Während ich auf unserem Zimmer mein Tagebuch schreibe, geht Klaus in der Umgebung noch etwas spazieren. Dazu habe ich abends beim besten Willen keine Lust mehr.
Für die nächsten Tage werden uns weiterhin Gewitter und Regen angekündigt. Bei Gegenwind erreichen wir die Fähre von Glückstadt und lassen uns damit über die breite Elbe nach Wischhafen schippern. Große und lange Container-Schiffe kommen von der Nordsee und transportieren ihre hoch aufgestapelte Fracht nach Hamburg. Und umgekehrt ziehen andere Containerschiffe von Hamburg zur Nordsee, um von dort ihren Heimathafen anzusteuern.
Phantastisch warme Luft umschmeichelt unser Gesicht. Auf unserem Weg nach Wüstenwohlde durchradeln wir eine fast platte Landschaft. Anfangs säumen weitflächige Apfelplantagen unseren Weg, später große Felder mit saftig grünem Gras, auf denen wohlgenährte rotbunte oder schwarzweiße Rinder sowie auch Pferde grasen.. Die Bauernhöfe sind im Fachwerkstil errichtet und leuchten schon von weitem. Hier gibt es große Moorflächen, wo früher in großem Stil Torf abgebaut wurde. Weiße Birken leuchten vor blauem Himmel. Später kommen wir auch an Mischwäldern vorbei. Wir befinden uns im Landkreis Niedersachsen. Diese Landschaft ist hier typisch.
In Wüstenwohlde soll die Jugendherberge, in der wir uns angemeldet haben, mittenmang im Moor stehen und kein anderes Haus weit und breit sein.
Wir halten an. Klaus Füße schwitzen und dampfen in seinen Goretex-Socken. Er wechselt sie gegen normale aus, weil sie keine Luft durchlassen.
Ruhig liegt diese Herberge mitten im Wald. Wir sind die einzigen Gäste. Eine Gruppe von 80 Personen ist heute abgereist. Morgen fahren wir weiter. Hier werden wir fürstlich bedient. Wenn ich auch das Essen dieser Tour so gut wie weglassen wollte, so kann ich dieses nicht überspringen. Der Herbergsvater serviert uns ein ganz, ganz großes Abendessen: Jeder 1 ½ riesige Schnitzel mit Pommes. Dazu reicht er uns einen ganz tollen Salat mit Dressing und hinterher noch eine riesige Schüssel voller Erdbeeren mit Schlagsahne.
Mit der neuen Polar-Sportuhr habe ich meine Probleme. Aber irgendwann bekomme ich das auch noch in den Griff und gebe die Hoffnung nicht auf.
Wir packen jetzt unsere ganzen Sachen zusammen, steigen aufs Rad und starten bei flauem Wind. In milder Luft durchradeln wir ein flaches Gebiet. Kurz vor der Weser-Fähre fängt es bei Sandstede an zu regnen. Langsam zieht der Himmel ganz zu. Drüben auf der anderen Seite der Weser suchen wir bei strömendem Regen Schutz in einem Unterstand. Doch setzen wir bei Nieselregen auf dem breiten Fahrradweg des Weser-Radwegs unsere Fahrt nach Brake fort. Die große Baustelle vor dem Hafen umfahren wir.
Heute sind wir in der Jugendherberge in Sandhatten eingebucht. Ca. 10 km vor Kirchhatten erschrecken uns plötzlich am Himmel riesige, aufgetürmte Gewitterwolken. Bei diesem Anblick schwant uns nichts Gutes. Deshalb treten wir ordentlich in die Pedale. Junge, Junge, Junge, Junge. Im Höchsttempo sausen wir dahin und erreichen um 18.00 Uhr die weit außerhalb auf einem Hügel liegende Herberge. Wir dürfen uns gleich an den Tisch setzen und warm zu Abend essen: Draußen geht plötzlich das Unwetter los. Der Platzregen vollführt auf dem Betonplatz vor dem Fenster unendlich viele kleine Fontänen. Der Sturm zaust die Bäume schwer und biegt sie weit hinunter.
„Kläuschen, was für ein Glück, dass wir noch trockenen Fußes dieses schützende Haus erreichten.“
Heute habe ich keine Lust mehr, mit meinem Höhenmesser herumzuüben, um Höhenmeter und die Kilometerleistung herauszubekommen. Der ist sehr schwierig zu bedienen. Von Höhenmetern kann hier ja sowieso kaum die Rede sein. Und für die zurückgelegte tägliche Strecke befindet sich an-Klaus Fahrradlenker ja ein Kilometerzähler. Nun bin ich bin platt und möchte nur noch schlafen.
