»Aaaaaaaachtung, der Köter, die Petraaaaa!« Und da lernte ich, die Erfahrung mit der Schwerkraft. Also, wenn Klein-Peti auf den Hund zuging, hob ich ab. War interessant. Ich übte das fortan täglich, langsam heran pirschen, der Hund fletschte das Gebiss und dann ab nach oben in die Luft und observiert, ob noch alles an mir dran war. Das lief so lang, bis man beschloss, der Hund muss weg. Ich erfuhr später als ich größer war, dass sie eine Art Godzilla im Garten an der Kette hatten. Aber wir hatten noch mehr Tiere. Tanzmäuse meiner älteren Schwester (die leider nicht mehr lebt) und Hamster und alles, was vier Beine hatte. Eine meiner Schwestern brachte eines Tages eine Katze nach Hause, die gebar gefühlte 5-mal im Jahr einen Satz Junge und damals gab es noch keinen Tierarzt, so wie es heute üblich ist. Ich meine damit natürlich die Sterilisation. Hätte man auch kein Geld für gehabt ... wir hatten doch nichts. Aber Mäusefänger waren immer gut, wenn die Biester nur nicht ständig rollig gewesen wären. Die Nachbarn wurden mit Mäusefängern versorgt, und da unsere Katze der Einfachheit halber Pussi genannt wurde, bekamen alle Jungtiere ebenfalls den Mutternamen. So liefen jahrelang in der Gegend überall unsere Pussis rum. Eine Nachbarin (Tante Hedwig) störte der Stammbaum extrem, sie nannte ein Kätzchen Muschi, das war fatal und gegen jede Regel. Muschi wurde extrem fett und groß und das Miststück hat mich auch mal gebissen. Tante Hedwig war übrigens auch extrem fett. Ich weiß noch, wie ich ihre Füße bewundert habe. Die schwappten immer über ihre Schuhe, die wie ich fand, viel zu klein für diese Donnergeschosse aus Wasser und Fett waren. Da ich der fetten Muschi nie verziehen hatte, dass sie mich gebissen hatte, warf ich Tante Hedwig aus Rache eines Tages nè Stinkbombe in den Keller. Das sollte sich später auch rächen, denn ich wurde gesehen und hatte Grundstücksverbot bei Tante Hedwig. Tante Hedwig hatte die prallsten Kirschen und die dicksten Äpfel im Garten und die konnte ich später nicht mehr klauen. Nun ja und wenn ich so nachdenke, hatte ich schon ein interessantes Dasein. Von morgens bis abends draußen, voll Pflaster und blauer Flecke, wenn ich heute drüber nachdenke, war ja nicht alles schlecht. Wir waren die Kinder, die noch mit der Wildnis kämpften und nicht googeln mussten, wie Schlamm schmeckt oder was drin steckt. Wir fraßen fast alles am Wegesrand und ich weiß noch, wie mein Freund Jens aus dem Bach gesoffen hat und danach einen ganzen Tag Bäuerchen machen musste. In unserer Zeit gab es Latzhosen mit Flicken drauf und 1 Paar Schuhe und die wurden noch blank gerieben mit Erdals guter Paste. Übrigens, damals gab es noch die Regel, jedes Kind wird satt. Und wenn eines außer der Reihe dazu kam und nicht geplant war, wurde man nicht nach 5 Beratungsgesprächen in die Tonne gekloppt. Es wurde eine Kartoffel mehr geschält. Upps? Bin ich jemanden auf die Füße getreten? Ist doch so, wir waren damals noch alle willkommen und halfen mit, wenn es hieß, das Leben der Eltern schwer zu machen. Ich will nicht wissen, wie oft meine Mutter vor die Tür gerannt ist und laut aufgeschrien hat, um dann völlig beruhigt rein zu kommen und mit der Erziehung fortzufahren. Na ja, unsere Sippe war zwar turbulent im Ganzen, aber wir hielten auch zusammen und es galt noch der alte Wert der Familie. Rechtschaffen, anständig und Muttis Wischfimmel. Ok, das prägt aber auch oder sagen wir mal, es nervte, bis es nachließ.
