Den Elben eignet manche den Menschen überlegene Weisheit und Kunst. Opfer werden ihnen dargebracht, ihre Gunst zu gewinnen oder zu erhalten, besonders auch, aber nicht allein, den Hausgeistern, welchen man Mehl und Salz auf dem Herde verstreut, einen Napf Milch hinstellt, wie man wohl auch den Feld- und Korn-geistern die letzten Baumfrüchte hängen, die letzten Ähren stehen lässt. Sie lieben die Musik; sie führen wunderbare Tänze im Mondenlicht auf; am Morgen findet man die Spuren dieses »Elfenreigens«, die »Elfringeln«, im tauigen Grase. Während sie nach heidnischer Auffassung, abgesehen von neckischem Mutwillen, den Menschen nur zur Strafe für Missachtung oder Kränkung schaden, hat das Mittelalter auch diese wohltätigen »Lieblinge« (Liufinger im Norden) in teuflische, schädliche, hässliche, die »guten Holdchen» in »Unholde« verwandelt; einzelne Elben nehmen freilich sogar der (späten) Sage nach das Christentum selbst an durch die Taufe.
Bei den Zwergen tritt mancher Zug hervor, der darauf hinweist, dass zwar keineswegs allein oder auch nur vorherrschend, aber doch auch neben natürlichen Bedeutungen ein Gegensatz der Volksart und der Bildungsstufe zu Grunde liegt; zum Teil haben die einwandernden Germanen in ihre Zwergenwelt aufgenommen vorgefundene, an Kraft, Wuchs und Sitte tiefer stehende (finnische?) Bevölkerungen, welche scheu vor den hochragenden Siegern zurückwichen, in die Wälder und Felshöhlen, in die von Wasser, von Seen und Flüssen umgebenen Zufluchtsstätten(Pfahlbauten) einer älteren Einwohnerschaft, welche, zwar ärmer und bildungsloser, aber mit besserem, d. h. älterem, Recht im Lande sitzt. Aus den Tiefen der Berge(Felshöhlen), aus den Teichen tönen die klagenden Lieder dieses aussterbenden Völkleins. Diese Leutchen sind ehrlich, ohne Falsch, sie essen nur einfache, ungekochte Speise, sie kennen kein Salz; die Kunst des Brotbackens zu erlernen, kommen sie an den Herd der germanischen Hausfrau; sie klagen über die Untreue und Arglistder ihnen weit überlegenen neuen Herren des Landes, vor denen sie verschwinden und aussterben müssen, etwa wie die Rothäute Amerikas vor den »Blassgesichtern« mit ihrem Feuergewehr und Feuerwasser. Sie wagen sich wohl manchmal noch – zumal junge Männlein und Weiblein – schüchtern aus ihrem Versteck im Wasser in das Dorf, teilzunehmen an dem Tanz um die Linde; und an Schönheit des Gesichts und an Feinheit der Tanzkunst übertreffen sie, z. B. »die drei Seejungfern«, dann weit die Menschen. Aber bevor die Sonne sinkt, müssen sie flüchtig verschwinden; der nasse Saum ihres Gewandes bekundet dann etwa ihren gewöhnlichen Aufenthalt – im Wasser, auf den Pfahlbauten – oder der Abdruck ihrer Schwanenfüsse, welche sie sorgfältig verbergen, verrät sie. Verspäten sie sich, so zerreisst sie wohl ihr Vater oder König und ein Blutfleck schwimmt auf der Wasserfläche. Aber manche haben auch mit Menschen Ehebündnisse geschlossen und Kinder gehabt, welche sie viele Jahre pflegen, bis sie plötzlich, etwa weil man, gegen das Gelübde, um ihre Herkunft fragte oder ihre Füsschen entdeckte oder ihr nächtliches Fest mit andern zu Besuch kommenden Geistern störte, wehklagend verschwinden auf Nimmerwiederkehr.
Einigermassen, aber auch nur zum Teil, hängt hiermit die Neigung der Zwerge zusammen, den Menschen zu stehlen, was die Zwerge selbst nicht zuwege bringen können; allerlei Backgerät, Braugerät (das sie wohl auch entleihen und dann stets treulich, oft zum Lohne mit Gold gefüllt, zurückbringen); denn sie sind »Meisterdiebe«: sie stehlen den brütenden Vöglein unvermerkt die Eier unter dem Leibe weg; ganz besonders aber stehlen sie Menschen selbst: Erwachsene, schöne Frauen, zumal aber Kinder aus der Wiege; – sie legen dann wohl ihre eignen hässlichen, dickköpfigen Säuglinge hinein, zum Tausch, zur Auswechslung (»Wechselbalg«) – oder auch vom Spielplatz, indem sie dieselben an sich locken, oder Kinder, die sich im Wald oder im dichten Korn des Weges verirrt haben, um so durch Vermählung mit den schönen und starkgliedrigen Menschen ihrer eignen verkrüppelten Zucht aufzuhelfen. Deshalb stehlen oder locken oder bitten sie wohl auch Menschenfrauen, welche gerade Kinder stillen, in ihre unterirdischen Höhlen, dort Zwergenkinder mit zu säugen.
