Hetty seufzte. »Ich verrate dir jetzt ein Geheimnis. Dieser Mann hat, man höre und staune, ein großes Problem mit seiner niedrigen Herkunft. Deshalb sind so tolle High-Society-Damen, wie du, für ihn, seiner Meinung nach, auf einem unerreichbaren Podest. Wenn du ihm vielleicht einen kleinen zarten Hinweis gibst, dass du findest, dass seine Einstellung ein Blödsinn ist?«
Dolly blieb stehen und überlegte. Dann schüttelte sie den Kopf. »Ehrlich gesagt sehe ich das nicht ein. Wenn er wirklich an mir interessiert ist, muss er über seinen Schatten springen. In dem Punkt bin ich äußerst altmodisch.«
Sie sah Hetty mit einem ernsten Blick an. »Wenn er das nicht schafft, ist er nicht der Mann, den ich will.«
Als Hetty Kai anschließend Bericht erstattete, zuckte der mit den Schultern. »Ich kann ihre Einstellung verstehen, aber ohne entsprechenden Schubs von außen wird Fritz sicher nichts unternehmen.«
Hetty grinste ihn an. »Weißt du, dass wir eigentlich fürchterlich anmaßend sind, wenn wir sagen, dass das alles ganz einfach wäre?«
Kai lächelte zurück. »Nur weil ich fast zwei Jahre gebraucht habe, um zu begreifen, dass du mich auch liebst? Du vergisst, dass ich einer Meisterin im Verbergen von Gedanken gegenüber gestanden habe.«
Seine strahlend blauen Augen begannen zu funkeln. »Aber das holen wir alles nach – versprochen!«
Hetty sah ihn schmunzelnd an. »Ach so, du bist immer noch beim Nachholen, ich dachte, wir arbeiten bereits voraus!«
Kai beugte sich lächelnd vor, um sie zu küssen. »Prinzessin, da hättest du dir einen anderen Freund suchen müssen, wenn du deine Ruhe haben willst.«
Der nächste Morgen brachte nach dem Frühstück den Abschied von Dolly. Der Abend war verstrichen ohne dass mehr passiert wäre, als dass Fritz immer stiller wurde und anscheinend verzweifelt überlegte, was er machen sollte. Doch als alle in die Betten gingen, hatte er sich nach wie vor in keinster Weise geäußert.
Das Einzige, was er bei der Abfahrt von Dolly hervor druckste war ein. »Es wäre schön, dich wieder mal bei uns zu sehen. Du bist jederzeit gerne ein willkommener Gast.«
Und er hatte ihre Hand bedeutend länger, als nötig gehalten, wie sie sehr wohl bemerkte. Aber das war auch schon alles und mit einem leisen Seufzen stieg sie in ihren Camper. Tja, es hatte wohl nicht sein sollen.
Kapitel 7
Fritz mistete mit einer Energie aus, als wäre jeder Strohhalm sein persönlicher Feind. Er war wütend auf sich selbst. Verfluchte Feigheit! Aber er hatte soviel Angst davor gehabt, dass Dolly Nein sagen würde, dass er es einfach nicht übers Herz gebracht hatte sie zu fragen. Verflucht! Verflucht! Verflucht!
»Es wird wirklich Zeit, dass wir Hetty wieder eine Digitalkamera kaufen.« Kai lehnte betont lässig, mit übereinandergeschlagenen Beinen, an der Boxentüre und sah seinen Mentor aus halbgeschlossenen Augen an.
Fritz blickte irritiert auf. »Wieso fällt dir das gerade jetzt ein?«
Kai hob den rechten Mundwinkel. »Weil sie dann gleich mal ein Foto von dem größten Trottel machen kann, den ich je gesehen habe.«
Sein Ziehvater erstarrte. »Meinst du damit etwa mich?«
Kai nickte. »Warum hast du sie fahren lassen? Dolly ist das Beste, was dir passieren konnte und du lässt sie einfach gehen.«
Fritz sah ihn wütend an. »Das weiß ich selber. Aber das ist es ja gerade. Wieso sollte so eine Frau mich haben wollen?«
Kai stöhnte vernehmlich auf. »Du hättest ihr zumindest die Chance geben können Nein zu sagen. Dann könntest du jetzt in Selbstmitleid schwelgen und ich würde dich bedauern. Aber was rede ich denn. Wenn du dir selbst die Möglichkeit auf ein neues Lebensglück verbauen willst, hast du ja genau das Richtige getan. Ich fahr jetzt los und kaufe die Kamera.«
Damit drehte er sich um und ging weg. Glücklicherweise konnte Fritz nicht sehen, dass er dabei übers ganze Gesicht grinste. Na, wenn das jetzt nicht geholfen hatte, dann half gar nichts mehr.
