Kai senkte die Augenlider. Patrick war inzwischen gewitzt genug, um an seinem Blick Aussagen ablesen zu können. Der Mann hatte nur einen einzigen Fehler und das war, dass er immer noch Gefühle für Hetty hatte. Aber nach ihrer Rückkehr von Westaustralien würde das dann wohl auch Schnee von gestern sein. Er bemerkte, wie sich der Ausdruck in Patricks Augen wieder in blanke Neutralität verwandelte. Hoffentlich!
Die Telefonnummer, welche Patrick ihr gegeben hatte, war die vom Haus des Gouverneurs. Dort hatte Hetty als der Hörer abgenommen wurde, eine völlig verdutzte Eva am Apparat, die erst eine Weile brauchte um zu begreifen, wer da so unverhofft anrief.
Doch dann entgegnete sie mit erkennbar freudiger Stimme. »Ach, ist das schön, dass sie sich melden. Wir haben uns alle schon Gedanken gemacht, wie es ihnen ergangen ist. Warten sie einen Augenblick, ich hole sofort Geraldine an den Apparat.«
Die Frau des Gouverneurs litt an Multipler Sklerose und war durch diese Krankheit gesundheitlich stark einschränkt. Eva war als Pflegerin und Gesellschafterin angestellt, denn schließlich musste Winifred seinen Pflichten als Politiker nachgehen und konnte deshalb nicht andauernd nur für seine Frau da sein. Schon bei ihrer ersten Begegnung hatte Hetty erstaunt festgestellt, wie liebevoll er Geraldine umsorgte und aus dem Umgang der beiden miteinander geschlussfolgert, dass sie trotz langer Ehejahre immer noch ineinander verliebt waren.
Geraldines Stimme hatte einen leicht aufgeregten Unterton. »Ich freue mich so, dass du anrufst. Wie ist die ganze Geschichte denn weitergegangen?«
Hetty erzählte in Kurzform, dass sie ihr Gedächtnis wiederhatte und damit auch ihren Lebensgefährten und dass sie beide die nächsten Tage vorhatten, nach Perth zu reisen und dabei natürlich auch ihnen kurz einen Besuch abstatten wollten.
Geraldine zögerte keine Sekunde eine Einladung auszusprechen. »Da dürft ihr aber nicht im Hotel übernachten! Ich lasse das Gästehaus herrichten und dann bleibt ihr ein paar Tage bei uns. Schließlich will ich alles bis ins kleinste Detail wissen und außerdem bin ich schon furchtbar neugierig auf deinen Freund.«
Kai schmunzelte, als Hetty ihm erklärte, sie könnten sich die Kosten für die Hotelübernachtung sparen. »So mag ich das. Ich liebe Frauen, die das Geld zusammenhalten können.«
Hetty dachte sich, das wäre jetzt eine gute Überleitung, um ihm von ihrem Plan, mit einem Camper zu den Pinnacles zu fahren, zu erzählen.
Kai hörte sich ihren Vorschlag an und zuckte dann mit den Schultern. »Solange wir nicht monatelang in einem Wohnmobil leben müssen, habe ich nichts dagegen. Doch die ganze Zeit können wir das nicht bringen, schließlich machen wir Akquise und sollten dabei entsprechend auftreten.«
Hetty schüttelte den Kopf und lächelte. »Nein, dazu habe ich ehrlich gesagt auch keine Lust mehr. Aber ich habe mir schon immer gewünscht einmal bei den Pinnacles zu übernachten und ...«
Kais rechter Mundwinkel zuckte nach oben. »Das Ding sollte auf alle Fälle eine gute Klimaanlage, eine Bar und ein sehr großes Bett haben.«
Dann warf er einen Blick auf seine Freundin und fügte hinzu. »Und wo bleibt die Anzahlung?«
Einige Zeit später meinte er. »Wann reisen wir?«
Am nächsten Morgen reagierten die restlichen Farmbewohner äußerst verdutzt auf die Ankündigung von Kai, dass sie bereits in zwei Tagen abfliegen würden.
Fritz runzelte die Stirn. »Wie lange werdet ihr denn wegbleiben?«
Kai zuckte mit den Schultern. »So ungefähr drei Monate werden wir schon unterwegs sein. Aber wir wollen eben nicht nur arbeiten, sondern auch ein bisschen Urlaub machen.«
Patrick gab keinen Kommentar ab. Das war auch nicht nötig, da er genau wusste, warum Kai so ewig lange wegbleiben wollte. Und an und für sich hätte er ihm auch vollkommen recht gegeben. Abstand zu Hetty war das Beste, was ihm helfen konnte, endlich von ihr loszukommen. Doch leider, oder glücklicherweise, wusste Kai nicht, dass es nicht das geringste an seiner Ehe mit Chrissie ändern würde.
