Froh sah ich dich aufblühn, du freudiger Held,
Lang folgt’ ich dir schwebend und schweigend gesellt.
Oft küsst’ ich des Schlummernden Schläfe gelind,
Und leise die Locken, die dir wehen im Wind.
Hoch flog ich zu Häupten, – du kanntest mich kaum –
Durch die Wipfel der Wälder, dein Trost und dein Traum.
Ich brach vor dem Bugspriet durch Brandung dir Bahn,
Vor dem Schiffe dir schwamm ich, weiss-schwingig, ein Schwan.
Ich zog dir zum Ziele den zischenden Pfeil,
Aufriss ich das Ross dir, das gestrauchelt am Steil.
Oft fing ich des Feindes geschwungenes Schwert,
Lang hab’ ich die Lanzen vom Leib dir gewehrt.
Und nun, da die Norne den Tod dir verhängt,
Hab’ ich dir den schnellsten, den schönsten geschenkt.
»Sieg!« riefest du selig, »Sieg, Sieg allerwärts!«
Da lenkt’ ich die Lanze dir ins herrliche Herz.
Du lächeltest leiblich – ich umfing dich im Fall –
Ich küsse die Wunde – und nun auf; – nach Walhall!
(Dahn, Gedichte. Sämtl. poetische Werke. Zweite Serie Bd. VI. S. 209.
, wie Swawa Helgi; unsichtbar oder zuweilen sichtbar werdend in Gestalt einer herrlich gerüsteten Jungfrau oder auch eines Tieres, dessen Eigenart der Eigenart des Helden besonders entspricht.
Auch nordisch Disen, althochdeutsch Idisen heissen sie wohl, was aber übermenschliche Jungfrauen überhaupt, nicht nur Walküren bezeichnet. In dem Merseburger Zauberspruch zaubern sie: »Heften Hafte, binden Bande«, durch solche sinnbildliche Handlungen Heere zu hemmen, Feinde zu fangen. Unter den Walküren ragen hervor Hilde und Brunhilde, welche zugleich den Übergang der Götter- in die Heldensage sehr lehrreich darstellen.
Während die Namen der andern Walküren wechseln, kehrt überall der Namen Hilde wieder: »Hild« heisst Kampf; daher heisst »Hilde wecken« soviel wie Kampf wecken. Sie ist der personifizierte Kampfgeist; als Führerin, als erste der Walküren ist sie – Freya selbst. Nach der Sage von Högni und Hilde entführte Hedni, Hiarandis Sohn, seine Geliebte, Hilde, König Högnis Tochter. Der Vater verfolgt sie zu Schiff und holt sie ein; beide samt ihren Mannen rüsten sich zum Kampfe. Hilde bietet dem Vater ein Halsband zur Sühne (es ist Freyas Halsband: Brisingamen); aber Högni weist den Antrag zurück; denn schon hat er die furchtbare Waffe aus der Scheide gezogen, das Schwert Dainsleif, daseines Mannes Todesblut trinken muss, so oft es aus der Scheide gezogen wird. Erst das Abenddunkel scheidet die Kämpfer der schrecklichen Hiadningaschlacht. Aber in der Nacht schreitet Hilde zum Walplatz und erweckt die Gefallenen aus ihrem Todesschlaf; und so in jeder folgenden Nacht, fort und fort, bis zur Götterdämmerung und zu dem allerletzten Kampf, der auf Erden gekämpft wirdDu hast mir den Vater erschlagen und schlugst mir den Bruder dazu,
Und dennoch in ewigen Tagen mein Liebster, mein alles bist du.
Es liegen so müde vom Rechten die erschlagenen Helden zu Hauf
Ich aber, in mondhellen Nächten, ich wecke die Schlummernden auf.
Sie fassen verschlafen die Schilde, sie rücken die Helme zurecht,
In den Lüften ertobet das wilde, das schreckliche Geistergefecht.
Da krähet der Hahn und sie stocken; – noch im Schwunge die Lanze ruht,
Ich trockne mit meinen Locken auf Helgis Stirne das Blut.
Ins Hügelgrab sinken wir beide, ins Brautbett dunkel und still;
Und über die graue Heide hinpfeifet der Nordwind schrill.
(Dahn, Gedichte. Sämtl. poetische Werke. Zweite Serie Bd. VI. S. 213.)