1967, das Jahr, in dem das Drama begann
Der Unfall kommt zur Welt. Der Tag war wohl einer der schlimmsten im Leben meiner Geschwister. An einem Dienstagmorgen hatte Mutti mehr als 14 Stunden unter höchsten Anstrengungen an mir rum gedrückt. Da draußen schiss jemand meine Mutter zusammen und ich sollte gleich in die Hände dieser krakeelenden Furie wandern? Ich stemmte mich innen mit Händen und Füßen gegen die Gebärmutterwand. Ich verlor den Kampf. Es war 9.05 Uhr und ich erblickte das Licht der Welt. Um mich rum sollten meine Tanten und Onkels freudig auf mich herab geblickt haben und ich zog alle Aufmerksamkeit auf mich. Da war ich! Und das trotz der Pille und höchsten Sicherheitsvorkehrungen. Nun ja, meine Schwester erzählte mir mal, dass man ihre einzige 1 in Mathe nicht richtig wahrnahm, als sie aus der Schule kam. Sie hatte wohl vergeblich versucht, auf sich aufmerksam zu machen. Leider hab ich keine Bilder von mir oder überhaupt von dem Clan, denn entweder war der Fotoapparat kaputt oder gerade kein Film zur Hand. Ich soll viel geschlafen haben und sehr ruhig gewesen sein, was sich später ins genaue Gegenteil verkehrte. Ich bekam eine gehörige Portion Temperament meines Papas in den Torso und das weiche Wesen meiner Mutti und diese Mischung, die überhaupt nicht passte, musste ich später kontrollieren lernen. Sie kennen das, wenn Sie bei Aufregung in Null-Komma-Nix auf 180 sind? Ich kann das in weniger als Null-Komma-Nix! Ich weiß noch, dass ich Mittagsschlaf hasste. Ich hasste Grießbrei, ich hasste Haferschleim, aber als man mich vor ein Hähnchen setzte, entdeckte man die Affinität meinerseits auf alles, was fliegen konnte. Heute will sich keiner mit mir gemeinsam zum Essen treffen, wenn ich Hähnchen auf dem Teller habe. Das Knacken der Knochen und Lutschen und Schmatzen, wenn ich so einen Flattermann vertilge, soll laut anderer unerträglich sein. Zurück zu mir, als fleischfarbenes, stilles Bündel ohne Namen. Papa wollte Spanisch und Mutti wollte Deutsch. Daraus wurde schrecklich Petra-Carmen. Man kürzte ab und es folgte Peti. Zur Verniedlichung baute man mich um in Klein-Peti oder "Schisser". Schlimmer konnte es nicht mehr kommen. Auf jeden Fall kümmerten sich meine Geschwister um mich und zogen mich im wärmsten Sommer winterlich an und ich muss laut Erzählungen fürchterlich geschwitzt haben, aber damals konnte man schnell erfrieren. Auch wurde ich vor Tonbandgeräte gesetzt und musste Laute von mir geben, wohl um zu testen, wie musikalisch ich mich entwickeln würde. Später konnte ich diese Laute dann selber hören und wunderte mich nicht, wie sie alle lachend vor dem alten Kasten saßen und ein "Uh" oder "Oh" hörten. Das war Klein-Peti´s erster Singversuch. Nachts gab ich auch Laute von mir, ich war der erste Schnarch-König aller Zeiten und hielt die restlichen Hausbewohner öfter wach. So schlimm, dass man mir später zweimal kirchgroße Polypen entfernen ließ. Der Aufenthalt im Krankenhaus ist mir noch in Erinnerung. Das Heimweh war groß. Apropos Krankenhaus, damals gab es noch nicht den Notarzt in dem Sinne, wie wir ihn heute kennen. Wir hatten aber den alten Doc. Der war immer zur Stelle. Der hatte ganz große Tetanusspritzen und der konnte mit Kindern umgehen wie Graf-Grob und hatte das Talent bei mir zu warten, bis ich die Pobacken aufs Äußerste angespannt hatte und dann haute er die Nadeln rein. Ich hasste ihn wie die Pest. Nach der für mich, viel zu frühen Mandel- und Polypen-OP musste ich immer um den Hals herum warmgehalten werden. Auf jeden Fall hatten sie mein Schnarchen damit endlich unterbunden. Morgens traf ich oft auf unausgeschlafene Familienmitglieder, die mir gerne mal den Hals rum gedreht hätten ... hö, hö, hö. Ein Nasenwärmer wurde für mich gehäkelt und hinter die Ohren gespannt. Dass mir die Sutsche aus der Nase in das hässliche Teil lief, interessierte keinen. Ach, was man überhaupt mit mir anstellte. Die eine Schwester verwechselte mich mit ihrer Puppe und ich wurde ständig umgezogen. Ständig diese nervenden Wasch-Rituale. Ein rosa Fass wurde meine Badewanne und Kernseife war wohl extra für meine zarten Augen erfunden worden. Aber resolut, wie alle waren, das Kind musste sauber gehalten werden. Einige Zeit später durfte ich auch endlich alleine aufs Klo. Hier wurde ich zum größten Konsumenten im Klopapierverbrauch ernannt. Ich war Weltmeister im Klo verstopfen, ich verbrauchte Berge an Papier und ich hörte immer den Ruf:
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