Aber was ist das? Zwei große braune Hunde kommen mir von links hinten giftig bellend nachgelaufen. Ich muss schon wieder Gas geben, obgleich ich doch schon ausgepowert bin. Aber ich weiß, dass ich den Hunden in dunklem und lautem Ton zurückbellend Parole bieten muss. Sie lassen mich tatsächlich in Ruhe. Da erst fällt mir der Pfefferspray ein, den mir John in San Diego gekauft hat. Eine schmale Spraydose stecke ich links außen in das kleine Netz meiner Lenkertasche. Griffbereit wartet der Spray auf Einsatz.
Da kommt auch schon der nächste Hund angelaufen, ein Pitbull und will mich beißen. Ihn belle ich auch in bösem, lautem und tiefem Ton an. Aber ohne Erfolg. Flugs habe ich trotz des eiligen Fahrens den Pfefferspray bei der Hand und ziele ungenau nach rechts und links hinten, wo ich ihn bellen höre und auch laufen sehen kann. Dieses Mistvieh lässt mich tatsächlich ungebissen weiter fahren. Habe ich richtig gezielt? Mein Herz rast. Ich atme wie eine Dampflok. Nun lasse ich den Pfefferspray nicht mehr aus der Hand. Glücklicherweise kommt keiner mehr angelaufen. Die anderen Hunde sind entweder im eingezäunten Garten oder an einer langen Leine. Vielen Dank, liebe Hundebesitzer!
In Blythe suche ich mir einen Postkasten und radle weiter gen Osten. Nach längerer Zeit überquere ich eine Brücke, die über einen Nebenarm des Colorado-Rivers führt. Ich kann den berühmten Fluss rechts in einiger Entfernung sehen. Für Fußgänger und Fahrradfahrer gibt es einen speziellen Weg dahin und darüber. Ich nehme mir dafür aber nicht die Zeit.
Hier erreiche ich kurz darauf die Grenze und entere den zweiten Staat meiner USA-Durchquerung:
Und gleich beginnt es wieder, bergig zu werden. Mein Weg führt auf dem Standstreifen des Highways (10) entlang. Dieser Standstreifen ist die reinste Katastrophe: Alle 10 m geht von links schräg nach rechts eine ca. 10 cm breite und ca. 3 cm tiefe Rinne. Und dieses Gehoppel gefällt meinem Rad überhaupt nicht. Ganz links am weißen Begrenzungsstreifen, wo die Autos und Trucks eigentlich auf der rechten Spur fahren, bin ich nun unterwegs. Im Rückspiegel sehe ich, dass die
Autos und Trucks auf die linke zweite Spur ausweichen. Bleiben Trucks auf der rechten Spur, biege ich eben trotz der Rillen rechts auf den Standstreifen ab, fahre aber gleich wieder nach links an den weißen Streifen.
Wenn vorher das Gelände vor Palo Verde sauber mit Gemüse bepflanzt war, so radle ich jetzt durch eine Kakteen-reiche Gebirgswüste. Giant Saguaros , riesige Säulen-Kakteen, wachsen dekorativ auf und zwischen den Felsen. Die Sonne brennt heiß vom Himmel. Ein leichter warmer Wind kommt von vorn. Oder ist es nur mein Fahrtwind? Kann auch sein.
Schon am frühen Nachmittag erreiche ich mein heutiges Tagesziel Quartzsite. Auf dem Campingplatz werden nur Caravans genommen. So miete ich mich notgedrungen in einem günstigen Motel ein. Meine Wäsche hängt bald sauber aufgereiht auf meiner gespannten Wäscheleine. Für das Abendessen habe ich mir wieder eine Dose gekauft und zum Verfeinern dazu eine Avocado. Bald ist es 18.00 Uhr. Nach dem Essen gehe ich gleich schlafen, weil ich am kommenden Tag früh starten möchte, um vor der einsetzenden großen Hitze schon weit gefahren zu sein.
Bis 4.30 Uhr habe ich voll durchgeschlafen, also acht Stunden. So stehe ich um 5.00 Uhr auf, nehme die Wäsche von der Leine und packe alles zusammen. Mein Frühstück besteht heute aus zwei großen Hefekuchen. Schmecken prima, mit Wasser wird nachgespült und alle Taschen aufs Rad gepackt. Es ist recht kühl.
