke, mit der Georg über die Treppe polterte. Er versucht erst gar nicht, leise zu sein, dachte sie sich und wurde wütend. Dann konnte sie meist nicht mehr schlafen und ärgerte sich gleich noch viel mehr, weil sie Georg für ihren Schlafmangel verantwortlich machte. Dabei schlief sie mehr als jemals zuvor. Meist ging sie mit ihren Kindern um neun Uhr abends ins Bett und stand wie gerädert nach neun Stunden Schlaf wieder auf. Die letzten Jahre hatte sie es sich zur Gewohnheit gemacht, alleine ins Bett zu gehen. Georg kam oft erst spät abends heim. Sein Biergeruch kündigte ihn schon vorzeitig an. Um unangenehmen Situationen und eventuellen Eskalationen aus dem Weg zu gehen, hatte sie es sich angewöhnt, mit einem Buch in der Hand einzuschlafen. Mit dieser Methode konnte sie perfekt abschalten, gut schlafen und noch dazu hatte sie das Doppelbett meist alleine, da Georg oft im Wohnzimmer vor dem Fernseher einschlief. „Guten Morgen, es ist 6 Uhr, aufstehen!“ Mit diesem Satz weckte sie ihre zwei Söhne wochentags immer auf und auch, wenn sie jetzt schon in einem Alter waren, wo sie selbst aufstehen konnten, ließ sie es sich nicht nehmen, gemeinsam mit ihnen den Tag zu starten. Wenn Rebekka die beiden betrachtete, wusste sie, warum sie sich dazu entschlossen hatte, die Trinkgewohnheiten und die anderen Frauen von Georg zu akzeptieren. Sie liebte ihre Kinder über alles und wollte, dass ihre beiden Söhne, ihren Vater hatten. Als Rebekka diesen Morgen ihre Kinder in die Schule verfrachtet hatte, war sie voller Energie. Sie hatte endlich einen neuen Job. Es war eine Herausforderung in einer kleinen Gemeinde, wie dieser, eine Arbeit zu finden, die ihrer Ausbildung entsprach und sich mit ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter vereinbaren lies. Da Georg weder unter der Woche noch am Wochenende sonderlich viel mit den Kindern unternahm, war es schwierig, einen Job zu finden, der Spaß machte und zu ihrem Tagesablauf passte. Sie hatte die Zusage bekommen für 15 Stunden in der Woche den Deutschunterricht für die Flüchtlinge in ihrer Gemeinde zu übernehmen. Sie war voller Euphorie. Wie schön wäre es, wenn sie wieder eine Aufgabe hätte, die sie fordern würde und an der sie wachsen konnte. Gleichzeitig mit der Euphorie, schwang auch etwas Unsicherheit mit. Wenige der Dorfbewohner sprachen Gutes über die Flüchtlinge. Sie wären Wilde, die kein Benehmen hätten, flüsterten sie, hinter vorgehaltener Hand. Es würden alle stehlen und sie hätten Angst um ihre Kinder. Außerdem seien sie frauenfeindlich und würden Kinder, wie Frauen schlagen. Rebekka war vor der Geburt der Kinder viel gereist und liebte andere Nationalitäten. Sie war bei den Beduinen und den Türken auf Tee eingeladen worden, feierte mit den Südamerikanern bis in die Morgenstunden und stopfte sich mit sechs anderen marokkanischen Frauen in ein Auto und hatte immer das Glück an ihrer Seite. „So wie man es in den Wald hinein schreit, so kommt es zurück“, war ihre Devise und bis jetzt fuhr sie gut damit. Allerdings hatte sie bei all ihren Reisen eines gelernt. Sie informierte sich immer gut über das Land und über die Sitten. Und das tat sie auch diesmal. Sie nahm ihren Laptop und begann Informationen zu sammeln. Durch ihre etwas komplizierte familiäre Situation und der Abgeschiedenheit in einer ländlichen Region hatte sie, da sie auch darauf verzichtete zu fernsehen und Radio zu hören, wenig von dem Flüchtlingsgeschehen mitbekommen. Auch die Kriege im Nahen Osten interessierten sie wenig. Sie betrafen sie nicht unmittelbar. Die Kinder, das Haus und Georg forderten so viel von ihr, dass sie nicht einmal ein schlechtes Gewissen hatte, vom Weltgeschehen nichts mit zu bekommen. Außerdem war sie ohnehin der Meinung, dass alles Manipulation war und die wahren Informationen der Öffentlichkeit vorbehalten blieben. Rebekka las, dass arabische Männer den Frauen nicht die Hände schüttelten und beschloss, die Jugendlichen mit einem „As-salamalaikum“ zu begrüßen. Der Friede sei mit Dir, das konnte nie schaden. Außerdem setzte sie sich, wie so oft, weil sie es gerne trug, ein Tuch auf.

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