Jedoch jene sozusagen ethnographische und geschichtliche Grundlage ist, wie bemerkt, nur sehr vereinzelt. Im wesentlichen haben die Zwerge eine Naturgrundlage. Und diese erklärt zum Teil auch das eben besprochene Kinderstehlen; das ertrunkene Kind ist von dem Wasserelb hinabgeholt, das im Wald verirrte, im dichten Korn bei heissem Mittagsommerbrand verschmachtete, das in dem Sumpf erstickte vom »Waldschratt«, von der »Kornmuhme«, vom »Roggenmütterlein«, von den »Moosmännlein« verlockt und getötet.
Es ist auch keineswegs immer auf jene Scheu der (finnischen?) Zwerge vor der germanischen Kultur zurückzuführen, dass diese Dunkelelben den Ackerbau, das Roden der Wälder, das Anlegen von Hüttenwerken hassen, fürchten, davor auswandernd entrinnen. Die Naturgrundlage dient zur Erklärung. Die im geheimen wirkenden und webenden Kräfte der Natur im Erdenschoss, in Wald und Berg wollen nicht vom Menschen verstört, nicht ihm dienstbar gemacht werden. Daher die Sagen, welche ungeheure Massen von unsichtbaren Auswanderern von dem Fährmann über den Strom setzen lassen; er hört nur ihre Stimmen, und sein Schiff droht unter der Last der unergreifbaren Fahrgäste zu sinken; oder man hört das Getrappel von vielen Tausenden kleiner Füsse über eine Brücke. Jedoch berührt sich diese Vorstellung mit dem Sagenkreis von der Unterwelt, über deren Ströme die Seelen der Abgeschiedenen, die Schatten, sich fahren lassen, weil Zwergenreich und Totenreich (unter der Erde) nahe aneinander grenzen.
Die Zwerge, stets im Schosse der Erde, in den Tiefen der Berge hausend, kennen alle Metallgänge und sind die besten, zauberkundigsten Schmiede. Zwerge, Iwaldis Söhne, hatten Odins Speer Gungnir, Freyrs Schiff Skidbladnir und Sifs goldenes Haar geschmiedet. Loki verwettete sein Haupt einem Zwerge, dass dessen Bruder nicht drei gleich köstliche Kleinode fertigen könne; aber obwohl Loki als Mücke den Gehilfen bei der Arbeit zweimal in die Hand stach, schuf dieser doch Frôs goldborstigen Eber und Odins Ring Draupnir und, obgleich er ihm bei dem dritten Werk sogar in das Auge stach, den Hammer Thors, der nur am Stiele etwas zu kurz geraten war, weil der Bläser einen Augenblick vor Schmerz gezuckt und innegehalten hatte an der Esse. Aber die Götter erklärten doch Loki der Wette verlustig, d. h. diese drei Kleinode den drei ersten gleichwertig.
Übrigens haben die Zwerge als unterirdische Geister mit den Riesen die Scheu vor dem Tageslicht gemein; ein Sonnenstrahl kann sie in Stein verwandeln. So überlistet Odin einen Zwerg in der Wette von Frag’ und Antwort, indem er ihn so lange beschäftigt, bis die Sonne in den Saal scheint und den allzu eifrigen und auf sein Wissen allzu eitlen Zwerg versteint. Auch zerspringt wohl der Zwerg beim Morgenlicht. Deshalb tragen sie auch Nebelhüte, Tarnkappen, welche sie vor allem vor dem Sonnenstrahl schützen, dann freilich auch unsichtbar und zauberstark machen, so dass, wer ihnen das Hütchen abschlägt, sie erblicken und bezwingen mag. Als Bewohner der Unterwelt sind die Zwerge Nachbarn Hels, der Totenfrau, und »bleich um die Nase) – wie Leichen –, oft Hels Boten, Menschen, die sterben sollen, abzuholen (ihr Berg ist oft geradezu die Unterwelt, d. h. das Reich der Toten). So wird Dietrich von Bern bald von einem schwarzen Ross, bald von einem Zwerg abgeholt bei seiner Entrückung. Auch statt des Rattenfängers von Hameln holt etwa ein Zwerg die Kinder ab und lockt sie in den Berg.
Vermöge ihrer Zauberkünste können sich Zwergenkönige sogar Riesen dienstbar machen. Denn die Welt der Zwerge ist in viele Königreiche gegliedert; solche zaubermächtige, reiche Zwerge waren Laurin, dessen Rosengarten mit seidener Schnur umhegt war; wer die Umfriedung verletzte, büsste mit dem linken Fuss und der rechten Hand. Andre Zwergenkönige herrschten über den Magnetberg im Lebermeer, im Harz (Giebich, ein Beiname Odins, der – um seiner Zauberkunst willen? – später von der verderbten Sage auch wohl als Zwergenkönig gedacht wird); Hans Heiling in Böhmen ist König der Berggeister; Rübezahl in Schlesien ist wohl slavisch, aber mit mancher Beimischung von Zügen aus Elben, Riesen und Zwergen.
Читать дальше