So, nun noch abwaschen und die Zähne putzen. Draußen scheint noch die Sonne. Neben und über mir in den Bäumen zwitschern Vögel. Sonst herrscht paradiesische Stille. Bis 20.00 Uhr lese ich noch in meinem englischsprachigen Liebesroman und lege mich schlafen.
In der Nacht heulen aus verschiedenen Richtungen Hunde. Aber keiner kommt auf den Campingplatz. Morgens wecken mich die Vögel mit ihrem fröhlichen Zwitschern. Drollig, fein, melodisch klingt es vom Baum über mir herein in mein Zelt. Als Antwort drücke ich bei meinem kleinen Plüschvogel auf den roten Fleck. Er piepst zurück. Aber er spricht eine andere Sprache als die kleinen Piepmätze über mir. Durch mein kleines Zeltfenster kann ich sie sehen.
Beim Abbau meines Zeltes finde ich darauf „Glücks-Kleckse. Aber einrollen will ich sie nicht. Sie sind noch frisch und nass und lassen sich leicht abwischen.
Die Sonne schaut kurz darauf über den Horizont. Meine warme Fahrradgarderobe kann ich noch vor der Abfahrt wieder ausziehen, als alles in den Taschen verstaut und auf dem Rad platziert ist.
Über Wenden geht es wieder die (60) gen Osten Richtung Wickenburg. Heute habe ich warmen Gegenwind, wenn auch nicht stark, so doch etwas störend. Außerdem geht es bergan. Rechts und links stehen wieder die großen gigantischen Säulen-Kakteen. Die Kakteen mit den großen Ohren gesellen sich bald hinzu. Hübsche bunte Blumen kann ich fotografieren.
In Aguila gehe ich in ein spanisches Geschäft und kaufe für heute Mittag, Nachmittag, Abend und morgen früh ein. Die Taschen werden voll und schwer. Aber meine Beine können das schon gut schaffen. Was ich habe, das habe ich.
Weiter geht es immer mehr bergan. Die Gebirgsketten kommen immer näher. Bei den Black Mountains erreiche ich für heute meine höchste Stelle und kann bald danach bergab fahren. Es ist heiß geworden. Schon mittags kann ich meine Windbluse samt Windshirt ausziehen. Aber ich fahre langärmlig und mit langen Fahrradhosen als Schutz vor Sonnenbrand und Hautkrebs. Mein Körper hat sich an die Hitze schon gewöhnt.
Wickenburg überrascht mich. Hier stehen überwiegend nur ausgesucht sehr hübsche und geschmackvolle Häuser. In einem Restaurant, in dem ich mir das erste Eis spendiere und eine Flasche Orangen-Saft trinke, erzählt mir ein Deutsch sprechender Kossowoaner, dass in dieser Stadt fast ausschließlich Rentner und Pensionäre wohnen. Wickenburg ist ein teures Pflaster.
Mein Campingplatz befindet sich fast am Ortsausgang Richtung Phoenix, wohin ich morgen fahren werde. Als ich von der Straße hinunter auf den Platz fahre, sehe ich eine junge Frau mir strahlend entgegen kommen. Sie heißt Marica und ist Holländerein, hat aber die letzten oder überhaupt ihre gesamten Arbeitsjahre nur im Ausland verbracht. Sie hat ein großes Tunnelzelt und ist mit ihrem Freund in Feuerland gestartet, um nach Alaska zu radeln. Ein Jahr lang war ihr Freund mit ihr mitgekommen. Aber er musste wieder nach Holland zurück, um seine Arbeitsstelle nicht zu verlieren. Übermorgen trifft er wieder ein, um seine vier Wochen Jahresurlaub mit ihr weiter auf Wanderfahrt gen Norden zu verbringen. Marika kocht abends. Was für ein Glück, dass ich mir das nicht angewöhnt habe. Ich lebe ausschließlich von kaltem Essen. Mein Bauch ist damit zufrieden. Er mag es lieber als heißes Essen.
Meine Dose mit eingemachten Bohnen ergänze ich mit einer Avocado, einer großen Tomate und zwei Frühlingszwiebeln. Hinterher esse ich Ananas. Himmlisch!
Da in unserer Toilette kein Licht brennt, bekomme ich meine 10$ Platzgebühr wieder zurück. Beim Duschen ist es noch von draußen her hell genug. Durch das viele Erzählen mit Marika komme ich etwas mit der Zeit ins Schleudern. Es wird spät.
