; er wandert wiederholt mit ihm und mit Hönir; eine Erinnerung daran, dass anfangs Luft, Wasser, Feuer, später Odin, Hönir (Ögir), Loki überwiegend als Naturgewalten gedacht waren; später wird dann Loki nicht mehr als Odins geborner, sondern durch Vertrag angenommener Bruder gedacht; als »Blutsbruder«: Freunde ritzten je eine Ader ihres Armes, fingen das Blut in einem Becher auf, vermischten es und tranken beide davon, wodurch ein unverbrüchlicher Treueverband hergestellt ward, so eng wie unter wirklichen Brüdern.
Aber alsbald bricht der arglistige Loki diese Treue; anfangs erteilt er, wohl lediglich seiner Natur folgend, Ratschläge, deren Befolgung die Reinheit der Götter nur gefährdet, ihre Sicherheit trübt. Bald aber, darüber gescholten und bedroht, stiftet er nunabsichtlich Böses, bis er endlich sie offen beschimpft und ihren Liebling Baldur ermorden lässt. Solange jedoch Loki als wohltätiger Feuergott zu den Göttern hält, musste ein besonderer Vertreter des schädlichen Feuers gedacht werden. Auch dieser, ein Riese, führt den Namen Logi, – eine Erinnerung an Lokis ursprünglich riesische Natur und Parteistellung – mit welchem Loki sogar einen Wettkampf eingeht. Ja einmal wird das schädliche Feuer (im Gegensatz zu dem den Göttern und Menschen befreundeten) als Utgardloki bezeichnet, d. h. der Loki der riesischen, am äussersten Erdenrand gelegenen »Aussen-Welt«.
Schon vor dem offenen Bruche mit den Göttern erscheint Lokis Rat und Tat zugleich mit dem Segensreichen auch schädlich. So schafft er zwar mit Odin und Hönir zusammen die Menschen; aber seine Gabe an diese, Blut und blühende Farbe, schliesst mit dem Warmen und Reizvollen zugleich das Gefährliche der Leidenschaft, der Verlockungund ungezügelt auflodernden Sinnlichkeit ein. So verschafft er zwar Thor den an die Riesen verlorenen Hammer wieder; aber nur, indem er Freyas Auslieferung an die Riesen dafür verspricht und, da dies an ihrem und aller Götter sträuben scheitert, diese zu Trug und Treubruch gegen die Riesen verleitet. So schert er Sif, Thors Gemahlin, hinterlistig das Haar ab – die Sommerfeuerglut versengt das Haar, d. h. den Graswuchs der Erde unter dem Schein wohltätiger Wärme –; um sich von der Strafe zu lösen, bietet er nun zwar den Göttern die wertvollsten Kleinode: Freyrs Schiff, Thors Hammer, welche er durch die schmiedekundigen Dunkel-Elben, die Zwerge, fertigen lässt; – (diese sind ihm nahestehend; denn sie hausen in den Tiefen der Berge, wo auch das Erdfeuer[Loki] wohnt, und sie werden auf seinen Rat von den Göttern geschaffen). Allein arglistig suchte er doch wieder die Vollkommenheit dieser herrlichen Geräte zu hindern; er stach als Mücke den Zwerg, welcher den Blasebalg zog, so dass auch wirklich der Schaft an Thors Hammer etwas zu kurz ausfiel.
Auch zu dem Vertrag mit dem riesischen Baumeister (s. unten Buch III, I) hat er, so scheint, den Göttern geraten; und als sie dadurch abermals mit Verlusten bedroht werden, vermag er sie nur durch abermalige List zu retten, welche auch die Asen schuldig macht, da sie dieselbe oder doch ihre Wirkungen gutheissen. Wie Freya will er auch Idun mit ihren verjüngenden Äpfeln den Riesen preisgeben (s. unten: Idun) zum schwersten Schaden der Götter, welche nun zu altern beginnen. Endlich aber, nachdem er lange (nach Uhlands schönem Wort) als das leise und rastlos unter den Göttern umherschleichende Verderben – List, Betrug, schädlicher Rat, Täuschung (zunächst zwar der Riesen, aber auch der Götter), Gefährdung und Befleckung derselben – in noch verdeckter Feindseligkeit wirkte, versetzt er in Baldurs Ermordung ihnen offen den schwersten Schlag, der sie vor der Götterdämmerung selbst – diese vorbedeutend – treffen kann.
Zur Strafe für diesen äussersten Frevel wird Loki gefangen und gefesselt (s. unten, Götterdämmerung), nachdem er, nach einer Überlieferung wenigstens, vorher noch alle in der Halle des Meergottes Ögir zu festlichem Mahle versammelten Götter und Göttinnen beschimpft hat, unter Aufdeckung ihrer Schwächen, Fehler und Vergehen jeder Art; dies ist der Inhalt der Ögisdrecka, der uns zu grossem Teil unverständlich bleibt, weil er in seinen Anspielungen die Kenntnis der zahlreichen Göttergeschichten voraussetzt, welche uns leider verloren sind. Man ersieht aber daraus, in welcher Fülle und in welch verfänglicher Weise die Dichtung solche Sagen ausgebildet hatte, nach welchen fast alle Götter und Göttinnen in Untreue und andre Schuld verstrickt erscheinen, so dass das sittliche Bedürfnis im Volk ihren Untergang oder doch ihre Läuterung im Weltenbrande dringend fordern musste.
