„Wie wollt ihr hier Omar finden?“, fragte ich Mohamed Wasula.
„Da benötigen wir viel Glück. Wenn ich den Kerl richtig einschätze, wird er versuchen, meine Tochter zu verkaufen. Das kann er am besten auf dem Basar. Nur dort wird gehandelt. Mit allem, was es gibt.“
„Aber Menschen? Werden die auch so verkauft? Ist der Sklavenhandel denn noch möglich?“, fragte ich.
Mohamed Wasula schaute mich sehr fragend an und sagte: „Selbstverständlich, es werden Mädchen und Jungen offiziell angeboten und verkauft, aus allen Ländern“, antwortete Mohamed Wasula.
Wir ritten in die Stadt und erreichten den Basar. Ein buntes Treiben erwartete uns. Überall waren Händler mit ihren Waren und riefen irgendetwas, um die Kunden von ihrer Ware zu überzeugen. Da waren Stände mit Gewürzen in allen Farben, Kleidungsstücken in den prächtigsten Stoffen. Stände mit Essen, Früchten, mit Krügen und was weiß ich noch.
Wir stiegen ab und die Kamele wurden angebunden. Zwei Männer blieben bei den Kamelen und versorgten sie mit Wasser und Futter. Die anderen Männer teilten sich auf. Sie schienen genau zu wissen, wonach Sie suchten. Mohamed Wasula nahm mich an seine Seite und bedeutete mir ihm zu folgen. Nun, was sollte ich auch sonst tun? Hatte eh nichts im Terminkalender stehen.
Wir gingen recht schnell durch die Gassen der Händler. Hier und da sprach Mohamed Wasula einen Händler an. Die meisten schüttelten mit dem Kopf. Ich nahm an, dass er nach seiner Tochter fragte. Irgendwann zeigte einer der Händler in eine Richtung. Dort sollte ein Händler sein, der mit Sklaven handelte, erklärte mir Mohamed Wasula. Wir liefen los. Als wir an den besagten Stand kamen, war ein kleiner unscheinbarer Mann mit kurzen schwarzen Haaren damit beschäftigt, ein paar Krüge ordentlich aufzustellen. Mohamed Wasula begrüßte ihn, als ob er ihn schon lange kannte. Es entwickelte sich ein Gespräch, das ich leider nicht verstand. Mohamed Wasula wurde immer lauter und zog plötzlich den Mann zur Seite, und bevor ich wusste, was los war, hatte er seinen Säbel an der Kehle des Mannes. Das kannte ich doch irgendwoher. Kurz darauf kam Mohamed Wasula zu mir.
„Die Söhne von Schweinen waren hier. Sie sollen unten am Hafen sein“, sagte er. Kurz darauf eilten wir mit den Männern von Mohamed Wasula in Richtung Hafen. Dort lagen viele kleinere und größere Schiffe und Boote. Ein emsiges Treiben herrschte auch hier. Ständig liefen Männer mit irgendwelchen Gütern auf die Schiffe herauf oder von den Schiffen herunter. Wie sollten wir da Omar finden? Plötzlich fielen mir zwei Männer auf, die einen Teppich trugen. Er musste sehr schwer sein. Außerdem war er sehr dick.
„Ich wette“, sagte ich zu Mohamed Wasula, „dort ist deine Tochter drin.“
Im Eiltempo liefen wir zu den Männern. Die Männer von Mohamed Wasula zogen ihre Säbel, und bevor sie die Männer mit dem Teppich erreichten, kamen andere Männer von überallher. Auch Omar war dabei. Da ich kein Kämpfer, geschweige denn eine Waffe hatte, hielt ich mich zurück. Es gab einen heftigen Kampf. Überall wurde gekämpft und es gab Tote und Verletzte. Mohamed Wasula war ein guter Kämpfer, er wirbelte mit seinem Säbel durch die Gegend, dass einem schwindelig wurde. Wie viele Angreifer es waren, kann ich nicht sagen. Ich hatte hinter einem Fass Schutz gesucht und wartete auf den Ausgang des Kampfes. An den Teppich zu kommen, war so gut wie unmöglich, ohne von den Kämpfenden entdeckt zu werden.
Mohamed Wasula und seine Männer kämpften mit dem Mut der Verzweiflung.
Mohamed Wasula und Omar kämpften wie in den besten amerikanischen Abenteuerfilmen. Leider war das hier kein Film. Da, Mohamed Wasula schlug eine Finte und stieß Omar den Säbel in den Bauch. Blut spritze und lief am Säbel von Mohamed Wasula entlang. Das war das Ende des Kampfes. Die anderen Kämpfer hatten gesehen, dass ihr Anführer gefallen war, und zogen sich wie flinke Ratten zurück. Ich kam aus meinem Versteck und lief zum Teppich. Vorsichtig wurde er auseinandergefaltet und da lag sie, Aynur. Sie war wach, und als sie ihren Vater sah, fing sie an zu weinen und umarmte ihn.
