Lektorat Gudrun Meisiek, Valencia, Spanien
Coverfoto Hermine Stampa-Rabe
Ebook
ISBN 978-3-7375-0262-7
Hermine Stampa-Rabe
Georg-Pfingsten-Str. 19
D-24143 Kiel
Deutschland
0431-735565
Email: hermine.stampa-rabe@web.de
Nachdruck verboten. Gerichtsstand ist Kiel.
Für Klaus, Olaf, Ines, Achim, Alexandra,
Annika, Steffen, Gudrun und Carlos
Einleitung
D E U T S C H L A N D
F R A N K R E I C H
S C H W E I Z
F R A N K R E I C H
S P A N I E N
Ankunft in Santiago de Compostela
Streckenkarte
Von dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela in Nordwest-Spanien las ich zufällig in einem Katalog für Fahrradfahrten mit Gepäckbegleitung. Das Foto des zu befahrenden Weges war nicht einladend, sondern sehr uneben. So hakte ich diese Tour ab und nahm mir andere Ziele vor. Im Jahr 2001 erzählte mir ein Radsportfreund, dass er auf dem Seitenstreifen der Autostraße und nicht auf dem unebenen Pilgerweg nach Santiago geradelt ist. Auf meinen Wunsch hin schickte er mir die Aufzeichnungen über sein Pilger-Abenteuer. Es beeindruckte und faszinierte mich. Er schickte mir auch die Adresse der Santiago-Freunde Köln, von denen ich meinen Pilgerpass erhalten konnte. Mehr als Michaels Beschreibung besaß ich nicht. Sie reichte mir. Der für mich ausgestellte Pilgerpass kam bald.
Aber es kam etwas dazwischen. Ich konnte im Jahr 2002 nicht starten. Im Jahr 2006 nahm ich mir nach meiner Südamerika-Fahrradtour fest vor, 2007 meinen Wunsch, die berühmte Pilgerstadt Santiago de Compostela zu Fuß zu erwandern, in die Tat umzusetzen. Dafür ließ ich mir einen neuen Pilgerpass ausstellen. Meine Tochter Gudrun, die in Valencia in Spanien wohnt, erklärte sich spontan voll Freude dazu bereit, mich in der letzten Woche bis Santiago – per Mountainbike - zu begleiten. Eine Woche Urlaub hatte sie in diesem Jahr dafür noch zur Verfügung. Aber wenn sie mitkommt, dann soll ich mit ihr mit meinem Mountainbike auf dem unebenen Camino radeln. Deshalb schwenkte ich vom Wandern aufs Fahrradfahren um. Aber um dieselbe Leistung wie die Fußpilger zu erbringen, nahm ich mir vor, in Kiel zu starten. Da fragte mich mein Mann Klaus, ob er mich bis Freiburg im Breisgau begleiten darf. Uns beiden stand in diesem Jahr nämlich keine andere Möglichkeit mehr zur Verfügung, eine andere gemeinsame Fahrradtour zu unternehmen. Ich freute mich. Er ist nämlich der beste Wanderführer, den es gibt. Und mit ihm gemeinsam habe ich nur Freude.
Hatte mich zwei Tage vor meinem Start gen Südwesten mit einem Fahrradfahrer über seine gerade beendete Fahrradfahrt von Preetz nach Santiago de Compostela unterhalten. Er war auf demselben Weg unterwegs, den ich mir mühevoll und wochenlang ausgearbeitet hatte. Er sagte zu mir: „In Frankreich traf ich noch zwei Fahrradfahrer, die auf diesem Weg unterwegs waren. Wir alle drei waren uns darin einig, dass man den Verfasser bestrafen sollte, der diese Tour ausgearbeitet hat. Denn er hatte keinen Berg ausgelassen! Wir haben uns weiter im Süden eine leichtere Strecke ausgesucht.“ Das merkte ich mir, wollte aber trotzdem dort fahren, weil die Landschaft, durch die ich dort komme, so wunderschön sein soll.
Heute nun gehe ich auf eine Pilgerreise per Fahrrad nach Santiago de Compostela in Nordwest-Spanien. Auch ich bin nicht ohne Schuld, habe meinen ersten Mann verlassen und ein zweites Mal geheiratet. Und wer weiß, was ich sonst noch alles ausgefressen habe. Für meine Schuld möchte ich den heiligen Jakobus um Vergebung bitten.
Mein Pastor hier in Kiel-Gaarden hatte leider keine Gelegenheit, mich für meinen Pilgerweg zu segnen.
Meine Mutter prägte meinen Glauben von Kindheit an. Nun ist sie schon seit vier Jahren heimgegangen und darf sich ausruhen. Und ich bin mir sicher, dass sie vom Himmel zu mir herunterschaut und versucht, mir meine Wege zu glätten. Nun mag kommen, was will. Ich bin gerüstet.
