Die Zeichenschule.
Ich begegnete im Arsenale einem Europäer, den ich um Auskunft fragte. Sein Aeußeres wollte eben nicht viel versprechen. Mit zuvorkommender Gefälligkeit führte er mich in ein Zimmer, wo etwa zwanzig ältere Zöglinge zeichneten, davon mehrere schon an zwei Weiber verheirathete. Mein Führer, aus Marseille gebürtig, stand der Schule, die er erst vor kurzem gegründet hat, selbst vor. Die Araber saßen auf Bänken vor Tischen, und die Muster lagen oder hingen vor ihnen. Mir schienen die Zöglinge Eifer an den Tag zu legen, und ihre Arbeiten, Laub- und Blumenwerk, z. B. für Tapeten, geriethen nicht übel. Der Zeichenlehrer eröffnete mir, daß der Araber viel Talente besitze, daß er aber zu sehr Schlaraffe sei, um sie anbauen zu wollen. Er bestätigte, was ich von Andern vernahm, daß er denselben nur durch strenge Zucht zur Arbeit und zum Fortschritte bringe. Von Stockschlägen faselte der Franzose ganz geläufig, als wäre er mit ihnen aufgewachsen. Der Mangel gründlicher Kenntniß in der arabischen Sprache stellt dem Lehrer viele Hindernisse in den Weg. Indessen bemüht er sich eifrig, diese Sprache in seinen Besitz zu erlangen, damit seine Mittheilungen leichter werden. Da der Lehrer selbst nicht gar viel Zeit im Schulzimmer zubringt, so sucht er sich durch eine Art Lancasterschen Unterrichtes zu helfen. Während seiner Abwesenheit vertritt der beßte Zögling die Stelle eines Lehrers. Die Lehrlinge werden im Ganzen strenge gehalten. Des Mittags dürfen sie nicht ausgehen, und sie speisen im Zimmer. Eben hockten zwei auf dem Boden, und langten mit ihren Fingern eine Art Brei aus einem großen Teller heraus.
Der Pascha verbindet mit dieser Schule offenbar den Zweck, sich von dem Abendländer mehr und mehr unabhängig zu machen. Vielleicht sind die goldenen Tage des letztern in Egypten vorüber, so bald er den Pascha und seine Leute einen solchen Schatz gelehrt haben wird, daß die Anleitung und die Mithilfe des Fremdlings entübrigt werden können.
Weiberhändel.
(Zum Troste der Europäerinnen gibt es auch in Afrika Weiberhändel.)
Ich lag unter dem Fenster, über einem Bassar. Auf einmal wendete sich eine Mohrin kreischend und, mit einem Schäufelchen drohend, rasch gegen einen Türken. Das Weiße des Auges gegen die Schwärze der Haut, wie das Licht gegen den Schatten, abstechend, warf den lebhaften Glanz der Gemüthsbewegung. Der Türke stand in stolzer Ruhe; fest heftete er seinen Blick an das Weib. Auf einmal fiel ein minder schwarzes Weib der ersten in diejenige Hand, welche das Schäufelchen hielt. Die Weiber wetteiferten mit Lärmen. Was für ein Ende wird der Auftritt noch nehmen? Wie treffen doch die zierlichen Europäerinnen und die plumpen Afrikanerinnen den gleichen Punkt, ob auch nicht so haargenau; denn in Europa raufen sich Weiber die Haare, hier dagegen greifen sie nicht nach dem Kopfe, sondern halten sich einander die Hand, oder kneipen und reißen an den Kleidern. Daß die auf einander erbosten afrikanischen Damen mehr nach dem in der Gemüthsaufwallung gepreßten Herzen greifen, ist es etwa instinktmäßiger? Ich glaube nicht, daß, wenn es keine Männer gäbe, die Welt aussterben, sondern bloß, daß die übrig bleibenden Weiber von einander aufgerieben würden, nämlich zuerst die guten von den bösen, dann die bösen von den bösesten. Und das habe ich nicht nur schon im Stillen gedacht, sondern ich wollte es auch vor Männiglich sagen, wozu es freilich keines Muthes bedarf; denn sollte ich mit meinem harten Urtheile irgend eine Schöne zum Zorne aufregen, so bin ich überzeugt, daß sie sich selbst, im Schmucke desselben, vor dem Mann mißfiele, und daß sie ihn viel lieber an einer schwachen Mitschwester entlüde.
Es kam, um zu unserm Spektakel zurückzukehren, Polizei dazwischen, und so nahm der Handel flugs ein Ende. Natürlich wurde ich an der Fortsetzung meiner nicht ganz unangenehmen Beobachtung gestört.
Geld und Geldnoth.
Eine englische Guinee gilt 100 Piaster (Krusch); 40 Para (Medi) machen einen Piaster aus. Beiläufig 8 Piaster kommen einem Gulden Reichswährung gleich. Die egyptischen Goldmünzen sind 10, 9, 4 und 3 Piasterstücke. Diese letztern empfehlen sich wegen ihrer Kleinheit wenig. Man darf ordentlich auf der Hut sein, um sie nicht zu verlieren. Die Silbermünzen sind 1, ½, ¼ und ⅛ Piaster, selbst ein Para. Es gibt übrigens auch ¼, ¼ Piaster und 1 Parastück in Kupfer. Dieß die Hauptmünzen. Man könnte wohl noch mehr angeben, wenn man weitläufiger sein wollte.