Deshalb fahre ich in langer, warmer Hose und dem Fließ-pullover über dem Trikot. Es ist 5.45 Uhr, als ich die Tür von außen schließe. Die Sonne geht gerade am wolkenlosen Himmel auf, als ich meinen Weg auf dem Highway (10) gen Osten aufnehme.
Heute ist Montag. Trotzdem brausen recht wenige Autos oder Trucks an mir vorüber. Der Seitenstreifen des Highways ist neu geteert und weist keine Rillen mehr auf. So kann ich flott zutreten. Rechts und links stehen die riesigen Säulen-Kakteen. Sie geben der Wüstenlandschaft ein dekoratives Aussehen. Mit warmem Schiebewind fährt es sich gut. In Brenda mache ich Rast, trinke einen großen Becher Sprite und esse einen Muffin mit Blaubeeren.
Während ich so drinnen am Tisch sitze und esse, kommt eine Amerikanerin zu mir herein, grüßt mich freundlich und fragt, ob sie bitte mein Fahrrad fotografieren darf. Natürlich darf sie das. So gehe ich mit ihr hinaus. Sie erzählt mir bis dorthin, dass sie die verschiedensten Möglichkeiten, die amerikanische Flagge zu repräsentieren, sammelt. Und ein Fahrrad, das diese am Gepäck hinten befestigt hatte, war ihr noch nie begegnet. Ich fahre ganz fröhlich als Fotomodell vor ihr hin und her. Vollends glücklich, stolz und zufrieden bedankt sie sich noch einmal überschwänglich, setzt sich ins Auto zu ihrem Mann, winkt, lächelt und fährt davon. Ich esse anschließend mein Frühstück drinnen zu Ende und setze mich auch wieder auf mein Rad.
Kurz darauf komme ich an einem gigantischen Säulen-Kaktus vorbei. Mehrere größere Löcher weist er auf. Innen drin müssen sich Vogelnester befinden. Das kann nur der Specht sein, der sich diesen „weichen Baum“ zum Brüten ausgesucht hat. Intelligent!
Langsam geht es bergauf. Eigentlich möchte ich in Harcuvar zelten. Aber der Campingplatz hat draußen ein großes Schild mit dieser Aufschrift montiert:
Gäste mit USA-Paß sind herzlich willkommen.
Na, dann muss ich ja gleich weiter. Salome liegt nicht zu weit entfernt. Dort frage ich erst nach einer Bibliothek. Hat dieser kleine Ort tatsächlich. Es ist erst 14.00 Uhr. Der Weg dahin ist sehr verschlungen und schlecht zu finden. Aber ich lasse nicht locker, frage noch öfter nach und erreiche sie und drinnen im PC meine Emails, die ich wieder sofort beantwortete. Ganz glücklich gehe ich nach draußen und weiß nicht, ob ich hier ein Motel nehmen soll.
Draußen vor der Bibliothek sitzt ein Mann in seinem Auto bei geöffnetem Fenster. Den frage ich kurzerhand. Er gibt mir die gute Nachricht, dass südlich von Wenden, ca. 10 km entfernt, ein Campingplatz liegt. Dort soll ich man hinfahren. Ein Sheriff zeigt mir unterwegs auf meine Frage hin den Weg. Beinahe hätten mich drei Hunde gebissen. Aber ihr Frauchen ist in der Nähe und holt sie wieder zurück in den Caravan. Ich bin ihr sehr dankbar. Und bald finde ich meinen Übernachtungsplatz. 5$ sind sehr wenig, die ich bezahlen soll.
Nachdem ich mein Zelt aufgestellt und die Taschen darin verstaut habe, suche ich die Dusche auf. Die gibt es aber nicht. Dafür eine sehr saubere Toilette mit Waschbecken und kaltem Wasser. Na ja, geht auch mal.
Nun bereite ich mir mein Abendessen: Eine Dose mit Kartoffeln, Wurzeln und Beef wird in meinen Teller entleert, zwei Frühlingszwiebeln in kleine Ringe geschnitten und die Avocado aufgeschnitten. Leider ist sie schlecht. Ich musste sie vernichten. Hier draußen setzen sich Fliegen auf mein Essen. So verziehe ich mich damit in mein Zelt. Es schmeckte ganz gut. Glücklicherweise habe ich mir eine kleine Dose mit Ananas gekauft. Mein zu Hause noch schnell gekaufter Dosenöffner entpuppt sich als mein wichtigstes Werkzeug, um an meine Schätze zu gelangen.
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