„Lasst mich nach der Wunde sehen“, sagte ich. Vorsichtig schob ich ihre Bekleidung an der Hüfte beiseite und sah, dass der Verband blutig war.
„Sie muss sofort neu verbunden werden“, sagte ich. Mohamed Wasula nahm seine Tochter und trug sie auf den Armen.
„Kommt mit“, sagte er knapp. Ein kleines Haus am Rand des Hafens war unser Ziel. Es war so eine Art Wirtshaus. Mohamed Wasula stürmte hinein und rief etwas zum Wirt. Der zeigte auf einen angrenzenden Raum. Dort war ein Bett. Mohamed Wasula legte Aynur vorsichtig darauf.
„Ich benötige Verbandszeug und heißes Wasser“, sagte ich zu Mohamed Wasula. „Nadel und Faden wären ebenfalls angebracht, wenn ich einige Wunden deiner Männer sehe.“ Wahrscheinlich musste ich auch die Wunde von Aynur neu versorgen, aber das behielt ich lieber für mich.
Mohamed Wasula sprach mit dem Wirt und einer seiner Männer machte sich auf den Weg, um die Sachen zu holen. Kurz darauf hatte ich alles, was ich brauchte, versorgte die Wunde von Aynur und flickte die Männer zusammen. Einige Wunden musste ich ohne ein schmerzstillendes Mittel nähen. Doch kein Laut des Schmerzes kam über die Lippen der Männer.
Ich hatte mehr Glück als Verstand gehabt. Der Verband von Aynur sah schlimmer aus, als es war. Sie hatte geblutet, aber ansonsten war alles in Ordnung.
„Hört, Mohamed Wasula, eure Tochter sollte mindestens zwei Tage das Bett hüten. Die Wunde muss heilen. Das geht nicht, wenn sie auf einem Kamel durch die Wüste reitet.“
Mohamed Wasula schaute mich an, nickte und sagte: „Gut Effendi, wir bleiben hier, bis meine Tochter wieder reisen kann. Ihr seid mir für ihre Gesundheit verantwortlich.“
Eine Stunde später saßen wir beim Essen, Aynur schlief.
„Effendi Rolf“, sagte Mohamed Wasula. Ich horchte auf, denn vorher hieß ich nur Effendi.
„Ihr habt meine Tochter gerettet. Was bin ich euch schuldig?“
„Mohamed Wasula, ihr habt auch mein Leben in der Wüste gerettet.“
„Nein, ihr Wart nicht in Gefahr, Effendi Rolf, aber meine Tochter war todkrank. Ihr habt sie gerettet. Deshalb stehe ich in eurer Schuld. Was kann ich für euch tun?“
Ich überlegte und sagte: „Mohamed Wasula, ich beherrsche eure Sprache nicht, aber ich muss hier als Medikus arbeiten. Könntet ihr mir die Sprache beibringen? Etwas Geld, bis ich allein zurechtkomme, wäre auch nicht schlecht. Nicht viel, nur, dass ich ein paar Tage etwas zu essen habe. Wenn das nicht zu unverschämt ist“, ergänzte ich.
Mohamed Wasula schaute mich an, lächelte und sagte grinsend: „Nein, das geht in Ordnung, Effendi Rolf. Aber ich kann euch nicht meine Sprache beibringen. Dazu habe ich weder die Zeit noch die Geduld. Doch mein Freund Farid Mahmut Gerka hier“, damit zeigte er auf einen Mann, der rechts neben ihm am Tisch saß.
„Er wird zwei Monde bei euch bleiben und euch unterrichten. Ebenso bekommt ihr etwas Geld von mir, um zwei Monde hier in Alexandria zu leben.“
„Das ist sehr großzügig von euch, Mohamed Wasula“, sagte ich und hatte ein paar Tränen in den Augen.
Die nächsten Tage kümmerte ich mich ausschließlich um die Wunden der Männer und von Aynur. Dank wem auch immer, hatte sie keine Infektion, was schon an ein kleines Wunder grenzte.
Ich fing sofort an, mit Farid zu lernen. Es war schwer, aber ich war ein gelehriger Schüler, wie Farid mir versicherte. Er hatte aber auch eine tolle Art, mir die Sprache beizubringen. Wir gingen durch die Straßen und er zeigte auf Gegenstände und sagte mir, wie sie hießen. Anschließend musste ich sie nachsprechen. So klappte es wunderbar.
Nach drei Tagen kontrollierte ich zum letzten Mal die Wunde von Aynur. In ein paar Tagen könnten die Fäden gezogen werden. Das konnte auch ein Baader machen. Mohamed Wasula sagte, er kenne einen guten Baader, der dies machen könne. Aynur konnte schon einige Schritte gehen. Reiten war aber noch nicht möglich. Mohamed Wasula hatte einen Wagen für Aynur besorgt, so konnte sie im Liegen reisen. Die Verabschiedung war herzlich, aber kurz.
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