Die einzige, welche bemerkt hatte, dass hier gar nichts stimmte, war Dolly. Ihr war vermutlich deutlich bewusst, dass es in einem so frühen Stadium einer Ehe eigentlich unüblich war, zwei getrennte Schlafzimmer zu haben. Und der Vorwand, mit Chrissies leichtem Schlaf und dass deshalb Patrick und Simon in den angrenzenden Raum gezogen waren, klang für sie wohl sehr weit herbeigeholt. Was natürlich auch zutraf, da Chrissie in Wirklichkeit tief und fest schlief, wie ein Bär, und sie durch nichts wach zu kriegen war. Aber als Patrick erkannt hatte, dass es seiner Frau unangenehm war, mit ihm im gleichen Raum zu schlafen und leichtbekleidet vor ihm herumzulaufen, hatte er, nachdem sie vermehrt über angebliche Schlafprobleme klagte, den Vorschlag gemacht, mit Simon auszuwandern. Er verzog den Mund zu einem sarkastischen Lächeln. Wenn Chrissie gewusst hätte, wie deutlich man ihr die Erleichterung ansah, dann wäre sie wahrscheinlich verlegen geworden. Doch da er die Verantwortung für seinen Sohn hatte, würde er die Farce eben weiterspielen und gute Miene zum bösen Spiel machen.
Dolly hatte ihn sehr nachdenklich angesehen, als sie von dieser Regelung erfahren hatte und er hatte den Eindruck gehabt, dass sie ein Aufseufzen unterdrückte, aber sie sprach ihn nicht auf das Thema an und Patrick war ihr dafür äußerst dankbar.
Kai hatte ihn nach der Ankündigung natürlich heimlich beobachtet und gesehen, dass Patrick verstanden hatte. Inzwischen wurden sie beide schon ganz gut darin Ungesagtes zu deuten und das brachte ihn darauf, darüber nachzudenken, warum er eigentlich mit einem Menschen, der charakterlich so anders war als er, so sehr auf einer gleichen Wellenlänge liegen konnte. Leicht verblüfft stellte er fest, dass die Unterschiede zwischen ihnen gar nicht mal so groß waren, wie es auf dem ersten Blick erschien.
Sie hatten so ziemlich die gleichen Interessensgebiete, was er bei ihren abendlichen Gesprächsrunden in der Bibliothek bereits oft genug festgestellt hatte. Und auch wenn er sich in Computertechnik nicht so gut auskannte wie Hetty, so konnte er doch einem Gespräch über dieses Thema folgen. Genauso wie Patrick jedes Mal sehr interessiert zuhörte, wenn er über einen Einsatz seiner Leute berichtete.
Der Junge hatte, wie er selbst, absolut festgemauerte Grundsätze über Moral und Ethik und wich nur in Bezug auf Hetty von dieser Linie ab. In Sachen Sportlichkeit stand er mit ihm auf gleicher Ranghöhe und der einzige tatsächlich feststellbare Unterschied war eigentlich nur ihr Umgang mit Emotionen.
Kai war schon immer eher introvertiert gewesen und hatte sich nach dem frühen Tod seiner Eltern in sich selbst zurückgezogen. Er hatte sehr schnell festgestellt, dass, wenn die Leute dachten, man hätte keine Gefühle, sie dann wenigstens nicht dauernd auf diesen herum trampelten. Seine Fassade des eiskalten Kerls war so überzeugend, dass ihm bisher noch jeder abgekauft hatte, dass Emotionen in seinem Sprachgebrauch nicht vorkamen.
Er warf einen Blick auf Hetty und unterdrückte ein Lächeln. Sie hatte nicht lange gebraucht, um hinter die Maske zu sehen. Und in diesen Menschen, den sie dort vorgefunden hatte, hatte sie sich sofort verliebt.
Hetty bemerkte, dass ihr Freund sie ansah und erwiderte den Blick. Und wie immer wusste sie genau, was er dachte. Ab übermorgen würden ihnen die nächsten drei Monate ganz alleine gehören und sie würden wundervoll werden.
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