Ausser zwei Söhnen von seiner Gattin Sigyn hatte Loki noch von der Riesin Angur-boda drei furchtbare Sprösslinge: den Fenriswolf, die Midgardschlange und Hel (s. unten).
VII. Hel-Nerthus
Während der Fenriswolf und die Midgardschlange die Vernichtung (zumal der Rechtsbruch) und das unwirtliche, stets die Dämme der Erde bedrohende Weltmeer, ausschliesslich schädliche Mächte sind, gilt dies nicht in gleicher Ausnahmslosigkeit von Hel, welche später zwar als Riesin, als schaurige Herrscherin der Unterwelt, des Schattenreiches, auch wohl des Strafortes für Verbrecher, als Todesgöttin erscheint, ursprünglich aber auch wohltätige Bedeutung gehabt hat.
Sie bedeutet in ihrem Namen »Heljan«, hehlen, bergen, zwar das Verhülltwerden und Gefangengehaltenwerden der Toten in dem schaurigen finstern Abgrund der Tiefe, aber zugleich auch das Nährende; die schützende, Lebenskeime bergende und befruchtende Erde wird als segensreicher, warmer Schoss, als ehrwürdigheilige Mutter »die hehlende« genannt. So komme es, dass die Erdgöttin Jörd (auch Fiörgyn, Berg, Hlodyn, Herdgöttin), die Nerthus (Nährende) der Südgermanen, ursprünglich die grosse von den Römern der Isis verglichene Göttin, wohl auch als Hel gedacht wurde. Daher berührt sie sich mit Frigg, welche, der Hera-Juno entsprechend, die Göttin der Ehe, des Hausherdes, der Fruchtbarkeit ist, das Urbild der germanischen Hausfrau, des Götterkönigs schöne, strenge, ehrfurchtwürdige Gemahlin.
Wie es scheint, war sie anfangs zugleich die Göttin der Liebe, diese ohne Rücksicht auf den heiligen Ehebund gedacht. Erst später löste sich, wie wir dies ja wiederholt gesehen, diese eine Seite der Bedeutungen von der Gesamtgestalt ab und wurde zu einer besonderen selbständigen Göttin der Liebe, als Freya; daher erklärt sich, dass auch später noch die beiden nahe verwandten und stabreimenden Göttinnen Frigg und Freya miteinander oft verwechselt werden, was freilich nicht ausschliesst, dass die jugendlich-feurige Freya als Göttin der Liebe zu Frigga, der gestrengen und eifersüchtig das Recht der Ehe wahrenden Hausmutter, auch wohl einmal in Gegensatz tritt.
Sehr bezeichnend für die Doppelart der Hel; die finstere, Grab und Tod bedeutende und zugleich die leben-nährende und für das Wiederemporsteigen des geschützten Keimes unentbehrliche, ist es nun, dass Hel selbst oder die bei ihr weilenden Jungfrauen halb schwarze und halb weisse Haut- und Gewandfarbe tragen. Die in die Unterwelt verwünschte, zum Aufenthalt in der Grabestiefe für bestimmte Zeit verdammte Maid ist schwarz, sofern sie der Tiefe verfallen, aber weiss, sofern sie der Erlösung, der Befreiung, d. h. durch den sieghaft einbringenden lichten Ritter fähig ist (den Sonnenstrahl; s. Skirnisfahrt).
Daher in vielen Sagen und Märchen auch wohl darauf geachtet wird, ob der kühne Befreier die zu Rettende schon ganz schwarz geworden antrifft; – dann ist sie verloren – oder ob noch Weisses an ihr haftet; dann ist sie noch zu erlösen. Das ward dann in Kirchensagen auch wohl auf die im Fegefeuer harrenden Seelen übertragen.
Als Königin der schaurigen Tiefe, als Beherrscherin der Schrecken, als Fürstin der finsteren Unterwelt erscheint Hel auch als Gebietigerin der Straforte für Frevler, welche nach dem Tode die Schuld ihres Lebens zu büssen haben; so ward die persönlich gedachte Göttin Hel der Heiden zu der räumlich gedachten Hölle des christlichen Mittelalters. Aber erst das Christentum hat uns die Hölle heiss gemacht; nach germanischer Anschauung ist der Strafort der abgeschiedenen Seelen eine kalte Wasserhölle; Strömeunter der Erde, eben im Reiche Hels, welche Schwerter, Schlangen und Leichen dahinwälzen; mitten in diesem Gewoge treiben die Verstorbenen dahin, welche auf Erden die Schuld des Meineids, des Mordes an Gesippen und Ähnliches verübt haben; aber die Qualen dieser germanischen Hölle sind nicht ewige (s. unten: Götterdämmerung).
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