Die Verfasserin
Start in Kiel
Während ich in der Frühe am 23. Juni hier in Kiel an der Ostsee meine Packtaschen die Treppen hinunterschleppe, habe ich das Gefühl, Ziegelsteine darin zu transportieren. Was um alles in der Welt habe ich nur eingepackt?
Mit Klaus, meinem Ehemann, starte ich bei Sonnenschein in Kiel. Es ist kühl, aber angenehm. Und so kommen wir gut voran. Die schweren Taschen stören gar nicht. Wir haben ja auch ein verhältnismäßig flaches Schleswig-Holstein. Um 12.00 Uhr erreichen wir Landwedel. Das Hinweisschild auf ein Storchennest macht uns neugierig, finden es aber erst nach einiger Suche. An diesem Platz steht eine Bushaltestelle. Mich quält mal wieder der Hunger. „Kläuschen, können wir hier unsere Mittagspause halten?“
„Na ja, können wir ja.“
So lassen wir uns darin nieder und essen unsere mitgebrachten Sachen auf. Wie ein Ungeheuer entlädt sich plötzlich ein Unwetter über uns! Gewittersturm! Schrecklich. Doch wir können uns glücklich schätzen, nicht irgendwo frei auf der Straße in der Walachei unterwegs zu sein. Die dunkelblauen Wolken entladen riesige Regenfluten: Platzregen. Es wird immer schlimmer. Es donnert, blitzt und will gar nicht aufhören. Wir fühlen uns zuerst hier in der Bushaltestelle vor dem Regen sicher. Aber oben rundherum unter dem Dach gibt es eine mindestens zehn Zentimeter hohe freie Rille. Von dort spritzt Wasser in unseren Kragen. Wie angestochen springen wir von der Bank und stellen uns beleidigt davor. Schnell schlüpfen wir in unser Regenzeug, holen unsere Räder unter das Dach und warten, bis das Wetter so einigermaßen weggezogen ist.
Die Wolkendecke über uns reißt nicht auf. Aber ewig können wir hier auch nicht bleiben. Schließlich sind wir für heute Abend in Itzehoe eingecheckt. Deshalb schwingen wir uns wieder auf unsere Räder und rollen weiter in Richtung Lockstedt.
Der leichte Regen bleibt uns treu, aber es blitzt und donnert wenigstens nicht mehr. Schließlich verziehen sich die Wolken weiter gen Osten und möchten wohl auch Kiel mit ihrer nassen Ladung beglücken.
Glänzende Oldtimer überholen uns von Zeit zu Zeit. Die Insassen winken uns lächelnd zu. Klaus wird immer munterer und fährt immer schneller. Ich strenge mich an und hetze hinter ihm hinterher. In Hohenlockstedt hält er vor einem verlockenden Café!
„Sag mal, was war denn in dich gefahren? Wieso bist du so gerast? Ich bin noch ganz aus der Puste.“
Lächelnd meint er: „Schon von weitem spürte ich den Kaffeeduft in der Nase. Der zog mich.“
Ich bin platt, alle und kann auch kaum noch. Später setzen wir unsere Fahrt nach Itzehoe fort. Die Landschaft ist leicht wellig. Kornfelder, Mischwälder und grünes Weideland wechseln sich ab. Rinder, Schafe und Pferde sind zu sehen. Hin und wieder springen Rehe ab und verschwinden hinter Büschen. Hasen und Kaninchen fliehen vor uns, drücken sich unter Stacheldrahtzäunen hindurch oder überspringen schmale Wassergräben in der tief gelegenen Stör-Niederung vor Itzehoe. Dort drüben stelzen zwei schwarz-weiße Störche am Graben entlang und suchen mit ihren langen, roten Schnäbeln Frösche. Dicke Reetdächer schützen die hier üblichen flachen Häuser vor Kälte. Frühlingsblüher wie Tulpen, Stiefmütterchen und Leberblümchen schmücken die gepflegten Vorgärten.
Bei der Abzweigung in der Nähe des großen Schlosses Breitenburg sehen wir einen Wegweiser nach Itzehoe. Aber durch die ganze Stadt möchte ich nicht fahren und bitte, nach rechts abzubiegen. Das erweist sich als Fehler. Denn eine unerwartete Steigung fordert unsere letzten Kraftreserven heraus. Klaus schiebt traurig hinter mir sein Rad. Auf Umwegen erreichen wir die Jugendherberge Itzehoe. Unten im Esssaal erhalten wir ein gutes Abendessen. Das muntere Reden von Schulgruppen begleitet unsere Mahlzeit.
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