Die Fenster sind heute morgen von innen total beschlagen. Logischerweise bedeutet das, dass es draußen kalt ist. Aber es ist wenigstens trocken. Wir hoffen, dass das bis mittags anhalten wird. Nach Deutschland ist nämlich eine große Kaltluftfront gezogen. Ich muss meine dicke Fahrradhose herausholen. Morgen haben wir Siebenschläfer. Und wenn es morgen regnet – oh nein, ich mag gar nicht daran denken!
Bei Trockenheit verlassen wir die Herberge. Der Himmel ist zugezogen. Wir kämpfen gegen kräftigen Gegenwind. Am Nachmittag soll es noch starken Dauerregen geben. Wir beeilen uns, so sehr wir können. Garrel empfängt uns mit Regen. Es gießt immer schlimmer. Hier sehen wir ein Schild mit der Aufschrift: Bahnhof. Ich sage: „Lass uns dorthin fahren, dann können wir mit dem Zug bei diesem Sauwetter nach Meppen fahren.“
Leider ist der Bahnhof schon vor einigen Jahre eingestellt worden. Aber es führt von dort eine Fahrradstraße mit einer Distanz von sechs Kilometern nach Cloppenburg. Der Wind wird immer stärker. Wir radeln unter Bäumen und genießen deren Regen- und Windschutz. Als wir in Cloppenburg einrollen, werden wir zum Bahnhof gewiesen. Hier hören wir, dass im ganzen nördlichen Niedersachsen das Unwetter herrscht.
In Oldenburg wurde sogar ein Auto vom Orkan durch die Luft geschleudert. Was für ein Glück, dass wir heil aus dem nördlichen Gebiet heraus sind und uns etwas weiter südlich befinden. Und was erwartet uns noch hier? Die Eisenbahn, mit der wir nach Meppen hätten fahren können, ist auch eingestellt worden. Dorthin fahren nur noch Busse, die aber keine Fahrräder mitnehmen. Bei diesem ekelhaften Wetter bleibt uns nur die Möglichkeit, mit der Eisenbahn gen Süden nach Osnabrück zu fahren. Das nehmen wir uns vor. Vielleicht gibt es dort einen Zug zu unserer für heute gebuchten Jugendherberge nach Meppen. Am Bahnhof erklärt man uns, dass der Anschlusszug von Osnabrück nach Meppen ausgefallen ist. Deshalb sitzen wir nun im Zug nach Osnabrück. Was für ein Glück, dass wir dem Unwetter draußen entkommen sind. In der Jugendherberge Osnabrück erhalten wir ein Zweibett-Zimmer.
Draußen hat über Nacht der Sturm gewütet. Die Eisenbahnstrecke Hamburg - Hannover ist wegen umgestürzter Bäume eingestellt worden. Im Moment scheint die Sonne. Aber die Bäume schütteln sich draußen im Sturm. Nach dem Frühstück beschließen wir, mit der Bahn nach Rheine/Westfahlen fahren.
Wir verlassen sehr früh am 27. Juni bei Regen die hiesige Jugendherberge. Auf dem Weg zum Bahnhof gehen wir in ein Fahrradgeschäft und kaufen ein, was uns für dieses kalte und nasse Wetter noch fehlt. Da ich bis jetzt mit meinem Polar-Höhenmesser nicht zurecht kam, zeige ich ihn den Männern und bitte um Hilfe. „Diesen teuren Tacho habe ich ja nur wegen des Höhenmessers gekauft. Und die Höhe und Kilometerangabe finde ich darin nicht.“
„Dieses Problem mussten wir schon früher einmal lösen. In der Nähe wohnte ein Spezialist für Polar-Tachometer. Aber auch er konnte das Problem damals nicht entschlüsseln.“
Und für so einen Tacho habe ich so viel Geld ausgegeben!?! Aber die Herzfrequenz usw. zeigt er ausgezeichnet an. Die brauche ich aber nicht, da ich mich vollkommen nach meinen Beinen richte. Ich behalte die Polar-Uhr am Handgelenk und kann anhand der großen Zahlen immer gut die Zeit ablesen. Auch die Tagesangabe ist mir bei meinen Aufzeichnungen sehr hilfreich. Aber eigentlich bin ich von diesem teuren Gerät sehr enttäuscht! Also gibt es von meiner Tour durch die Berge kein Höhenprofil. Traurig!
Bei Regen radeln wir weiter zum Bahnhof. Dort rufe ich bei der Jugendherberge Haltern-Sythen an, ob für uns beide dort noch Platz ist. Ja, wir können kommen. Auch können wir dort ein warmes Abendessen erhalten. So ziehen wir uns für diese Zugfahrt unsere Fahrkarten aus dem Automaten. Draußen herrschen weiterhin Sturm und Regen. Es soll in den nächsten Tagen besser werden.
Wir kommen bei trockenem Wetter und Sonnenschein bei der Herberge an. Sie liegt im Ortsteil Sythen in der Nähe des großen Stausees.
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