Fritz stand wie festgenagelt in der Box und ballte die linke Faust. Jetzt fühlte er sich sowieso schon mies genug und dann bekam er ausgerechnet von Kai noch eine voll auf die Glocke. Er starrte die Mistgabel an, die er in der rechten Hand hielt und holte aus. »Verflucht nochmal!«
Sekunden später sah Kai ihn über den Hof zum Parkplatz laufen. Nach dem Kies zu urteilen, der von den durchdrehenden Reifen wegspritzte, hatte Fritz anscheinend etwas Dringendes zu erledigen. Schmunzelnd ging er zurück zum Stall. In der verlassenen Box fand er die immer noch wippende Mistgabel in der Holzwand stecken. Tja, so wie es aussah, blieb der Ausmistjob heute an ihm hängen. Doch zugegebenermaßen machte ihm das rein gar nichts aus. Denn während der Arbeit konnte er sich in aller Ruhe überlegen, wie die Sache wohl laufen würde.
Fritz gab inzwischen Gas. Er wollte Dolly noch abfangen, bevor sie in den Seminarraum ging. Jetzt, da er sich entschieden hatte, wollte er nicht noch einen ganzen Tag warten müssen, um seine Frage anzubringen. Mit quietschenden Reifen hielt er vor dem Hoteleingang an und sprang aus dem Auto. Dann eilte er in die Hotelhalle, während der Portier ihm verdutzt nachblickte. Seine Frage nach dem Seminarraum erübrigte sich, als er Dolly sah, die gerade mit einer Frau sprach.
Er stürmte auf sie zu, packte sie am Arm und fuhr sie an. »Ich liebe dich! Willst du mich heiraten?«
Dolly starrte völlig verdutzt den Mann an, der da so ungestüm ihre Unterhaltung unterbrochen hatte. Genauso hatte er ausgesehen, als sie ihn das erste Mal gesehen hatte. Ein alter Overall, verstaubt bis über beide Ohren und sogar ein Strohhalm hatte sich in seine Haare verirrt. Und sie hatte sich gedacht, endlich mal ein Mann, der auch noch attraktiv wirkt, wenn er nicht geschniegelt und gebügelt ist. Fritz wurde unter ihrem Blick urplötzlich bewusst, in welchem Aufzug er hier in die Hotelhalle gestürmt war. Entmutigt drehte er sich um. Das war doch alles nur Blödsinn.
Da legte sich eine vornehm manikürte Hand auf seine Schulter und eine sanfte Stimme sagte. »Nur zu gerne.«
Die Hotelgäste hatten anschließend genügend Grund zum Staunen. Es war schon ein fantastischer Anblick, zu sehen, wie eine vornehme Dame von einem Mann geküsst wurde, der wie ein Stallbursche gekleidet war. Wobei sie den Kuss mit einer Energie erwiderte, die eindeutig belegte, dass sie sich sehr gerne von ihm küssen ließ.
Zwei Stunden später deutete Kai zur Auffahrt. »Schaut mal, was der Weihnachtsmann bringt.«
Chrissie, Hetty und Patrick lachten laut auf. »Sieht so aus, als ob das Seminar ohne Dolly stattfindet.«
Denn der große Hanomag war auch von weitem leicht zu erkennen und das konnte wohl nur eines bedeuten.
Patrick sah seine Frau an. »Schätze, du wirst bald eine Stiefmutter bekommen.«
Chrissie lächelte. »Ich freue mich so für Paps. Er war dauernd so alleine. Und Dolly ist ja wirklich ein Schatz! Mit ihr wird das Leben auf der Farm noch viel schöner werden.«
Hetty nickte zustimmend und sah Kai an, der ihren Blick erwiderte und ihr leise zuflüsterte. »Noch ein Jahr, neun Monate und fünf Tage!«
Im ersten Moment sah sie ihn verdutzt an, bevor der Groschen fiel. Sie flüsterte zurück. »Führst du Buch, oder wie?«
Kais rechter Mundwinkel zuckte. »Eine gute Statistik ist auch etwas wert und es geht nichts über ausgefeilte Hochrechnungen.«
Hetty stöhnte leise auf, was Patrick zu der Frage veranlasste. »Fehlt dir etwas?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, nein, aber Kai hat mir gerade erklärt, was wir die nächste Zeit alles noch machen müssen und da kommt richtig Arbeit auf mich zu.«
Glücklicherweise hatte der Junge keine Ahnung davon, um was es hier eigentlich ging. Doch Kai, der sich mühsam ein Grinsen verbiss, bemerkte, dass er darüber nachdachte, ob irgendein verborgener Sinn hinter dieser Antwort liegen könnte.
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