Der Campingplatz befindet sich direkt neben der (60) Richtung Phoenix. Sogar nachts brausen die Trucks die Straße entlang und machen einen unglaublichen Lärm. Von Schlafen kann da kaum die Rede sein. Aber irgendwie muss ich doch geschlafen haben. Ich wache um 4.00 Uhr auf. Einfach nur so im Zelt liegen möchte ich nicht. So fange ich an, mein Frühstück zu essen und meine Vitamine zu schlucken. Kaum bin ich damit fertig, muss ich unbedingt eilig zur Toilette. Aber erst muss ich mir meine Fahrradschuhe anziehen. Das dauert schon fast zu lange. Kaum habe ich mein Zelt geöffnet und bin hinausgekrabbelt, passiert mir ein Malheur. Montezuma hat bei mir zugeschlagen! Ich muss mir meine neuen Fahrradhosen gleich auswaschen. Das dauert eine halbe Stunde. Zum Glück ist es früh in der Nacht, und noch niemand der Frauen hat das Bedürfnis, auf die Toilette zu kommen.
Hier mache ich mich gleich frisch und wandere mit nackten Beinen zurück zu meinem Zelt. Der Fließpullover ist so lang, dass er gerade meinen Po verdeckt. Nun muss ich für heute die schon gestern gebrauchte Fahrradhose und die zweite lange Fahrradhose darüber ziehen. Schnell habe ich meinen Schlafsack verpackt, die Unterlage aufgerollt und das Zelt abgebaut.
Da rumort es auch schon in Marikas Zelt. Ich merke, dass sie darin schon alles in ihre Packtaschen steckt. Fast gleichzeitig sind wir mit unseren Zelten fertig. Eigentlich möchte ich gleich starten, aber Marica bittet mich um ein Foto, das sie ihren Freunden und ihrer Mutter und Schwester zeigen möchte. Sie hätte nie gedacht, dass man in meinem Alter (Jugend, bitte!!!) noch solche Touren fahren kann und nicht fett geworden ist. Ich muss lächeln und fühle mich durch dieses Kompliment gestreichelt. Sie erzählt mir, dass sie diese große Tour als Abschluss ihrer Selbständigkeit macht. Sie hat einen Freund, mit dem sie sich Kinder wünscht. Und nun sieht sie zu ihrer großen Freude, dass sie später als Rentnerin doch auch wieder aufs Rad steigen und neue Touren fahren kann. Sie will auf ihren Körper aufpassen, damit sie nicht fett wird. Sie war früher holländische Meisterin in der Gymnastik. Sie will mit meinem Bild ihre Mutter motivieren, auch aufs Rad zu steigen und loszufahren.
Ich lasse mich von ihr knipsen und nehme sie auch noch am Tisch sitzend und essend auf. Wir verabschieden uns und wollen uns per Email schreiben.
Auf der (60) verlasse ich bei strahlendem Sonnenschein noch mit der dicken Fließjacke den Campingplatz und radle der Sonne entgegen. Zuerst geht es bergab, ändert sich dann aber, als ich die (60) verlasse und links auf die (74) abbiege. Überall stehen sie, die Kaktus-Giganten. Andere hübsche blühende Kakteen finde ich auch noch zum Ablichten. Ein warmer Gegenwind bremst meine Emotionen.
Vor der Abzweigung auf die (74) radle ich an einer Klapperschlange vorbei, die auf dem Seitenstreifen in der Sonne liegt. Ich stelle das Rad ab, um sie zu knipsen. Das kann ich aber nicht, da sie vor mir ausreißt. Später rolle ich über eine Schlange, die ich überhaupt nicht gesehen habe, weil meine Augen in der Gegend nach hübschen noch nicht fotografierten blühenden Kakteen suchen. Ich stelle das Rad ab und nehme die Schlange mit meiner Kamera auf. Es ist eine andere Sorte. Und weiter geht es.
Die Sonne brennt heiß vom Himmel. Der Weg nach Phoenix ist endlos aber mit nur wenig Verkehr. Als ich endlich nach rechts abbiege, gehe ich erst in ein Restaurant und trinke kalte Getränke. Die kühle Raumtemperatur tut mir gut. Hier sitzen und unterhalten sich Angler.
Weiter radle ich nach meinem Plan nach Phoenix und finde nach Umwegen den Fahrradweg am Arizona-Kanal und lasse mich von einem Fahrradfahrer in Richtung Jugendherberge bringen. Leider drängt mein Körper nach einer sofortigen Toilette. Ich muss mich verabschieden und erreiche noch im letzten Augenblick die Toilette in einem Mexikanischen Restaurant. Vorsorglich esse und trinke ich hier gleich als Abendessen.
Читать дальше