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Es ist der Grundgedanke gar mancher Sage; ein edles, herrliches Weib, in tragischen Widerstreit gestellt zwischen ihrem Vater (oder ihren Brüdern) einerseits und einem Geliebten (oder Ehegatten) anderseits. Ist einmal Blut geflossen, darf sie nach dem Sittengesetz germanischer Blutrache nicht ruhen noch rasten, bis die Rache durch Untergang der Schuldigen vollendet ist. So erscheint sie, nachdem diese Pflicht der Blutrache durch das Christentum beseitigt worden, als eine dämonische Unholdin, als eine »Walandine«, eine Teufelin, als die Verderberin ihrer Sippe oder der ihres Gatten, was sie ursprünglich keineswegs war, sondern lediglich die Verkörperung der unerbittlichen Ehrenpflicht der Blutrache. Diese ist freilich an sich tragisch, da sie mit unentrinnbarer Notwendigkeit fortrast, bis beide oder eines der darin verstrickten Geschlechter ausgerottet sind, durch jedes neue Blutvergiessen neu entzündet und auch die persönlich ganz Unschuldigen (Giselher in den mittelhochdeutschen Nibelungen) erbarmungslos mit dem ehernen Tritt der Notwendigkeit dahinstürzend. Dabei ist es die der älteren Zeit angehörige Auffassung, dass das rächende Weib auf Seite ihrer Brüder, die jüngere, dass sie auf Seite des gemordeten Gemahls tritt. Jenes Schwert, das, wenn einmal gezogen, nicht wieder in die Scheide fährt, bis es eines Mannes Tod geworden, ist ebenfalls ein schaurig schönes Bild der Blutrache, die, einmal entfesselt durch Blutvergiessen, nur nach neuem Blutvergiessen rastet. Und so schreitet jene gewaltige Gestalt der Krimhild als späte Nachwirkung der Walküre Hilde furchtbar durch die germanische Dichtung hin; die Weib gewordene Blutrache, ursprünglich nicht eine »Walandine«, wie sie Hagen schilt, sondern eine Göttin oder doch eine Walküre.
Noch in christlicher Zeit hat eine Sage es ausgedrückt, dass Hilde ursprünglich Freya selbst war. Deren Schmuck ist das kostbare Halsgeschmeide Brisingamen, welches ihr vier zauberkundige Zwerge geschmiedet – nach später, schmähender Erfindung um den Preis ihrer Liebesgunst. Odin lässt es ihr durch Loki stehlen und will es ihr nur zurückgeben, wenn sie – und hier erscheint sie als die zum Kampf treibende Walküre – zwei mächtige Könige, von denen jeder über zwanzig Jarle gebietet, verfeindet und zum Kriege fortreisst, dabei aber die Erschlagenen immer wieder zum Kampf erweckt, bis dereinst ein christlicher Held diesem Zauberbann ein Ende mache. Die Sage verrät gar vielfach ihren späten, künstlichen Ursprung; weshalb bedarf Odin Freyas zu jenem Kampfschüren, was er durch seine Runen am besten selbst versteht? Welchen Vorteil hat für Odin die Geisterschlacht, welche die Zahl der Einheriar nicht vermehrt? Die Erfindung verherrlicht lediglich das Christentum, welches durch König Olaf Tryggvason die Blutrache abzustellen trachtet, während diese nach der alten heidnischen Sage bei dem Kampf der Hedninge fortraset bis zur Götterdämmerung. Man nimmt an, dass die Sage von Hilde und Högni in der Gudrunsage weiter tönt (s. unten). Wie Hilde ist auch Brunhilde aus Freya (oder Frigg) hervorgegangen. Sie ist Walküre, hat sich aber ganz dem Helden Agnar zum Dienste geweiht, so dass sie in dem Kampfe mit Hjalmgunnar, dem Odin den Sieg bestimmt hatte, diesen durch Agnar erschlagen liess. Da entbrannte furchtbar Odins Zorn über die »Sigr-drifa«; er nahm ihr die Walkürenschaft und bestimmte sie zur Ehe. Brunhild aber schwor, keinen zum Manne zu nehmen, der sich fürchten könne (was Odin der noch immer geliebten gewährt, muss man hinzudenken, wenn man nicht solches Gelübde als auch für Odin unantastbar ansehen will). Odin stach ihr nun den Schlafdorn in das Haupt und umgürtete sie und die Burg, in welcher sie lag, mit »wabernder Lohe (Wafurlogi), die nur durchschreiten mag, wer Furcht nicht kennt; es ist die Glut des Scheiterhaufens; Brünhild gilt als wirklich gestorben und verbrannt; sie weilt nun bei Hel (wie Gerda) und der Held, der zu ihr gelangen und sie durch seinen Kuss aus dem Todesschlaf erwecken will, muss in die Unterwelt eindringen, was von je als höchste Heldentat für Götter und Halbgötter (Odin als Nornagest, bei den Griechen Herakles) gilt.
Hier wölbt sich wieder die Brücke aus der Götter- zu der Heldensage; ursprünglich ist es Odin selbst, der durch die Waberlohe in die Unterwelt eindringt, dann Freyr, später in dessen Vertretung Skirnir und zuletzt Sigurd.
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