In Alexandrien ist Noth an Scheidemünze, so daß bisweilen für das Wechseln von 4 Piaster in Gold ohne Anstand 10 Para abgezogen werden. Ich war einmal genöthigt, einem Araber, der meine Sprachen nicht besser als ich seine verstand, so viel Para zu bezahlen. Anfänglich glaubte ich freilich hintergangen worden zu sein, weil eine so beschaffene Ordnung von Unordnung mich allzusehr befremdete. In Kaffee- und Wirthshäusern tritt gewöhnlich der Fall ein, daß man nicht quitt rechnet. Bald bleibt der Wirth, bald der Gast schuldig. Einmal konnte der Wirth mir keine kleine Münzen zurückgeben, und erklärte, mit Annahme der Zahlung zu warten. Wie staunte ich über das gastwirthliche Zutrauen, welches das Morgenland so lieblich verkündiget. Man fasse sich wohl, dieses Zutrauen ging auf den Stelzen der Münznoth. Ein andermal blieb ein Kaffeewirth, aber ein Grieche, mir eine Kleinigkeit schuldig. Die Begehr nach Scheidemünze fällt, wenigstens dem Fremden, ungemein beschwerlich; man muß gleichsam auf dieselbe Jagd machen, indem man jede Gelegenheit auffängt, um eine größere Münze auszugeben, die beim Umwechseln kleinere zurückwirft. Dazu kommt noch eine andere Unbeliebigkeit, daß schwierig zu erkennende falsche, oder gebrochene und beschädigte Münze im Umlaufe ist, welche nicht angenommen wird.
Zählen wir doch nichts zu den Unmöglichkeiten. Vielleicht rührt die Scheidemünznoth vom Kometen her, den ich in Egypten gerade zum ersten Male, als einen hübschen, langen Schweif, in der nördlichen Himmelsgegend zur Sicht bekam. Im Kaffeehause erregte diese Erscheinung plötzlich ernstes Rufen, lautes Lärmen, eiliges Laufen, anders nicht fürwahr, als wäre Feuer ausgebrochen. Wenn der Schwanzstern nun dieses zu bewirken, und, wie es denn bekannt ist, Krieg und Pest heraufzubeschwören vermag, wie soll er die Leute nicht auch in die Klemme des kleinen Geldes treiben können? Uebrigens bin ich selbst froh, daß die Sterngucker den Spaß dort ungefähr errathen haben; denn mich bangte nicht wenig, der Komet werde gar ausbleiben, dieweil er aus dem Wirrwarr der Himmelspropheten sich etwa nicht herauszufinden wisse, die in der Festsetzung des Tages oder der Nacht für das Stelldichein so nicht einig werden wollten oder konnten.
Das Schiff der Wüste.
Auf Alexandriens Boden reichten auch die vielen Kameele meiner Neugierde Nahrung dar. Zu Lande werden meist auf dem Rücken dieser Vierfüßer die Lasten fortgeschafft. Wie ein Faden spinnt sich eine lange Reihe von Kameelen oft mitten durch das Menschengedränge in den Gassen, eines hinter das andere gebunden. In ein weitfenstriges Netz von Stricken werden größtentheils die Lasten aufgeladen; so Steine, so Säcke, so Anderes. Das hohe Kameel bewegt sich in gemessenen langen und eher langsamen Schritten, während der niedrige Esel mit seinen kurzen Füßen trippelt. Der Fuß des Kameels ist wie das Pendul einer Thurmuhr, der Fuß des Esels wie dasjenige einer Taschenuhr. Und noch mehr Gegensatz. Das Kameel ernst, der Esel flatterhaft; das Ohr des großen Kameels klein, des kleinen Esels groß. Es macht Spaß, diese zwei Thiere neben einander zu sehen.
Anleitung für den Reisenden.
Langt man im Hafen an, so fährt der Kapitän in seiner Schaluppe ans Land. Ergreift man nicht gleich diese Gelegenheit, so holt man später auf einer der Barken, die im Hafen jederzeit bereit liegen, die Effekten, höchstens für einen Piaster. Zu Lande wird das Gepäcke von den Mauthbeamteten untersucht, welche einen Piaster von mir forderten. Ein Lastträger bringt für einen Piaster das Gepäcke bis ins Logis. Eine größere Last würde man am beßten auf Esel oder auf Kameele laden, und auch auf letztern kostet die Fortschaffung des Gepäckes nicht viel. Ehe ich das Zimmer im Wirthshause zu den drei Ankern (welches sonst dem kostspieligeren zum goldenen Adler nachgesetzt wird) bezog, fand ich mich mit dem Wirthe ab. Das Zimmer war geräumig, mit der Aussicht auf einen Bassar, das Bett rein; die Flügelthüren mußten mit einem Vorlegeschloß gesperrt werden.
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